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Ein Bild der Hoffnung und der Liebe

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w enn wir unsere Gedanken zur Weihnachtszeit auf die Darstellung der Heiligen Nacht in der Kunst richten, nehmen allgemeine Überlegungen konkrete Gestalt an. Ein Uberblick über die Darstellungen der Heiligen Nacht entwertet das Einzelne zwar in seiner Gültigkeit, läßt in der Summe jedoch einen Reichtum erkennen, der uns vor der eigentlichen Quelle dieser Inspiration mit tiefster Ehrfurcht erfüllt. Seit nahezu zweitausend Jahren wenden sich die Maler und Bildhauer dem Weihnachtsgeschehen zu; immer neue Bilder suchen das überlieferte Geschehen festzuhalten, künstlerische Inspiration will das Unfaßbare erfassen und trägt damit zu einem Mosaik bei, das viele Millionen Facetten besitzt. Aber doch ist es nur ein Kleid, wir ahnen wie groß jene Kraft sein muß, von der alle diese Darstellungen künden.

D as vermutlich älteste Bild, um 325 entstanden, findet sich auf dem Deckel eines römischen Sarkophages und stellt einen sinnenden Hirten vor einer Krippe dar; Ochs und Esel schauen auf das Kind herab; ein sehr schlichtes bescheidenes Motiv. Dieser Umstand aber gewinnt noch mehr an Bedeutung, wenn man bedenkt, daß um eben diese Zeit Kaiser Konstantin das römische Fest des unbesiegbaren Sonnengottes, das am 25. Dezember gefeiert wurde, dem Christentum verband und ihm eine überhöhte Bedeutung gab: Christus ist die neue Sonne, die in die Welt trat. Die Gedanken wendeten sich nicht mehr dem Sonnengott zu, sondern dem Schöpfer der Welt und der Gestirne. Doch nicht davon berichtet uns die Hirtenszene. In einer bewußten Abkehr von ehemals heidnischem Brauchtum wird Christus, der Erlöser der Welt, in der Krippe gezeigt.

Im Hirten wird die Erlösung suchende Menschheit versinnbildlicht, der Hirt ist es ja, der die Schafe vor dem Wolf beschützt; Christus selber ist das Vorbild des guten Hirten. Am Anfang der Bildsprache steht der Anruf, das wahre Licht dieser Welt zu schauen, Christus, der im Stall zu Betlehem geboren wurde, als Erlöser der Menschheit zu erkennen. Erst im 5. Jahrhundert, dies zeigen die Mosaiken in Sta. Maria Maggiore in Rom (nach 430) tritt die Lichtsymbolik zu Christus. Als jugendlicher Imperator nimmt er auf einem Thronsessel die Huldigung der Magier entgegen.

Die Mutter des Herrn, die heilige Maria hat zunächst nur im Bild der Epiphanie, in der Anbetung der Heiligen Drei Könige ihre Darstellung gefunden. Erst als sie im Konzil von Ephesus (431) als Gottesgebärerin anerkannt wird, hat auch sie ihren Platz an der Krippe. Mittedes 5. Jahrhunderts kommt der heilige Josef auf der anderen Seite der Krippe hinzu. Der Stall selber wird nur als Rückwand oder als Dach über der Krippe angedeutet. Palästina kennt die Darstellung der Geburtshöhle, die über Byzanz dann auf die abendländische Kunst wirkte.

Die Abbildungen des Weihnachtsgeschehens haben sich - wie wir sehen -Maria zugewandt, dem Beweis der jungfräulichen Geburt. Die anfangs sehr realitätsbezogenen Darstellungen von Maria im Wochenbett, die sich an der antiken Kunst schulten, werden im Laufe der Entwicklung zeichenhaft, um sich bald wieder neu zu(beleben und mit genreartigen Details zu bereichern. Man denke an die klassischen Darstellungen von Nicolo und Giovanni Pi-sano in Siena, Pistoia und Pisa, an Gi-ottos Fresken in Padua.

