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Grosz, der Anti-Militarist
Um die bildende Kunst bemüht gibt man sich in Salzburg während der Festspielzeit: Museen, Ausstellungspavillons, Privatgalerien ... Jeder hat sein Programm. Und dennoch ergibt sich in Salzburg nicht so etwas wie Kunstszene; denn die Ausstellungsprojekte, die hier verwirklicht werden, sind mit wenigen Ausnahmen lokale Anliegen, schlagen keine Brücke zur internationalen Kunstszene, geschweige .denn, daß sie als Schrittmacher Neues zeigen oder alte Kunst in neuer Sicht präsentieren und in neue Zusammenhänge rücken. Eine große Chance also, die man sich da Jahr für Jahr entgehen läßt, indem man die internationalen Ausstellungen verschläft.
Um die bildende Kunst bemüht gibt man sich in Salzburg während der Festspielzeit: Museen, Ausstellungspavillons, Privatgalerien ... Jeder hat sein Programm. Und dennoch ergibt sich in Salzburg nicht so etwas wie Kunstszene; denn die Ausstellungsprojekte, die hier verwirklicht werden, sind mit wenigen Ausnahmen lokale Anliegen, schlagen keine Brücke zur internationalen Kunstszene, geschweige .denn, daß sie als Schrittmacher Neues zeigen oder alte Kunst in neuer Sicht präsentieren und in neue Zusammenhänge rücken. Eine große Chance also, die man sich da Jahr für Jahr entgehen läßt, indem man die internationalen Ausstellungen verschläft.
Natürlich sei nicht vergessen, daß hier das imponierende Barockmuseum geschaffen wurde und die beispielhaften Ausstellungen in den Domoratorien stattgefunden haben, wo heute die Salzburger Domschatzkammer ihr Domizil hat; und daß auch heuer zum Beispiel drei markante Ereignisse zu registrieren waren: die Wiedereröffnung der Residenzgalerie, die Überführung der Makart-Gedenkausstellung aus der Wiener Hermesvilla in die Residenz und die Doppelausstellung „George Grosz — Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts“ in der Galerie Welz, die immerhin eine internationale Schau von Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Druckgraphiken von Max Ernst, Kirchner, Klee, Klimt, Kokoschka, Kubin, Morini, Münch, Picasso, Schiele u. a. vorzeigt Aber was daneben zu sehen ist, figuriert leider doch eher nur am Rande? Giselert Hoke wie Hofer oder so manche andere kleinere Schau.
Vor allem die Hommage für George Grosz sollten sich Sammler, Kenner, Liebhaber nicht entgehen lassen. 50 Arbeiten, viele aus seiner kühnsten Zeit, also aus den zwanziger Jahren, zeigen ihn als den großen Moralisten, den unerbittlichen Analytiker, der mit spitzer — für Seine Zeit oft allzu spitzer Feder — politische, gesellschaftliche, soziale Zustände registriert. Ein aggressiver Spötter, für den Kunst nicht ohoe polltische Zusammenhänge verstehbar war und der gerade deshalb heute wieder soviel an Aktualität gewonnen hat.
Berlin, die Schieber- und Maklerwelt der zwanziger und dreißiger Jahre, die Jahre der wirtschaftlichen Pleite und der nahenden politischen Katastrophe von 1933, die Halbwelt, die rasch Reichgewordenen... Das sind seine Themen, die er mit bestechender Genauigkeit vorträgt. 1893, also mitten in Preußens Glanz und Gloria geboren, wird diese für ihn die erste Zielscheibe seines Spotts. 1909 studierte er an der Dresdener Akademie und wird sehr bald vom „Berliner Tagblatt“ als Illustrator eingesetzt. 1916 soll er zum Militär, wird jedoch aus gesundheitlichen Rücksichten zurückgestellt Als er dann erneut einberufen wird, gebärdet er sich so antimilitaristisch, daß er zum Tode verurteilt und nur durch eine Intervention Graf Kesslers gerettet wird. Gegen Kriegsende ist er bereits Mitglied der Berliner Dada-Bewegung, stellt in der damals berühmten Galerie Goltz aus und gründet selbst die politisch-radikale „Dada“-Zeit-schrift „Die Pleite“. Sein Antimilitarismus, dem er in der Mappe „Gott mit uns“ ein Denkmal setzte, wird wieder zum Stein des Anstoßes: 1920 verurteilt ihn ein Gericht deshalb zu 5000 Mark Buße. 1923 muß er sich wegen seiner Arbeiten wieder vor Gericht verantworten: „Verletzung öffentlicher Moral“ wirft man ihm wegen seines „Ecce homo“ vor... 1927 folgt eine erste öffentliche Wendung: Die Stadt Düsseldorf zeichnet den avantgardistisch-revolutionär gesinnten Eigenbrötler mit ihrer Kunstgoldmedaille aus.
