6561642-1948_51_09.jpg
Digital In Arbeit

Der Töpferaltar

Werbung
Werbung
Werbung

Unter den vielen Sehenswürdigkeiten, die die Ausstellung „Der Stephansdom” aufweist, ist der sogenannte Töpferaltar in vieler Hinsicht beachtenswert.

Die polychromierte Steinretabel war am Anfang des 16. Jahrhunderts von der Wiener Töpferinnung für ihren etwas früher errichteten Zunftaltar gestiftet worden. 1751 mußte sie wegen ihrer dogmatisch anstößigen Darstellung aus St. Stephan entfernt werden, wurde aber vom Besitzer von Rauhenstein, Anton von Quariendt, in das St.-Helena-Kirchlein bei Baden gebracht, wo sie bis zur Eröffnung der Ausstellung ein recht verborgenes Dasein führte.

Die Retabel gibt eine heute unerlaubte Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit in einer Art Wolkenmandorla mit Engelsköpfen. An den vier Ecken sind die Symbole der vier Evangelisten angebracht. Die göttlichen Gestalten sitzen zum Zeichen der Gleichberechtigung auf einer gemeinsamen Bank, alle drei sind bekrönt, Gottvater in der Mitte mit der Tiara, alle drei halten die Weltkugel in der linken Hand, der Vater und der Sohn zu seiner Rechten — kenntlich durch die Seitenwunde — halten in der Rechten einen (abgebrochenen?) Herrscherstab, Christus vielleicht einen solchen in Kreuzesform, der Heilige Geist aber ein Lilienszepter. Die krauslineare Wolkenbildung, die sich auch auf Epitaphien aus jener Zeit findet, erinnert an die Darstellungsweise, die Dürer den Wolken in seiner Apokalypse gab.

Die Darstellung des Geheimnisses aller Geheimnisse, der Dreieinigkeit, in der deutschen Sprache umgeformt in den leicht miß- deutlichen Ausdruck: Dreifaltigkeit, ist eines der schwierigsten Themen der christlichen Kunst und selbst in seiner symbolischen Deutung nicht restlos erfaßbar. In der altchristlichen Kunst ist keine Darstellung dieses Inhaltes nachweisbar.

Die älteste Darstellung (um 400), die uns übrigens nur durch beschreibende Verse bekannt ist, beschränkte sich auf strengste Symbolik: die Hand des Vaters, aus den Wolken reichend, Christus als Lamm, der Heilige Geist als Taube. Dem Vorstellungsbedürfnis der mittelalterlichen Gläubigen konnte indes diese Fassung des Themas nicht genügen. Es wurden verschiedene Versuche gemacht, das letzthin unfaßbare Geheimnis deutlicher zu versinnlichen. Schon am Anfang des 10. Jahrhunderts kam die Sitte auf, alle drei Personen in menschlicher Gestalt nebeneinander sitzend, gelegentlich in einen Mantel gehüllt und nur durch verschiedene Attribute gekennzeichnet, wiederzugeben. Aber schon im 13. Jahrhundert meldeten sich schwere dogmatische Bedenken gegen diese Auffassung, die naive Beschauer nur zu leicht zu polytheistischen Vorstellungen anregen mochte. Es wurde deshalb in bester Absicht versucht, das Einigende in Dreiheit hervorzuheben oder, mit dem Mystiker Seuse zu reden, „der Personendryheit in wesentlicher ainikait” zu fassen. Die Heimat dieser Darstellungen ist Frankreich, wo man dadurch die Gefahr des Tritheismus auszuschalten suchte. Es wurde also nur e i n Leib gegeben mit drei Köpfen oder e i n Kopf mit drei Gesichtern, auf jeden Fall aber wurden die drei Figuren nicht selbständig nebeneinander, sondern irgendwie vereinigt oder ineinander verwachsen wiedergegeben. Man kann sich unschwer vorstellen, zu welchen Mißbildungen diese Versuche führen mußten. Sie wurden denn auch durch eine Bulle Urbans VIII. 1628 strenge verboten. Von diesem Verdikt waren mittelbar auch jene bizarren Gestaltungen betroffen, die auf Grundlage des gleichseitigen Dreiecks, das an sich sehr wohl als Symbol der Dreieinigkeit (in der Wiener Karlskirche mit der Inschrift Jehova) gelten kann, Menschen oder Tierleiber, zum Beispiel drei Hasen mit zusammengewachsenen Löffeln darzustellen sich bemühten. In den Wajangfiguren der christlich-javanischen Kunst sind allerdings heute noch Gruppierungen beliebt, in denen aus einem gemeinsamen Ring drei Blütenkelche erwachsen, die die Oberkörper der drei göttlichen Personen tragen. Am längsten hielt sich die erstgenannte Form mit den selbständigen Gestalten der drei göttlichen Personen, ja sie erfreute sich besonders in Deutschland um 1500 großer Beliebtheit, besonders in Bildern der Krönung Mariens, zum Beispiel von Holbein dem Älteren auf dem Basilikabild „Maria Maggiore” im Katharinenkloster in Augsburg. Eine ganz außergewöhnliche Lösung gibt eine künstlerisch hochwertige Miniatur des Jean Fouquet (1455), in der die drei göttlichen Personen, in weiße Tunika gekleidet Maria im Himmelssaal empfangen, wobei Christus den Sitz verlassen hat, um ihr die Krone der Vollendung zu überreichen. Eine Darstellung, die nur in höfischen Kreisen voll gewürdigt werden konnte. Gewöhnlich aber krönen nur Vater und Sohn, während der Heilige Geist in Gestalt der Taube der Zeremonie beiwohnt, zum Beispiel auf dem Altar zu Heiligenblut, auf dem Hochaltar des Münsters in Freiburg von Hans Baldung Grien, in der Pestkapelle zu Hindelang von Jörg Lederer. Die Darstellung des Heiligen Geistes als Person war ja immer eine gewisse Verlegenheit gewesen. Gottvater als der „Alte der Tage” ist der Sprach- und Vorstellungswelt des Alten Testaments entnommen, Christus leicht kenntlich zu machen durch die Seitenwunde an der entblößten Brust, für die Vorstellung des Heiligen Geistes aber gibt es in der Heiligen Schrift keinen anderen Anhaltspunkt als die Gestalt der Taube, in der er bei der Taufe Jesu sichtbar wurde. Michel Pacher, der noch im Altarschrein von Gries (1471 bis 1475) an der geläufigen Vorstellung festhält, läßt indes auf dem berühmten Schrein von St. Wolfgang (1471 bis 1481) die Krönung — richtiger Auserwählung Mariens — durch Gottvater allein vollziehen.

Dem durch die Polemik der Reformatoren geschärften Empfinden der Barockzeit war nun die Darstellung der drei Personen in Menschengestalt in der bisherigen Art nicht mehr erträglich und wurde infolgedessen von Benedikt XIV. 1745 ausdrücklich verboten. Damals kam auch der Töpferaltar aus der Stephanskirche nach Baden und wurde an Ort und Stelle durch ein entsprechendes Altarbild von Michelangelo Unterberger ersetzt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung