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VOM DREIECK ZUR PESTSÄULE

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Ohne den Versuch, auch das Göttliche bildhaft wiederzugeben, ist eine Entwicklung der Kunst nicht zu denken. Ob es sich um heidnische Götterbilder handelt, die selbst Gegenstand der Anbetung sind, oder ob die christliche Kunst versucht, sinnbildhaft das Heilige anzudeuten — immer steht der Wunsch dahinter, das Überirdische begreiflich zu machen. Schon das frühe Christentum versucht, zu einer bildhaften Gestaltung der Dreifaltigkeit vorzutasten. Die Zeit war für Symbole äußerst aufgeschlossen, und sie waren nicht nur Erkennungszeichen in den Jahrhunderten der Verfolgung. Manches wurde aus gnostischen Ideen und aus der Gedankenwelt der Mysterienkulte übernommen. Es lag nahe, daß auch die Dreifaltigkeit symbolisiert wurde. Die Form des Dreiecks bot sich an, meist eines gleichseitigen, aber auch eines gleichschenkeligen Dreiecks. Diese geometrische Figur wurde vor allem von den Manichäern als Symbol der Dreifaltigkeit verehrt, wogegen sich Augustinus wandte. Neben dem Dreieck, das die Dreiheit betonte — vielleicht überbetonte — wurde die Gestalt des Kreises als Sinnbild der Einheit und Unendlichkeit verwendet: drei sich schneidende

Kreise, einander einschließende Kreise, verschlungene Kreisbögen, aber auch Kombinationen aus Kreisen und Dreiecken kommen früh vor und werden vereinzelt bis ins Mittelalter gebraucht. Im Barock untermalen diese Symbolisierungen die figurale Darstellung.

Auch Pflanzen- und Tierwelt leihen der Dreifaltigkeit Sinnbilder: Kleeblätter oder dreirankige Reben sind zu finden, und von den Tieren werden Fische, Löwen, Vögel, Hasen in verbundener Dreiheit gestaltet.

Eine Zwischenstufe zwischen symbolhafter und personaler Darstellung nehmen die Dreifaltigkeitsbilder ein, die einen Kopf mit drei Gesichtern oder einen Körper mit drei Köpfen zeigen. Diese Ausdrucksweise wunde von kirchlicher Seite abgelehnt, wenn auch nicht ex cathedra verboten. Sie ist in Frankreich, Italien und in den Alpenländem anzutreffen, die bäuerliche Malerei Tirols weist solche Formen vereinzelt noch im 18. Jahrhundert auf. Populär aber konnte dieser „Trike- phalos“ nicht werden, und Robert von Bellarmin nennt es mit Recht unstatthaft, „Gott als monströses Bild“ wiederzugeben. Hier lag die Verwechslung mit heidnischen Götterbildern bedenklich nahe, denn „Dreikopfgottheiten“ gab es im ganzen Mittelmeerraum, und die Kunst des Buddhismus wie die des Hinduismus kennt solche Bildnisse. Eine Stelle aus dem Alten Testament wird als Prototyp der Dreifaltigkeit gesehen: der Besuch der drei Fremden bei Abraham, die ihm die Geburt Isaaks verkünden, und die Abraham sofort als „Herr“ erkennt und anspricht (Gen. 18, 1 ff).

Dieser Text gilt als Grundlage für die Darstellung der Trinität als drei Männer, wie sie in der Ostkirche üblich ist. Soweit der Einfluß byzantinischer Kunst ins Abendland vordringt, soweit ist auch das Motiv der drei gleichaltrigen Männer zu verfolgen, ob es nun in direkter Beziehung zur Begegnung Abrahams steht oder dieser Anlaß nicht mehr sichtbar wird. Sta. Maria Maggiore in Rom hat diese Darstellung schon um 340 im Apsismosaik, in Ravenna ist sie zu finden, und auch der Verduner Altar in Klosterneuburg zieht den Vergleich der drei Fremden zur Dreifaltigkeit. Das Mittel- alter sprengt die ikonenhafte Starrheit dieser drei Gestalten, trotzdem verwendet es gerne drei gleiche oder ähnliche Männergestalten beim Thema der Marienkrönung.

Ist diese Betonung der Dreiheit dem Denken der Ostkirche adäquat, so sieht Rom sie nicht gerne. Der Trinitätsgedanke steht hier im Vordergrund, die Einheit der drei Personen soll vorangestellt werden. Benedikt XIV. warnt 1745 vor dem Dreifaltigkeitsbild der drei gleichgearteten Männer, daraufhin wird der „Töpferaltar“ mit diesem Motiv aus dem Stephansdom entfernt. (Heute in Baden.) In Einzelfällen findet sich aber auch später noch diese Form in der bildenden Kunst.