Auch in der gotischen Tafelmalerei der deutschen Kunst finden wir diese Zusammenhänge. Das Licht des Sternes strahlt in vielen Bildern auf das Kind herab, Gott Vater selber ist es -wie bei Meister Franke - der durch Christus auf diese Welt herabblickt. Das Kind wird zum Licht, das Stroh der Krippe gleicht - wie es die hier abgebildete Szene zeigt.- einer Sonne. Es ist ein Licht, das - wie es die Grabtafel des Florian Winkler in Wiener Neustadt (f 1477) so schön demonstriert -voraus- und zurückstrahlt. Wir sehen im Hintergrund der Geburtsszene die Vertreibung aus dem Paradies. Christus ist - so gemahnt das Bild - der neue Adam, der die Welt erlöste, Maria ist die neue Eva. Josef hält die Laterne über dem kleinen Kind, denn Christus ist das wahre Licht, und das wundertätige Schöllkraut, das nahe der Krippe wächst, soll die blinden Menschen sehend machen, damit sie dieses Licht erkennen.

Was wir sonst auf spätgotischen Tafelbildern dargestellt finden, ist voll rührender Erfindung. Man schildert das Leben in der Stube der Wöchnerin, man sieht Engel und Mägde, die sich um Maria und das Kind bemühen. Josef, der einst, an der Schwelle sitzend, Gebete sprach, wird als sorgender Vater in die Geschäftigkeit einbezogen, er kocht für das Kind den Brei oder bläst das Feuer an. Alle Themen früherer Darstellungen tauchen wieder auf und werden reich ausgesponnen.

in! m und nach r500, an einer sehr entscheidenden Zeitwende also, erkennen wir eine neue geistige Dimension. Grünewalds Isenheimer Altar ist eines der großartigsten Bilder in diesem Sinn. Die Flügel des Altares konfrontieren Ereignisse aus dem Leben Christi. Die tragische Finsternisdes Kreuzestodes weicht, wenn die Flügel geöffnet werden, dem Wunder der Geburtsszene. Maria liebkost ihr Kind und das göttliche Licht strahlt über sie und die Welt. Engel stimmen unter einem gotischen Baldachin ein himmlisches Konzert an. Links von der Weihnachtsdarstellung findet sich die Verkündigungsszene, rechts die Auferstehung Christi. Die Heilige Nacht ist somit die zentrale Szene, zwischen der Botschaft des Engels und der sieghaften Uberwindung des Todes. Die Menschwerdung Christi soll - so könnte man daraus folgern -auch die Mitte unseres Lebens sein.

Neben dieser ungeheuren Dramatisierung des heiligen Geschehens, finden wir in der spätgotischen Bildsprache noch eine andere Aussage, die einen sehr ausdrucksstarken Akzent, setzt. Sie zeigt sich in den kleinen Andachtsbildern Albrecht Altdorfers. Die Geburt Christi, die sich in den Staatlichen Museen in Berlin befindet, ist ganz vom Mysterium dieser Heiligen Nacht getragen. Maria, Josef und das von Engeln gehaltene Christuskind müssen wir

in der phantastischen Ruinenlandschaft im Winkel eines verfallenen Stalles erst suchen, obwohl eine im nächtlichen Himmel schwebende Engelgruppe auf die Geburtsszene hinweist. Das Wunderbare erfüllt den ganzen Raum. Am Himmel steht eine mild strahlende große Mitternachtssonne, Engel schweben in einer hellen Lichtwolke herab. Ein geheimnisvolles Leuchten erfüllt die gesamte Realität, es strahlt aus den Gemäuern und Dachsparren, aus den Blumen und Gräsern, aus allen Konturen und Linien. Jedes Detail ist von diesem schwebenden Licht getragen. Das Göttliche belebt diese Nacht, die uns inmitten der Ruinen eine Vision unendlicher Herrlichkeit vermittelt.

