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Frühe Einheit

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Im Frühling 1734 machten Knappen des Bergwerkes Hallstatt im damaligen Kammergut einen seltsamen Fund: Sie entdeckten den „Mann im Salz”, einen Toten, der erst vor wenigen Tagen gestorben zu sein schien, aber so seltsam gekleidet war, daß man ihn sofort als „Heiden” einschätzte und rasch in der Ecke des Hallstätter Friedhofes verscharrte. Hätte man den Leichnam und vor allem seine Kleidung konserviert oder sie zumindest beschrieben, wären etliche Geheimnisse, die den Prähisto- rikem heute noch Kopfzerbrechen bereiten, gelöst.

Rund hundert Jahre später -1846 - faßte der Hallstätter Bergmeister Johann Georg Ramsauer den Entschluß, auf dem Terrain des urge- schichtlichen Hallstatt Grabungen durchzuführen, und er hatte Erfolg: er .konnte 980 Gräber freilegen, aus denen fast 20.000 Gegenstände der verschiedensten Art geborgen wurden. Trotzdem erkannte man erst im Laufe von Jahrzehnten den wirklichen Wert der „Hallstätter Totenstadt”, die schließlich Weltgeltung erlangte und einer ganzen Epoche den Namen „Hallstattzeit” verlieh.

Diese „Hallstattzeit” dauerte vom 8. bis zum 5. vorchristlichen Jahrhundert und war keineswegs auf Österreich beschränkt. Die Prähistoriker unterscheiden zwischen einem Westhallstattkreis und einem Osthallstattkreis: beide umschließen den Bereich von Rußland bis Frankreich mit Kontakten zu Südeuropa, zu den Griechen und Etruskern. Am deutlichsten sprechen für die Hallstattzeit die kulturellen Erzeugnisse. So fand man als Grabbeigaben eine Fülle von Fibeln, mit denen die Frauen ihre Kleider - gewissermaßen wie mit einer Sicherheitsnadel - zusammenhielten Die Fibeln sind so zahlreich, daß man sie - nach ihrer Form - in Tierfibeln, in Kahnfibeln, in Halbmondfibeln, in Schlangenfibeln, in Scheibenfibeln und in Spiralfibeln ordnete. Dazu kommen Nadeln, Ringe, Gürtel, Kultgegenstände, Gefäße usw. Alle diese Dinge verraten einen geschulten Geschmack und ein bedeutendes künstlerisch- handwerkliches Können.

Das Wissen um den hallstattzeitlichen Menschen nimmt laufend zu: Forscher und Gelehrte sind bemüht, immer mehr von ihm zu erfahren, und das ist nötig, denn es gibt noch viel Ungeklärtes. Dazu gehören die Fragen nach der Religion, nach den Formen des Gemeinwesens und der Gesellschaftsstruktur, nach der Stammesgliederung und nach dem Zusammenleben überhaupt. Es fehlen eben für die Hallstattzeit weitestgehend schriftliche Zeugnisse, wodurch die Arbeit der Wissenschafter sehr erschwert wird.

Das Land Oberösterreich sieht es nun als eine Aufgabe an, das Thema „Hallstattzeit und Hallstattkultur” in jeder Hinsicht zu unterstützen und zu fördern. Die Ursache für dieses Bemühen ist leicht erklärbar: die Siedlung Hallstatt - urkundlich 1311 als Markt bezeichnet - liegt in Oberösterreich, und die „Hallstattzeit” wird nach ihr benannt. Es war daher ein lang gehegter Plan, in Oberösterreich eine internationale Ausstellung zu etablieren, mit der die gesamte Hallstattkultur präsentiert werden solL Als Ort dazu wurde die Stadt Steyr bestimmt, die 1980 ihre Gründung vor tausend Jahren feiert.

Für die Ausstellung „Die Hallstattkultur - Frühform europäischer Einheit”, die Ende April 1980 eröffnet wird, mußte das Schloß Lamberg zu Steyr umfassend renoviert werden. Für die Schau stehen 1500 Quadratmeter zur Verfügung; als Leihgeber scheinen neben österreichischen Museen prähistorische Sammlungen in Deutschland, Frankreich, Jugoslawien, Ungarn, in der Schweiz, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion auf. Als Höhepunkte und Schätze von Weltbedeutung werden unter anderem das Golddiadem aus dem Fürstengrab von Vix, der Fund von Fokoru aus Budapest, diė Situla (Schnabelkanne) von Vače (Laibach) und ein hallstattzeitlicher Panzer samt Maske und Händen gezeigt. Ein Stollen, wie er vor mehr als 2000 Jahren zum Salzabbau Verwendung fand, wird originalgetreu nachgebildet und kann von den Besuchern begangen werden.

Nach dem von Hofrat Dir. Dr. Wilhelm Angeli (Naturhistorisches Museum Wien) erstellten Konzept besteht die Ausstellung aus vier Bereichen. Im ersten ist die „Fährte der Hallstattzeit” von Rußland bis Hallstatt zu verfolgen. Im zweiten Bereich werden Hallstatt selbst und seine Fundstellen präsentiert: zunächst das Gräberfeld, dann die einzelnen Phasen der Besiedlung des Salzbergtales und schließlich die Abbaumethoden im Salzberg. Der dritte Bereich gilt dem hallstattzeitlichen Alltag: sichtbar gemacht durch Bekleidung, Bewaffnung, Technik, Siedlung und Totenbrauchtum. Der Bereich IV zeigt die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Ost- und Westhallstattkreis sowie zu den Griechen und Illyrern, wozu hervorragende Funde zur Verfügung stehen. Nach den Intentionen Dr. Angelis ist es ein Hauptanliegen, keine Fachausstellung zu gestalten, sondern eine Schau, in der sich jeder, den das Thema in irgendeiner Form anspricht, mühelos orientieren kann.

Es ist deshalb zu erwarten, daß die Ausstellung „Die Hallstattkultur - Frühform europäischer Einheit” im Schloß Lamberg zu Steyr das Interesse breitester Kreise wecken wird und ein Zentrum des Ausstellungssommers 1980 in Europa bildet.

(Der Autor ist Leiter des Presseamtes der Stadt Linz)

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