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Tschechische Prunkräume, Mondfahrzeuge aus Blech

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Ein Ausflug zum Renaissanceschloß Schallaburg bei Melk lohnt sich immer. Der Besucher kann zur Zeit die Ausstellung „Zeugen der Intimität" und die erweiterte Dauerausstellung über Spielzeug von Erwin Mayr besichtigen. Die beiden Ausstellungen sind sehenswert, regen an und das Ambiente des Schlosses, der terrakottageschmückte Arkaden-gang, die romanische Wohnburg, die gotische Kapelle faszinieren den Betrachter jedesmal aufs neue.

Thematisch sind die beiden Sammlungen ganz verschieden. Die eine ist ein Bückblick auf die Zeit der Monarchie, vom Wandel der Wohnkultur, vom Empire und Biedermeier bis zum Historismus, die andere befaßt sich mit Kinderspielzeug in jeder Form:

Allerdings ist der Titel der ersten Ausstellung nicht ganz treffend, denn wirklich Intimes wird nicht dargestellt, sondern die Wohnwelt des Biedermeier, die Appartements von Kaiser Franz I. und der Erzherzogin Sophie, sowie ver- ,j| schiedene tschechische Prunkräume. Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen ist, erinnern sich Osterreich und Tschechien ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Wie lebte der Wiener Hof in den eigenen vier Wänden? Eva B. Ot-tilinger und Liselotte Hanzl vom Bundesmobiliendepot setzten sich mit der Frage sehr intensiv auseinander. Die kaiserlichen Interieurs präsentierten sie bereits in einem Bildband „Die Wohnkultur des Wiener Hofes im 19. Jahrhundert" (die furche berichtete darüber vorige Woche). Auf der Schallaburg bekommt der Besucher jetzt einen genauen Einblick darüber, aber auch wie der böhmische Adel es sich zu Hause gemütlich machte. Kveta Kfizova vom Staatlichen. Institut für Denkmalpflege in Prag beschäftigte sich mit der Privatsphäre des böhmischen Adels. 150 Interieurbilder aus Tschechien, die der Öffentlichkeit noch nicht gezeigt wurden, geben Zeugnis darüber ab, wie der böhmischen Adel ganz privat wohnte. In der Ausstellung werden die dreißig österreichischen Interieur-Bilder den tschechischen gegenübergestellt. Sie gelten als eine besondere Rarität, da diese Aquarelle extrem lichtempfindlich sind und sie daher nur eine bestimmte Zeit ausgestellt werden können, wie Hanzl erläuterte. Die Aqua relle zeigen, wie die Räume dekoriert und möbliert waren. Sie schildern auch den Alltag, das Gesellschaftsleben und den persönlichen Geschmack der Adeligen. Der Adel liebte es, zwischen verschiedenen Wohnsitzen hin-und herzupendeln. Um die liebgewordenen Einrichtungen aller Palais und Schlösser, die sie benützten, sozusagen um sich zu haben, führten sie Aquarellbilder mit sich, auf denen ihr per-' sönliches Mobiliar abgebildet war. Ähnlich wie man heute die Fotografien eines geliebten Menschen bei sich trägt. Gemalt wurden diese Bilder von Künstlern wie Rudolf von Alt, Balthasar Wigand, Auguste Garne-rey, aber auch von den Adeligen selbst. Die Aquarelle der dilettie-renden Adeligen geben detailgetreu die Ausstattung ihrer persönlichen Räume wieder. , Sie schildern von Familienidyllen, so zum Beispiel sieht man spielende Kinder, eine rothaarige Katze die sich streckt, während die Dame des Hauses ihr Journal liest. Der Betrachter der Interieur-Bilder braucht viel Muße und Liebe zum Detail, um die einzelnen Familienszenen richtig zu erfassen. Es sind auch Möbel aus dem Bundesmobiliendepot ausgestellt, die das Ergebnis einer umfangreichen Restaurierung sind. Sie sind Bestandteil des ehemaligen k.k. Hofmobilien-depots, das nächstes Jahr in der Ma-riahilferstraße wieder seine Pforten öffnen wird, wie Hanzl verriet.

Ein komplettes Jagdzimmer, ebenfalls aus den Beständen des ehemaligen k.k. Hofmobiliendepots, zählt zu den Gustostücken der Ausstellung.

Anhand von verschiedenen Sesseln kann der Besucher die Entstehung des typischen Wiener Kaffeehaussessels, den der berühmte Sesselfabrikant Thonet entworfen hatte, verfolgen.

Für Kinder und junggebliebene Gemüter ist die Ausstellung „Spielzeug- die Welt im kleinen für jung und alt- Sammlung Dr. Mayr" eine wahre Freude. Die über 7.000 Stück umfassende Privatsammlung spannt einen Bogen vom ältesten Spielzeug der Welt - ein griechischer Puppenkopf aus dem 4. Jh. v. Ch. -bis zum Weltraumspielzeug. Jedes Kind auf der Welt, in jedem Jahrhundert, hat einen starken Spieltrieb. Das Spielen ist die Basis für sein zukünftiges Leben. Spielerisch lernt es das Leben, die Umwelt verstehen. Ob arm oder reich, ist dabei nicht so wichtig. Aus der Phantasie können Kinder alles basteln, es reicht dafür Papier, Holz, Blech. Viele Spiele sind Identifikationsspiele, wie der frühere Chirurg Mayr erklärte. Besonders interessant ist dabei ein ausgestelltes Devotionalspielzeug, mit denen die Buben Priester spielen konnten. Ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis 1920 war dieses Spielzeug üblich, wie Mayr erläuterte.

Das Blechspielzeug ist für die SpieL zeuggeschichte ein wichtiges Kapitel. Durch die technischen Fortschritte der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts kann Spielzeug bereits in Serien hergestellt werden. Die aufziehbaren Blechfiguren gibt es in jeder Form: Autos, Tiere, Schiffe, Clowns...

Viele Dinge wurden bereits Jahrhunderte als Spielzeuge vorweggenommen, bis sie dann eines Tages Wirklichkeit wurden. Es gab zum Beispiel Weltraumfahrzeuge aus Blech, lange bevor der Mensch in den Weltraum fliegen konnte, und bereits Jules Verne wußte, wie ein Mondfahrzeug aussehen wird.

Zusätzlich umfaßt die Sammlung fast 2.500 Märchen und Kinderbücher sowie wissenschaftliche Spielzeugliteratur.

Mayr hat mit wissenschaftlicher Akribie die diversen Spielsachen gesammelt. Seine Sammlertätigkeit begann er 1958, als er vom Bruder seiner Mutter zahlreiche Spielsachen erbte. Der Grundstock dieses Bestandes kam durch das renommierte Alt-Wiener-Spielzeughaus Anton Christian Niessner in die Familie des Arztes. 1994 erwarb das Land Niederösterreich einen großen Teil der Spielzeugsammlung. Mit wahrer Leidenschaft beschäftigt sich der Professor mit Spielzeug. Sein Spiel ist das Sammeln von Spielzeug. Am 7. und 8. Juni findet in Form eines Spielefestes die offizielle Eröffnung des Kinderspielzeugmuseums auf der Schallaburg statt. Für Kinder wird es an diesem Wochenende zahlreiche Unterhaltungsmöglichkeiten geben.

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