^^on dieser spätmittelalterlichen Auffassung gehen entscheidende Impulse aus, die vom Barock aufgegriffen werden. Man denke an Correggios Anbetung der Hirten in Dresden oder an den mystischen Dämmerton, den Rem-brandt der Geburtsszene in seinem Londoner Bild gibt. Das kleine Christuskind wird zur geheimnisvoll strahlenden Sonne, die alle, die sich ihm zuwenden, erleuchtet. Noch ein zweiter Aspekt ist zu beachten: Das Zusammenbrechen einer alten Welt, die durch Christus neu geboren wird. So interpretiert es später auch Kremser Schmidt mit einem reizvollen kleinen Bildchen der Flucht nach Ägypten, das sich im Stift Seitenstetten befindet.

Im Barock wird auch der Kontrast, von dem vorhin gesprochen wurde, bildhaft genützt, er zeigt sich zum Beispiel in der Konfrontation des primitiven Stalles mit dem göttlichen Ereignis. Im berühmten Gemälde des Hieronymus Bosch, das sich im Prado zu Madrid befindet, klingt dies bereits an. Franz Anton Maulbertsch verleiht diesem Milieu an der Krippe Jahrhunderte später in seinen Sümeger Fresken sogar einen grotesken Zug.

Nach diesen letzten schöpferischen Höhepunkten bildhafter Interpretation kehrt die Malerei der Romantik und des Historismus wieder zu der ursprünglichen Aufgabe der Bildmeditation und Illustration zurück. Selten gelingt es, das Weihnachtsgeschehen mit der Kraft der Illumination auch von innen her zu erleuchten.

IN^it einem solchen Uberblick ist zunächst nur eine sehr knappe Information gegeben. Entscheidender ist die daraus folgende Fragestellung: welchen geistigen Platz nahmen diese Weihnachtsbilder einst im Leben ein, und wie steht es heute damit? Die ältesten Darstellungen schmückten Sarkophage, sie waren also dem Gedanken um Tod und Auferstehung verbunden. Wir finden die Geburtsszene dann auf Triumphbögen vor dem Altarraum, in Kapellen, auf Toren, an Kanzeln, in Büchern und auf Reliquienschreinen, schließlich an und über den Altären der Kirchen. In der Geburt Christi sah man - so etwa an der berühmten Amboverkleidung des Niclas von Verdun - die Erfüllung des Heilsgeschehens durch die göttliche Gnade. Von den Anfängen der Welt über die dunklen Vorbilder, von denen die Propheten sangen, reicht hier die Bildfolge bis in den noch währenden Zeitabschnitt, der von Herrlichkeit göttlicher Liebe erfüllt ist. So wurde das Weihnachtsgeschehen Mittelpunkt unseres Lebens. Im Altarbild war das Weihnachtsgeschehen während des Meßopfers auch immer neu gegenwärtig, es wurde sogar mitten in das tägliche Leben verlegt, wie es zum Beispiel die beiden Wiener Altarwerke des sogenannten Albrechts- und Schottenmeisters anschaulich zeigen. Vor den Toren unserer Stadt erleben wir die Verkündigung, die Geburt Christi, aber auch die Flucht nach Ägypten. So führt das Altarbild des Mittelalters nicht nur in ferne Vergangenheit, sondern auch mitten in die Aktualität des Tages.