Verschiedene andere Arten, die nebeneinander oder nacheinander auftreten, sprechen dafür, wie ernst das Bemühen um eine geeignete Darstellungsweise genommen wurde. Die drei Männer werden in verschiedenen Altersstufen gezeigt: Als Greis (Vater), als Mann (Sohn), als Jüngling (Geist). Es gibt auch Darstellungen, die die menschliche Gestalt Christi mit zwei Symbolen verbinden; mit der Taube des Heiligen Geistes und der Hand als Symbol des Vaters.

In den Evangelien offenbart sich der dreifältige Gott bei der Verkündigung und bei der Taufe Jesu. Am Jordan schwebt „der Geist Gottes gleich einer Taube“ herab, und „eine Stimme aus den Wolken“ zeugt für den Sohn. In beiden Szenen wird deshalb der Geist als Taube wiedergegeben, den Vater symbolisiert ein Lichtstrahl aus den Wolken, eine Hand oder ein Antlitz. Die Trinität wird so in ihrer „Verschiedenheit der Personen“ gesehen und aus dieser Sicht erst gewinnt die Darstellung der Dreifaltigkeit Leben. Der Sohn Gottes, der als der geschichtliche Jesus „den Menschen gleich und im Äußeren wie ein Mensch erfunden ward“ (Phil. 2, 6), wird als Mann dargestellt, wie Er zur Zeit Seiner Lehrtätigkeit und Seines Leidens ausgesehen haben könnte. Der Vater wird wie der menschliche Vater eines Dreißigjährigen gedacht und deshalb als Greis gestaltet. Das Symbol der Taube für den Heiligen Geist wird von den Synoptikern übernommen. Die „Einheit des Wesens“ der Dreifaltigkeit wird durch die Art ausgedrückt, wie der innige Kontakt zwischen den drei Gestalten — Greis, Mann, Taube — angedeutet wird.

Am Anfang des 12. Jahrhunderts findet die Initiale T im „Te igitur“ eines Missale aus Cambrai die Verbindung der drei Personen zur Einheit, wie sie bis in die Gegenwart künstlerisch dargeboten wird, das Motiv des „Gnadenstuhls“'. Die thronende Gestalt des Vaters — meist mit Krone oder Tiara, seltener barhäuptig — hält das Kreuz mit dem Sohn vor sich, die Taube des Heiligen Geistes schwebt darüber oder zwischen dem Haupt des Vaters und dem des Sohnes: Christus ist heimgekehrt in den Schoß der Dreifaltigkeit.

Dieses Bild regt nun die Künstler zu immer neuen Variationen an. Am bekanntesten wird der Gnadenstuhl in Dürers „Allerheiligenbild“. Die Abarten reichen von majestätischer, ikonenhafter Starrheit bis zur bewegten Gestik der „Pitiė- de-Nostre-Seigneur“, wo der Vater den Sohn in der Fülle Seiner Leiden der Menschheit schenkt.

Noch war die Verehrung der Dreifaltigkeit durch die bildende Kunst auf den kirchlichen Raum begrenzt, sie erschien in Gemälden, Plastiken, Psalterillustrationen, doch die nun gefundene Formgebung begann diese Grenzen zu sprengen, sie wurde von den kirchlichen Stellen gutgeheißen und vom Volk dankbar angenommen, war doch jetzt endlich ein Ausdruck für das Geheimnis der Trinität gefunden, der dem Empfinden der Gläubigen entgegenkam.

Das Zeitalter der Gegenreformation brachte aus mehreren Gründen eine Blüte in der Dreifaltigkeitsdarstellung, vor allem in Niederösterreich und, von hier ausgehend, in den anschließenden Landschaften. Die Türken bedrohten das Land, und neben der realen Angst vor dem Feind stand drohend die Gefahr eines Sieges des Islam über das Christentum. Es ist verständlich, daß die Christen in ihrer Not alle Hilfe vom dreifältigen Gott, den sie allein bekannten, erwarteten. Als die Türken 1532 eine Schlacht in der Nähe des „Berges der Dreifaltigkeit“, dem heutigen Sonntagsberg verloren, wurde dieser Wallfahrtsort das Zentrum der Verehrung des Trinität. Die Bestrebungen des Tridentinum zur Aktivierung des Dogmas der Dreifaltigkeit fielen hier auf fruchtbaren Boden, wo sich der christliche Glaube in seinem Bestand gefährdet sah.

