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Totenleuchten und Bildstöcke

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Die Landschaft Österreichs ist gleichsam geweiht durch die vielen Wahrzeichen, di auf freiem Felde oder unter mächtig schattenden Baumkronen, an Wegkreuzungen und auf Hügeln, an den Ortseingängen und auf den Märkten stehen. Wahrzeichen, die nicht aus kirchlicher Vorschrift, sondern aus dem frommen Sinne des Volkes entsprungen sind, eines Volkes, das seinen Nachfahren berichten will von Dank und Sühn , von Pest und Krieg. Jede Not und Freude ist benützt, um einen geweihten Ort zu schaffen, von dem Segen über die Landschaft strömt Nach Jahrhunderten werden wir noch von unseren Vorfahren gemahnt an die irdische Vergänglichkeit und an die ewigen Güter.

Nun wurde uns in den letzten Tagen von einem Maler über diesen Gegenstand ein Buch geschenkt , welches das größte Interesse verdient. In jahrelanger Arbeit hat der Verfasser auf vielen Reisen alle Einzelheiten über die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs zusammengetragen. Er führt uns damit in ein Gebiet, dem die Liebe des Volkes gehört, da bisher jedoch niemals in seiner Gesamtheit dargestellt worden ist.

Von besonderem Interesse sind die Ausführungen über die Totenleuchten. Mit vielen Argumenten macht der Autor wahrscheinlich, daß der Bildstock, wie wir ihn im Mittelalter und bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts finden, in seiner Gestalt auf die Totenleudue zurückgeht. Die Totendeuchte, ein steinerner Pfeiler, der in einem offenen Häuschen mit turmhelmförmigem Dach und Kreuz das ewige Licht trägt, stand auf dem mittelalterlichen Friedhof oder auch vielfach außerhalb desselben als Mal über Pestgräbern. Interessant ist, daß einige der ältesten Totenleuchten Österreichs in ihrer Gestalt Zusammenhänge mit Friedhofsleuchten, Liditsäulen von riesigen Ausmaßen in einem bestimmten Gebiet von Frankreich zeigen.

Ans den Totenleuchten entwickelte sich der eigentliche Bildstock. Der Volksmund bezeichnet die Bildstöcke überdies meist als „Kreuze”. An Stelle des Lichthäuschens trat ein steinerner Kubus, an Stelle der Öffnungen mehr oder minder vertiefte Bogennischen oder Felder, die Reliefdarstellungen, Malereien oder Inschriften trugen. Die Ursachen für die Errichtung waren vielfältig.

Von den Totenleuchten und Bildstöcken schlichter volkstümlicher Art unterscheiden sich nur einige wenige als Werke von besonderer Künstlerhand. Dazu gehören unter anderen die bekannte Friedhofsleuchte von Klosterneuburg, die nicht an ihrer ursprünglichen Stelle steht und an da Pestjahr 1381 erinnert, und die Spinnerin am Kreuz in Wien und Wiener Neustadt.

Die Fülle des Stoffes und die engere Abgrenzung des Themas, wie sie der Titel des Buches gibt, bringen es mit sich, daß der Autor nur eine vollständige Darstellung des Males bis zum 17. Jahrhundert erstrebt, ohne sie freilich ganz zu erreichen. Er bringt nicht weniger als 600 Abbildungen. Alle späteren Erscheinungen, vor allem die Male mit figürlichen Darstellungen aus der Barockzeit, wie die Immakulatasäuicn, Dreifaltigkeitssäulen und Statuen der heiligen Fürsprecher, führt Hula auch in einzelnen Beispielen vor, nm eine abgerundete Übersieht über die Wahrzeichen zu geben.

In der Einleitung wendet sich der Verfasser an die Bürgermeister, an die Vereine für Heimatpflege und an die Geistlichkeit auf dem Lande mit dem Appell, für die Erhaltung dieser Denkmäler durch eine ständige Betreuung zu sorgen und dort, wo die Gefahr eines Verfalls besteht, im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt in Wien, beziehungsweise mit den Landeskonservatoren in den Hauptstädten der Bundesländer eine fachgemäße Restaurierung vorzunehmen.Der Zahn 8ef Zeit un8 noch melir sie Kriegsereignisse haben manche Bresche in die Reihe dieser volkstümlichen Denkmäler geschlagen, und es ist Zeit, daß dem weiteren Verfall dieser Wahrzeichen Einhalt geboten wird. Der Erhaltungszustand war vor dem Kriege nicht immer der beste gewesen.

