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Zwischen Repräsentation und familiärem Idyll

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Wäre Österreichs Monarchie nicht 1918 untergegangen, wäre es vielleicht noch zum schockierenden Ereignis gekommen, daß sich der Kaiser - natürlich nicht Franz Joseph - von Adolf Loos hätte einrichten oder gar eine Villa bauen lassen. So aber wurde die Geschichte der Habsburgischen Wohnkultur dort eingefroren, wo der alte Herr mißmutig auf den Michaelerplatz und das Looshaus blickt und noch immer nicht verzeihen kann, daß man ihm diese „schmucklose Scheußlichkeit" vor die Nase gesetzt hat. Doch meist ging das Kaiserhaus mit der Zeit. Dies bekräftigt auch die Untersuchung „ Kaiserliche Interieurs - Die Wohnkultur des Wiener Hofes im 19. Jahrhundert" von Eva B. Ottiiiinger und Lieselotte Hanzl.

Die Autorinnen brachten eine Fülle von Material über die Wechselwirkungen zwischen bürgerlicher, hoch-aristokratischer und höfischer Wohnkultur in Österreich ans Licht. Schon seit dem 18. Jahrhundert wurde der Lebensstil des Hofes von dem der Bürger beeinflußt. Daß das Familienleben vieler Habsburger den Vorstellungen von bürgerlicher Idylle entsprach und auch Franz Josephs Wünsche in diese Richtung gingen, war bekannt. Ebenso das Streben nach Sparsamkeit und die Förderung des örtlichen Handwerks. Dies führte zu einem Abfall an Finesse, Opulenz, auch Offenheit für innovative Herstellungsverfahren, weniger aber handwerklicher Qualität, vor allem gegenüber Frankreich.

Auch wurden Anschaffungen immer wieder hinausgeschoben. Daher ist das einstige Hof- und heutige Bundesmobiliendepot ein Museum österreichischer Handwerkskunst, in dem Stücke französischer Ehernsten oder Vergleichbares selten sind. Größere Änderungen waren oft den Kaiserinnen zu verdanken. Maria Ludovi-ca d'Este, die dritte der vier Frauen von Kaiser Franz, die sich 20 Räume, darunter das legendäre „Ägyptische Kabinett", einrichten ließ, gab ihrem Mann zu bedenken: „Was ich dir in meublen kost, kostet dir eine andere Frau in Pferden, Bällen, Unterhaltungen, von denen verlange ich nichts, nur eine schöne Wohnung, lache nur über mich, ich gestatte es dir."

Ihr Appartement war „in seiner Geschlossenheit und gleichzeitig Vielfältigkeit einzigartig am Wiener Hof... Ein Beispiel dafifr ist nicht zuletzt die Farbgebung: Kombinationen wie Weiß-Blau und Rot-Grün wurden genauso verwendet wie Gelb-Lila oder Grün-Lila. Eine Besonderheit war das Gesellschaftszimmer, dessen Möbelstücke gold gefaßt und mit Überzügen von weißem, mit Stickerei verziertem Atlas versehen waren. Franz Xaver Ritter von Sickingen, der 1832 die wichtigsten Appartements der Hofburg beschrieb, weiß zu berichten, daß die Stickereien von 200 Mädchen in zweijähriger Arbeit zustande gebracht worden waren." 80 Jahre nach diesem Stick-Marathon wurde die Restaurierung des Paradebettes Maria-Theresias in Angriff genommen. Das „Reiche Schafzimmer" war einer der wenigen Räume, die nie angetastet wurden, doch waren, wie Burghauptmann Kirschner 1877 schrieb, „schon seit längerer Zeit nicht nur viele Bestandtheile der kostbaren Goldstickereien nicht nur von dem erwähnten Bette, wie auch von den Wänden abhanden gekommen, sondern es ist auch der Sammt, auf welchem die Goldornamente sich befinden, schon dermaßen mürbe und brüchig geworden, daß eine Befestigung der Stickerei auf demselben nicht mehr gut möglich ist." Die Restaurierung wurde zehn Jahre später begonnen, „wohl ein Dutzend Stickkünstlerinnen arbeiteten damals", so Ludwig Hevesi, „in einem eigenen Atelier in der Hofburg ein gutes Jahrzehnt daran, all die alten, zum Teil schadhaften Goldstickereien vom morschen Samt abzulösen und mühsam restauriert auf neuem, eigens in Frankreich gewebtem Samt von derselben purpurnen, fast schon schwarz wirkenden Nuance zu applikieren."

Ottiiiinger und Hanzl zeichnen ein verwirrendes Nebeneinander zum Teil gegenläufiger Entwicklungen und Einflüsse nach. Weniger Beachtung als die bürgerlichen Einflüsse auf den Hof fand bisher die Mittlerrolle der Hocharistokratie, wobei in Wien die Umgestaltung des Liechtensteinischen Stadtpalais beispielgebend wirkte. Hier haben die Autorinnen-(deren Dissertationen den Kern der Publikation bilden) manches Neue zu bieten.

In der Ära Franz Josephs führten das Bedürfnis nach Familiarität, aber nicht weniger auch nach Repräsentation, sowie die Technikfeindlichkeit des Kaisers zu seltsamen Erscheinungen. Daß Seine Majestät partout kein Telephon auf dem Schreibtisch duldete und, so der Kammerdiener Ketterl, das lästige Gerät zwischen die Doppeltüren seines Schlafzimmers verbannte, wo damals noch der kaiserliche Leibstuhl stand, gehört wohl in den Bereich des sehr Skurrilen.

Viele Linien muß der Leser selber ziehen - er bekommt dafür das wissenschaftliche Material, nicht zuletzt opulentes Bildmaterial, geliefert. Ein besonderer Schatz sind, neben den Aquarellen von Budolf von Alt, die von Johann Stephan Decker. Eine gebrochene Linie ist auch, vom französischen „Blondel'schen Stil" ausgehend, die Ausbildung der Farbentrias Weiß-Gold-Rot, die zu einer Monarchie und Republik verklammernden Corporate Identity Österreichs wurde. Eine Lücke schmerzt: Die historischen Grundrisse der Hofburgtrakte machen es nicht möglich, die Lage der abgebildeten Räume zu eruieren. Neue, lesbare Pläne wären in einem solchen Werk nicht zuviel verlangt.

KAISERLICHE INTERIEURS

Die Wohnkultur des Wiener Hofes im 19. Jahrhundert, Von Eva B. Ottiiiinger und Lieselotte Hanzl Bühlau Verlag, Wien 1997. 480 Seiten, Ln., 94 Farb-und260 s.\w.-Bdder, öS 980,-

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