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Nachhilfe in Sachen „graue Vorzeit”

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Es kommt uns wahrscheinlich nur selten zu Bewußtsein, wie wenig wir von der Frühgeschichte unserer Heimat, von der damaligen Bevölkerung, von ihren Sitten und Gebräuchen, ihrer Kultur und ihrer Religion wissen. Weniger jedenfalls als über das, was gleichzeitig in Mesopotamien, in Kleinasien, in Griechenland, Palästina und Ägypten vorfiel. Denn diese Gebiete waren durch die Kenntnis der Schrift bereits in das Licht der Geschichte getreten.

Um 1836 ordnete der dänische Museumsdirektor Thomsen seine vorgeschichtlichen Funde nach Werkstoffen in drei Perioden: Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Später kam man überein, die

Eisenzeit zu teilen und nach den bedeutenden Fundorten Hallstatt (Oberösterreich) und La Tene (Kanton Neuenburg, Schweiz) zu benennen. Seither hat sich für die ältere Eisenzeit (8. bis 5. Jahrhundert vor Christus) der Begriff Hallstattkultur eingebürgert, für die jüngere Eisenzeit (5. Jahrhundert vor bis I. Jahrhundert nach Christus) der Begriff Latenekultur.

„Die Hallstattkultur - Frühform europäischer Einheit” lautet der Titel der Internationalen Ausstellung des Landes Oberösterreich, die vom 25. April bis 26. Oktober 1980 im Schloß Lamberg in Steyr täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet ist. Eine Ausstellung, die vom

Direktor der Prähistorischen Abteilung des Wiener Naturhistorischen Museums, Hofrat Wilhelm Angeli, sachkundig geplant wurde, einen Versicherungswert von 110 Millionen Schilling aufweist und rund 1000 Exponate aus ganz Europa - von Cambridge bis Odessa - umfaßt.

Man muß die Ausstellung gesehen haben, um ihre Bedeutung richtig einschätzen zu können, man muß durch die 15 (zum Teil leider etwas engen) Ausstellungsräume gegangen sein, nicht schnell, sondern langsam, auch die Details der ausgestellten Objekte betrachtend, der Waffen und Schmuckstücke, der Gefäße und Figuren, um festzustellen, daß diese Vorzeit gar nicht so grau war.

Die Ausstellung nähert sich von Osten dem Thema, über kimmerische Funde aus der Sowjetunion und Einflüsse der östlichen Steppenvölker in Mitteleuropa, wie sie vor allem im Pferdegeschirr und in den Waffen zum Ausdruck kommen.

Uber die Auseinandersetzung mit der Technik dieser Zeit, den Formen der Eisengewinnung und -Verarbeitung wird dann die Brücke zum Hauptfundort, zu Hallstatt, hergestellt. Hallstatt lag ungefähr im Zentrum des Gebietes, das damals eine kulturelle Einheit bildete und sich im wesentlichen mit dem

Bereich der Alpen deckte. Die Prähistoriker unterscheiden zwischen einem Westhallstattkreis und einem Osthallstattkreis: beide umschließen das Gebiet von Frankreich bis Rußland mit Kontakten zu Südeuropa, zu den Griechen und Etruskern.

Der prähistorische Bergbau in Hallstatt hinterließ viele Spuren. Im Frühling 1734 entdeckten Knappen des Hallstätter Salzbergwerkes den „Mann im Salz”, einen durch das Salz konservierten Toten, den man wegen seiner seltsamen Kleidung sofort als „Heiden” einstufte und rasch in der Ecke des Hallstätter Friedhofes verscharrte. Hätte man den Leichnam und vor allem seine Kleidung aufbewahrt, wäre es für die moderne Wissenschaft kein Problem gewesen, aus dieser einzigartigen Begegnung mit einem prähistorischen Menschen wesentliche Erkenntnisse zu gewinnen.

Zu seinem Weltruf auf. prähistorischem Gebiet gelangte Hallstatt erst über hundert Jahre später, nachdem der Hallstätter Werkmeister Johann Georg Ramsauer 980 Gräber freigelegt hatte, aus denen fast 20.000 Gegenstände verschiedenster Art geborgen wurden. Diese Grabbeigaben, wie sie in der Steyrer Ausstellung aus zahlreichen Orten Mitteleuropas, zum, Teil aus Fürstengräbern in Deutschland und Frankreich, gezeigt werden, sind Hauptanhaltspunkte für die Forscher.

Aber vieles ist nach wie vor ungeklärt, etwa die Frage der Religion, der Form des Gemeinwesens und der Gesellschaftsstruktur. Während die Hallstattkultur zumindest in späterer Zeit im Westen von den Kelten getragen wurde, dürften in der Frühzeit zwei nicht genau bestimmbare Völker daran beteiligt gewesen sein.

Höhepunkte der Ausstellung sind das Golddiadem aus dem Fürstengrab von Vix (Frankreich), der Goldfund von Fo-koru (Ungarn), die Situla von Väce (Jugoslawien). Nur Snobs werden sich daran stoßen, daß auch mit sehenswerten Rekonstruktionen gearbeitet wird, etwa beim Kultwagen von Strettweg, dessen Ausfuhr aus der Steiermark ein eigenes steirisches Landesgesetz verbietet.

Da Hallstatt keine geeigneten Räumlichkeiten besitzt, fiel die Ortswahl für die Ausstellung auf Steyr, das sich für die heurige 1000-Jahr-Feier wunderschön herausgeputzt hat. Das aus der historischen „Styraburg” hervorgegangene Schloß Lamberg, im Besitz der Bundesforste, wurde auf Kosten von Bund und Land restauriert und soll nach der Ausstellung zu einem Steyrer Kulturzentrum werden. Ein weiterer erfreulicher Schritt der oberösterreichischen Kulturpolitik, deren Strategie, wichtige Gebäude für Großausstellungen gemeinsam mit dem Bund zu restaurieren, noch viel Erfolg zu wünschen ist.

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