Die Zerstörungen begannen mit dem Hereinbrechen der politischen Kämpfe. Eine große Anzahl der malerischen Johann- Nepomuk-Statuen aus barocker Zeit wurde im Jahre 1939 aus nationaler Gehässigkeit gestürzt, geköpft, in die Flüsse geworfen. In Krems hat man eine Statue regelrecht auf der Donaubrücke gehängt. Diesen und anderen Schändungen ehrwürdiger Male folgten die Zerstörungen, die der Krieg und seine Nachwirkungen verursachten. Noch sind die Schäden nicht alle aufgenommen und gezählt, die auf diese Weise entstanden sind. Es handelt sich um Hunderte von Fällen. Der reiche Bestand an barocken Bildstöcken im Burgenland ist arg dezimiert. In Niederösterreich sind es Hunderte von Wegkreuzen, die durch Fahrzeuge zum Sturz gekommen sind oder auf andere Weise beschädigt wurden. Von den barocken Pestsäulen haben viele durch Beschuß gelitten.

Wohl sind manche der beschädigten Bildstöcke bereits wieder aufgerichtet und hergestellt worden, und im allgemeinen ist das Interesse der Landgemeinden groß, die Wahrzeichen instand zu setzen. Soweit es sich um Denkzeichen handelt, die ohne figuralcn Schmuck sind, bedarf es nur des guten Willens der Ortsbevölkerung und der kirdi- li hen Kreise, um den Schaden durch einen Steinmetz aus der Umgegend beheben zu lassen. Doch ist gerade bei älteren Steinmalen auf eine sachgemäße Instandsetzung zu achten. Es wird sich daher empfehlen, immer den Landeskonservator als Fachmann zu Rate zu ziehen. Dies um so mehr, wenn es sich um Bildstöcke mit Inschriften und reichem figuralen oder ornamentalen Schmuck handelt. Die im Gange befindliche Instandsetzung des überaus reizvollen frühbarocken Kreuzweges in Bisamberg oder die Restaurierung des barocken Kreuzweges in Heiligenkreuz stellt zum Beispiel den Bildhauer und geschulten Restaurator vor schwierige Aufgaben.

Der Denkmalpfleger kennt wohl aus eigener Anschauung viele beschädigte Male, doch ist er für jede Mitteilung über weniger bekannte Bildstöcke 8ankbar. Es sollten systematisch von denen, welche die alten Wahrzeichen lieben, dem Landeskonservator Mitteilungen über den Zustand derselben gemacht werden.

Oft finden sich in Wegkapellen und Bildstöcken wertvolle Plastiken aus Holz, deren farbige Fassung schadhaft geworden ist. Auch hier soll nicht von unkundiger Hand und nicht ohne fachmännische Beratung eine Instandsetzung vorgenommen werden.

Erfreulicherweise sind in manchen Gegenden die Bestrebungen groß, in Bildstöcken die fehlenden Heiligenbildnisse wieder zu erneuern. Gerade jene Tabernakelsäulen, deren Ursprung Franz Hula mit Recht auf die Totenleuchten zurückführt, haben das Bild, welches nicht wesentlich zu ihrem Bestand gehört, aber in späterer Zeit immer in ihnen Platz gefunden hat, verloren. Es wird wichtig sein, darauf zu achten, daß eine würdige Darstellung in den heiligen Schrein gestellt wird. Es soll jedenfalls kein Serienerzeugnis aus Gips sein. Die religiöse Kunst muß sich mit dieser Aufgabe beschäftigen. Sei es eine kileine Plastik aus Ton mit der Darstellung des Vesperbildes, sei es ein Kreuzigungsbild auf Kupfer oder Zink, in manchen Fällen vielleicht eine Märtyrerdarstellung in einem kleinen Fresko, immer muß gefordert werden, daß Material und Arbeit der Würde des Males angemessen sind.

Wir bewundern an diesen Wahrzeichen, mit welchem künstlerischen Sinn unsere Vorfahren die Erinnerungsmale in die Landschaft und in das Ortsbild zu setzen verstanden, und müssen beschämt gestehen, daß sich daneben die Kriegergedächtnismale nach dem ersten Weltkrieg häufig wie Fremdkörper ohne künstlerischen Wert ausnehmen.

Würde es nicht dem schlichten Sinn unsefes Volkes entsprechen, wenn so mancher beschädigte Bildstock zum Dank für die überstandenen Kriegsnöte würdig instand gesetzt und der Anlaß in wenigen Worten unauffällig am Wahrzeichen vermerkt würde? Solang die Male gestürzt und geschändet sind, ist es, als ob unser Vertrauen am Boden liegen würde. Diese Empfindung wird man nicht los, wenn man vor der gestürzten herrlichen Mariensäule auf dem Hauptplatz in Wiener Neustadt steht. Die Aufrichtung der Male wird jedenfalls ein Zeichen eines neugewonnenen Lebensmutes und einer neuen Zuversicht sein.

1 FrTBz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs. Ein Einblick in ihren Ursprung, ihr Wesen und ihre stüistische Entwicklung. Mit 600 Abbildungen und 32 Tafeln. Verleg Helene Poeds, Wien 1948.

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