Im Barock fügt sich die Geburt Christi in die Vision des dreifaltigen Gottes, ein letzter großartiger Höhepunkt. Wir sehen dies in den Freskozyklen von Stadl-Paura, (Domenico Parodi 1720/ 24), am Sonntagsberg (Daniel Gran 1738/43) und in Sümeg. Diese ungarische Kirche, die 1757/58 von Franz Anton Maulbertsch ausgeschmückt wurde, ordnet die Heilige Nacht im westlichsten Joch dem Thema Gottvaters zu, das dann über das Leben Christi zur Herabkunft des Heiligen Geistes führt, und in der Darstellung und Vereinigung der Trinität im Altarraum seinen Höhepunkt findet. Damit ist auch dem Betrachter der Weg und das Ziel seiner Andacht gewiesen. Diese reale und geistig geleitete Wegandacht ist ein Wesenszug der Kunst des Barock. Sei es, das man zur Christkindlkapelle bei Steyr (1691 -1708) eine Wallfahrt unternahm oder daß man im Andachtsweg vor den Adventbehängen Kremser Schmidts (1777) in der Stiftskirche von Garsten vom Sündenfall bis zum Traum des heiligen Josef, der auf die Geburt Christi vorbereiten soll, geführt wird. Am Weihnachtstag stieg man auch im Servitenkloster in Schönbühel von der Donau aus zu der in den Fels gehauenen Geburtsgrotte empor. Unser eigenes Leben sollte so zum Weg werden und auf ein Ziel ausgerichtet sein.

w eihnachtsbilder kamen auch immer mehr in die private Sphäre der bürgerlichen Wohnungen, Krippen wurden aufgestellt und glichen oft einer großen heiligen Theaterszene. Zuletzt wurde der Lichterbaum, der uralte Lebensbaum, der um 1600 zuerst im Elsaß nachweisbar ist, zum Sinnbild des Festes. Waldmüller malte auch nicht mehr die Geburt Christi, sondern den Christmorgen, den Abglanz der Festfreude im Ausdruck der beschenkten Kinder.

T_J nd wie steht es heute mit dem Bild, das wir uns vom Geschehen der Heiligen Nacht machen? Wir haben keine neuen, eigenen Bilder geschaffen, die faszinierende Aktualität, die das Ereignis von Betlehem einst mitten in unsere Gegenwart verlegte, gibt es nicht mehr. Es sind historische Bilder, die wir über den oft schon verlassenen Seitenaltären unserer Kirchen bewundern, es sind Gemälde aus Museen oder privaten Sammlungen, religiöse Darstellungen wurden zu kostbaren Antiquitäten. Die großen geistig-liturgischen Bezüge sind vielfach in Vergessenheit geraten.

Und dennoch ist altes Brauchtum lebendig geblieben: die Wallfahrt nach Christkindl etwa, das Herbergsuchen oder das Aufstellen von Weihnachtskrippen. Das Adventsingen findet in einzelnen Bundesländern in stets ausverkauften Sälen statt. Der Christ-kindlmarkt erlebt eine Renaissance, auch der Besuch der Weihnachtsoratorien wird immer häufiger.

Der Mangel an neuen Weihnachtsbildern kann auch positive Gründe haben. Er kann für eine sehr persönliche Versenkung in das Ereignis der Heiligen Nacht sprechen, die sich in einem nach außen getragenen Bild verlieren würde und auch unfaßbar sein könnte. Vielleicht ist es auch so, daß wir den alten Bildern derzeit nichts mehr hinzufügen können, in ihnen wurde bereits alles gesagt. Umso mehr aber sollten wir sie betrachten und über ihre tiefe religiöse Aussage meditieren. Einige Erkenntnisse könnten wir allein schon aus diesem knappen Uberblick gewinnen. Doch bei dem Erkennen sollte es nicht bleiben, es verlangt vor allem nach dem Bekenntnis unseres Glaubens.

w eihnachtsbilder enthalten Offenbarungen, die stets - nicht nur zu Weihnachten - in uns wirksam werden sollten. Wir können Bereitschaft und Demut lernen, wir können unsere persönlichen Geschenke, mit tiefster Dankbarkeit darbringen. Das Eigentliche aber, das von uns abverlangt wird, ist so einfach, daß es im Grunde fast selbstverständlich ist und übersehen wird. Und doch kann diese Weihnachtsgabe alle Schwierigkeiten losen und jegliche Finsternis erhellen: es ist dies unser guter Wille, das Wollen des Guten.

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