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In den Prado oder nach Hallein

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Spätestens nach zehn Minuten beglückten Schauens muß jeder Kunstfreund aus Österreich angesichts der Präsentation von Diego Velazquez' „Las Meninas“ oder „Die Familie Philipps IV.“ im Prado-Museum von Madrid von nachhaltigen Depressionen überfallen werden. Denn wenn auch Spaniens berühmteste, 1819 eröffnete Gemäldegalerie lange Zeit ähnliche Probleme hatte wie das Kunsthistorische Museum in Wien — es besaß weder Klima-, noch Brandschutz- und Alarmanlagen und litt unter noch schlechteren Lichtverhältnissen —, jetzt ist uns das Museum mehr als nur einen Schritt voraus.

Neidvoll wünscht man sich für die zwischen 1870 und 1891 erbauten Wiener Ringstraßenmuseen eine Neuordnung der Sammlungen, die Gleichwertiges zustande bringt: Das 3,18 Meter hohe und 2,76 Meter breite Gemälde wird in seiner Wirkung von keinem zweiten Werk gestört. Ganz allein nimmt es die gesamte Breitseite eines Saales ein, und richtig plazierte Leuchten unterstützen Velazquez' effektvolle Farbtechnik so, daß das Auge des Betrachters lediglich jene Personen und Gegenstände mit Klarheit sieht, auf die sein Blick gerichtet ist, während alles andere verschwimmt und räumlich zurücktritt.

Wer von Österreichs Regierenden noch nicht im Prado war, den möchte man mit der nächsten Linienmaschine in Spaniens Hauptstadt verfrachten, damit er erkennt, wie sehr falsche Sparmaßnahmen den heimischen Museen und Sammlungen mit ihren aufgehäuften Kunstschätzen schaden.

Obgleich ich berufsmäßig in den meisten Museen ein und aus gehe und pflichtgemäß auch jede Sonder- und mehr oder minder teuer eingekaufte Wanderausstellung besichtige, gehören Museumsbesuche zum fixen Bestandteil meiner Freizeitgestaltung: auf Reisen ebenso wie im Rahmen eines Wochenendausfluges oder an irgendeinem Tag, an dem ein paar Stunden mir gehören. Für die Begegnung mit Schöpfungen des Menschen, die die Schaulust befriedigen und die Bildung erweitern, braucht man nicht viel Zeit und, mit Ausnahme des einen oder anderen Freilichtmuseums, kein bestimmtes Wetter.

Die Sammlungen, die mich, meiner persönlichen Vorliebe für Archäologie entsprechend, als Privatperson immer wieder faszinieren, befinden sich in mehreren österreichischen Bundesländern. So zieht es mich in Abständen in das Keltenmuseum nach Hallein, das im ehemaligen Pflegeamtsgebäude der fürsterzbischöflichen Salinen- und Bergbauverwaltung untergebracht ist. Es birgt einmalige Fundgegenstände aus der

Hallstatt- und Latenezeit, die von den Archäologen zum Teil erst in den letzten Jahren auf dem nahen Dürrnberg geborgen worden sind. Verzierte Bronzekannen sind darunter, Schmuckgegenstände mit bizarr abstrahierten Tierdarstellungen, Helme, Schwerter, Pfeile und Rasiermesser. Trauernde Hinterbliebene haben sie den auf Wagenkasten beigesetzten Kriegern vor rund 2.500 Jahren mit auf deren Reise ins Jenseits gegeben.

Dem gleichen Kulturkreis gehören viele Exponate an, die in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien aufbewahrt werden. Der Schwerpunkt dieser Sammlung, zu der auch die weltberühmte Venus von Willendorf zählt - jene über 26.000 Jahre alte, fettleibige Kalksteinstatuette mit roten Farbspuren -, liegt nämlich primär in der Zur-Schau-Stellung von Artefakten aus dem 6. bis 1. Jahrhundert v. Chr. Das Schöpfgefäß mit Kuh und Kälbchen, ein Eimerdeckel aus Bronzeblech mit getriebener Figuralverzierung sowie ein Prunkdolch mit vergoldetem Griff und goldplattierter Scheide, auf der ein Kriegerzug dargestellt ist, hat Österreich schon oft auf Reisen geschickt und für Werbezwecke benützt.

Urgeschichtliches aus dem Raum Niederösterreich kann ich, didaktisch eingebunden in (gelegentlich kopierte) Fundstücke aus ganz Europa, im Museum für Urgeschichte im niederösterreichischen Asparn an der Zaya studieren. Schüler aus Wien und aus verschiedenen Teilen Niederösterreichs begegnet man entlang eines Rundweges, an dem nach Originalbefunden verschiedene Behausungen der Urzeit in natürlicher Größe rekonstruiert sind: ein Windschirm und ein Zelt des Paläolithikums, das Langhaus des Neolithikums sowie Wirtschafts- und Wohnbauten der Bronze- und Eisenzeit.

In zwei weiteren Museen, die ich gerne aufsuche, findet man die schönsten Mosaiken der „Austria Romana“. Es sind dies die mit einem Schutzdach versehene ehemalige Friedhofskirche von Teur-nia (heute Lendorf) in Kärnten und das Burgenländische Landesmuseum in Eisenstadt. Der Steinteppich voll christlicher Symbolik (Adler, Hase, Rind, Schlange, Vögel) in der ehemaligen Hauptstadt von Binnennori-cum entspricht in seiner Qualität den spätantiken Mosaiken in Aquileia und Grado, während die im Kellergeschoß des Burgenlän-dischen Landesmuseums aufbewahrten Mosaiken durch ihre Größe beeindrucken.

Auch der bei Grabungen in Bruckneudorf zutage gekommene Fußboden mit der Darstellung des Bellerophon, der die Chimäre tötet, sowie ein ornamental gestaltetes Mosaik mit einer weiblichen Büste in der Mitte, die als Diana oder Ceres gedeutet wird, zeugen von großer Meisterschaft.

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