In zweiter Linie war es das Gespenst der Pest, das durch Gelübde an den dreieinigen Gott gebannt werden sollte. Eine antiprotestantische Tendenz spielt nur eine untergeordnete Rolle, da das Dogma der Trinität ja nicht zwischen den Konfessionen stand. Auch in evangelischen Kirchen werden Dreifaltigkeitsbilder angebracht, so stellt das Deckengemälde der evangelischen Gnadenkirche im schlesischen Hirschberg den „Triumph der Dreifaltigkeit“ dar (um 1750). In der Praxis allerdings findet man wegen der Bilderfeindlichkeit des Protestantismus doch im wesentlichen nur in katholischen Gegenden die Verbreitung von Dreifaltigkeitsdarstellungen.

Die Pestsäule am Graben, 1679 von Leopold I. als Pestvotiv gelobt, wurde in ihrer ersten, hölzernen Fassung vom Motiv des Gnadenstuhls bekrönt. In dieser Zeit fanden die Bildstöcke und Dreifaltigkeitssäulen in dieser Gestalt so rasche Verbreitung, daß der Schöpfer der endgültigen Fassung dieser Pestsäule, Burnacini, den Entwurf Rauchmüllers änderte, weil er etwas „Ungemeines inventieren“ wollte, „da die Säulen bereits auf denen Dörfern fast zu gemein werden wollen“. Er wählte schließlich den „Triumph der Dreifaltigkeit“, wie Tizian ihn schon in seiner „Gloria“ sah. Hier thront nun Christus „zur Rechten des Vaters“, wie es der Psalmist vorausgesagt hatte, das Kreuz ist Siegeszeichen, nicht Marterwerkzeug, die Taube schwebt im Nimbus zwischen den Köpfen von Vater und Sohn.

Nun. wechseln diese beiden Darstellungen einander ab, sie dominieren in der Zeit des Barock und darüber hinaus vor allen anderen religiösen Bildwerken auf den Straßen und Plätzen Niederösterreichs. Überwiegen die triumphalen Dreifaltigkeitssäulen, die immer reicher mit Putten und Heiligenfiguren geschmückt werden, auf Hauptplätzen der Ortschaften, so ist der Gnadenstuhl auf Feldwegen und Grabsteinen wie an Hauswänden zu finden und ändert sein Aussehen bis in die Gegenwart kaum.

In einigen Orten des nördlichen Niederösterreich, so in Pulkau, Waidhofen an der Thaya, lebt der mittelalterliche „Pitie-de-Nostre-Seigneur“-Gedanke in der Plastik wieder auf und schafft die tiefstempfundenen Darstellungen des Wortes: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn für sie hingegeben hat.“' Die Verehrung der Dreifaltigkeit dringt von Niederösterreich nach Böhmen und ins Burgenland vor, nach der Steiermark und Oberösterreich, wo die Dreifaltigkeitskirche in Stadl-Paura einen Höhepunkt in der Verwirklichung des Dreifaltigkeitsgedankens bringt M. Prunner versinnbildlicht schon im Grundriß dieses Kirchleins das Mysterium der Dreifaltigkeit: „Nach außen Drei, nach innen Eins“ und führt die Allegorien konsequent bis ins letzte Detail durch. Nach Ungarn und Schlesien breitet sich dieses Gedankengut aus und nach Bayern. Dort fällt es auf so fruchtbaren Boden, daß die Bürgerschaft von Straubing eine Dreifaltigkeitssäule gelobte und errichtete, deren Motiv die Belagerung durch die Österreicher 1704 war!

Aus der Kunstivelt

• Paul Rotterdam, der zur Zeit in der Galerie im Griechenbeisl Gemälde und Zeichnungen ausstellt, wurde eingeladen, vom September 1968 bis Juni 1969 an der Havard-Universität Vorlesungen über „Visual Design“ zu ’’alten. Ausstellungen seiner Werke in Graz, Stockholm und Dallas stehen bevor.

• Ernst Barlachs druckgraphisches Oeuvre, das der verstorbene Berliner Sammler Kurt Reutti der Kunsthalle Bremen gestiftet hat, wurde nun in Bremen ausgestellt: Die Schau umfaßt 450 Lithographien und Holzschnitte, darunter Probedrucke und Unikate, sowie Mappenwerke und illustrierte Bücher in signierten Luxusausgaben.

• Die Albrecht-Dürer-Gesellschaft in Nürnberg zeigte das gesamte druckgraphische Werk des Wiener Bildhauers Alfred. Hrdlicka. Unter dem Motto „Aufstand wider den Ästhetizismus“ vereinigt die Ausstellung großformatige Zyklen und Einzelblätter.

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