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Von Orten des Sammelns, Bewahrens und des Forschens wurden Museen zu Fixpunkten für Fremdenverkehr und Bildungsbeflissene.

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Von Orten des Sammelns, Bewahrens und des Forschens wurden Museen zu Fixpunkten für Fremdenverkehr und Bildungsbeflissene.

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Die Zahl beeindruckt und die Relation wirkt überdimensioniert: Gibt es doch in Österreich mit seinen etwas mehr als sieben Millionen Kinwohnern rund 900 Museen -staatliche, Landes-, Bezirks- und Stadtmuseen sowie Heimat- und Freilichtmuseen. Dazu kommen noch jede Menge Spezialmuseen für Berufe (Schiffahrt, Jagd, Handwerk), Wissensgebiete (Medizin, Meteorologie) und Kulturepochen (Ur- und Frühgeschichte, Römerzeit). Und es gibt Privatmuseen, entstanden aus den persönlichen Vorlieben von Sammlern (beispielsweise die Graf Harrachsche Familiensammlung im niederösterreichischen Schloß Rohrau).

Die meisten der im Zusammenhang mit einem erstarkenden Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert gegründeten Museen sind Institutionen des Sammeins, Bewahrens, Ausstellens und Forschens eines historisch gewachsenen Erbes, das so groß und vielfältig ist, daß die Räum ich-keiten zur Präsentation der vorhandenen Sammlungen, für die Veranstaltung von Sonderausstellungen und für die notwendigen Informationseinrichtungen nicht reichen. Aber gerade die seit 1968 schlagartig zunehmende Zahl von Besuchern macht dies erforderlich.

Wohl wird berichtet, das 1891 eröffnete k.k. Kunsthistorische Museum mit den kunsthistorischen Sammlungen der Habsburger - im übrigen damals schon zu klein etwa für eben nach Wien gelangte archäologische Fundstücke aus dem griechischen Samothrake und dem türkischen Gölbasi-Trysa - sei vom Publikum geradezu gestürmt worden.

Wie alle offiziellen Ringstraßenbauten dieser Zeit war es ausschließlich für die Benutzung bei Tageslicht geplant worden und hatte während der Wintermonate nur von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Montag und Freitag war das Haus wegen Reinigung der Säle geschlossen.

Allein im Zeitraum vom 18. Oktober bis zum 31. Dezember 1891 besuchten nicht weniger als 211.335 Gäste die Sammlungen des „Allerhöchsten Kaiserhauses", die im wesentlichen auf Rudolf IL, dessen Bruder Ernst, Ferdinand III. und Leopold I. zurückgehen.

Hier, wie im gegenübergelegenen, auf den Naturaliensammlungen von Franz Stephan von Lothringen basierenden, 1899 eröffneten Naturhistorischen Museum galt der Museumsbesuch als gesellschaftliches Ereignis für die Oberschicht, vergleichbar mit einem Theater- oder Konzertbesuch.

Erst nach einer gewissen Anlaufzeit setzten sich auch Besichtigungen für Schüler durch. Von den Museen selbst organisierte Führungen gab es damals nicht. Die wichtigste Informationsquelle für das Publikum, dem man Dienstag, allmählich auch Freitag, Sonn- und Feiertag freien Eintritt gewährte, waren die im Vestibül angebotenen Kataloge.

In den Jahren der Ersten Republik mit der Liquidierung der Besitztümer der Habsburger und der Neuorganisation des Museumswesens wurden derartige Besucherzahlen nicht mehr erreicht. Ein Sprichwort aus jenen Tagen besagt, daß der Wiener nur zweimal in seinem Leben das Kunsthistorische Museum betrete: Das erste Mal an der Hand seines Vaters, und das zweite Mal, erst wieder selbst mit Sohn.

Mit Reduzierung der Arbeitszeit und Steigerung des Tourismus änderte sich jedoch das Publikumsinteresse an den Museen. Ob es nun den Kustoden gefiel oder nicht: die Museen blieben nicht länger mehr Orte der Betrachtung, Instruktion und Kontemplation für ein ausgewähltes bürgerliches Publikum. Sie wurden Elemente des Freizeitangebotes unti der Massenbildung.

So schwoll die Besucherzahl im Kunsthistorischen Museum von 657.342 Personen im Jahr 1970 auf 1,348.186 Personen im Jahr 1980 an,, um 1990 mit 1,503.079 Gästen ihren vorläufigen Höhepunkt zu finden. In die nach mehrjähriger Renovierung wiedergeöffnete Schatzkammer in der Hofburg allein gingen 1987 sage und schreibe 339.245 Besucher. 1993 waren es 393.391 Personen.

Das hauptsächlich von Schülern frequentierte Technische Museum in Wien weist für die Jahre 1975 und 1991 jeweils 182.389 beziehungsweise 182.759 Gäste auf.

Um den Politikern klar zu machen, daß das Wie eines Museums genauso relevant sein muß wie sein Inhalt, bedurfte es allerdings erst des Aufstandes einiger von den Medien unterstützter Direktoren der dem Wissenschaftsministerium untergeordneten Bundesmuseen. Sie forderten außer mehr Autonomie (zumal bei der selbständigen Verwaltung der Einnahmen aus Eintrittsgeldern) vor allem bauliche Maßnahmen. Weiters verlangten sie die Installation moderner Sicherheits-, Brandschutz- und Klimaanlagen, den Bau von Tiefspeichern, die Etablierung von Garderoben, Behindertenlifts, Toilettenanlagen, Museumsshops und Cafeterias. Und im Kunsthistorischen Museum wollte man endlich alle Räume mit elektrischem Strom versorgt wissen, den man aus falsch interpretierter Rücksichtnahme auf denkmalpflegerische Bestimmungen bislang nicht überall hin verlegt hatte.

1987 bewilligte der Ministerrat die sogenannte „Museumsmilliarde". Als erste profitierten davon das Kunsthistorische und Naturhistorische Museum sowie das zum Theatermuseum adaptierte Barockpalais Lobkowitz. Dann das Bundesmobili-endepot, das Museum für angewandte Kunst, die Österreichische Galerie im Oberen und Unteren Belvedere, die Neue und die Alte Hofburg samt den dort untergebrachten Museen, das Schloß Schönbrunn, die Graphische Sammlung Albertina und das Technische Museum.

Auch eine weitere „Museumsmilliarde" reicht nicht aus, sämtliche Bedürfnisse beziehungsweise Wünsche zu erfüllen. So vegetiert das ly-kische Grabmal aus Gölbasi-l'rysa nach wie vor in einem Depot dahin. Ist der seit hundert Jahren existierende Plan, dieses Denkmal originalgetreu aufzustellen, wirklich bloß ein schöner Traum?

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