1930 spinnen sich erste Kontakte zu den ,USA an, 1931 folgte dann die erste große Ausstellung; 1933 übersiedelt er bereits unter dem politischen Druck in Deutschland in aie'USA, um an der Art Student League in New York zu unterrichten. Was von Grosz' Werken in Deutschland verblieben war, wurde yon den Nationalsozialisten beschlagnahmt in der Ausstellung „entartete Kunst“ gezeigt und manches überhaupt vernichtet. Nach Kriegsende kam Grosz, als Fünfziger, zurück nach Europa. 1959 ist er in Berlin gestorben.
Wie sehr sein Werk .gerade in den letzten Jahren im Preis gestiegen ist, zeigt nun diese Schau bei Welz, wo einige seiner besten Werke, vor allem Aquarelle, bereits die 300.000-
Schilling-Grenze überschritten haben und wo eigentlich längst nichts mehr zu „kleinen Preisen“ zu haben ist, wie dies noch in den sechziger Jahren bei Wiener Doro-theumsauktionen üblich war.
Auch die anderen Werke der Welzausstellung, die Meisterwerke der Kunst des 20. Jahrhunderts, sind, von ein paar Ausnahmen abgesehen, durchwegs international hervorragende Arbeiten: Man denke nur an Schteles Aktselbstbildnis von 1912, an Kokschkus „Mädchenbildnis“ in öl, vermutlich 1913 nach der 'Italienreise gemalt, ein Werk, das übrigens 1937 im Rahmen der Aktion „entartete Kunst“ beschlagnahmt wurde, an Hundertwassers Aquarell „Ziel der grünen Wolke“ (1956) oder Ernst Ludwig Kirchners „Glaris-Davos“-Landschaftsaquarell von 1925, die alle zum Besten gehören, was zur Zeit in österreichischen Ausstellungen zu sehen ist.
Ein Ereignis, das in Österreich besondere Aufmerksamkeit verdient, ist die Renovierung und Neuaufstellung der Salzburoer Residenzgalerie, die damit nach Jahren der Nachkriegsprovisorien und des Vegetierens in häßlichen, dunklen Sälen endlich ihre Schätze zeigen kann. Der dritte Stock des Residenzpalastes, teilweise noch mit eleganten Stuckarbeiten ausgestattet wurde mit einer modernen Beleuchtungsund, Klimaanlage ausgerüstet und wird nun wieder das ganze Jahr über geöffnet sein. Zwar ist noch ein Teil der Galerie durch die Makart-Ausstellung blockiert, aber schon zeichnet sich ab, wie die Sammlung in Hinkunft präsentiert sein wird: In 13 Sälen ein Bogen, der von der Malerei des 16. Jahrhunderts über die Holländer und Flamen des 17. Jahrhunderts, über eine sehenswerte Kollektion französischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts heraufführt zur deutschen und österreichischen Malerei vom 18. bis zum späten 19. Jahrhundert. Anton Faistauer und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Österreich sind schließlich die letzten zwei Säle gewidmet.
Dominierten in der Salzburger Sammlung, die im wesentlichen aus den beiden Wiener Sammlungen der Grafen Czernin und der Grafen Schönborn zurückgeht früher die Holländer, so sind nun Akzentverschiebungen zu vermerken, und zwar in Richtung französischer Malerei: Bourdon, Cblombel, Corneille, Dufresnoy, Lesueur, Poussin-Dughet und Subleyras sowie Blan-chard und Vignon füllen zwei Säle; was um so bedeutsamer ist als die französische Malerei in Österreich (auch im Kunsthistorischen Museum) nur höchst mangelhaft vertreten ist.
Für die italienische Sammlung wurden Werke von Baroeci, Bordone, Dosso, Giordano, Procaccini, Ricchi, Saraceni, Pietro Vecchia erworben. Allerdings wurde 1974 der Leih vertrag zwischen Rudolf Graf Czernin und der Residenzgalerie aufgekündigt, da die Czerninsche Sammlung wieder in Wien aufgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Das heißt 61 Gemälde wurden zurückerstattet ein Drittel der Czerninschen Sammlung, vor allem die französischen Werke, konnten für Salzburg angekauft werden.
Die Ankaufstätigkeit für die nächsten Jahre soll dabei in erster Linie einer großräumig konzipierten Sammlung Entwicklungsgeschichte der Malerei bestimmt werden. Spe-zialsammlungen innerhalb der Galerie will man nicht fördern, die Einflüsse der verschiedenen Schulen auf die österreichische Malerei sollen Vorrang erhalten. Und das sollte eigentlich der Moment sein, wo man konsequenterweise mit den anderen großen Gemäldegalerien in Österreich zusammenarbeitet, Ankäufe koordiniert. Denn nur aus Ehrgeiz etwa viel Geld für ein Gemälde auszugeben, das in besserer Ausführung womöglich in Wien hängt, ist eigentlich sinnlos.
Unverständlich bleibt etwa der Ankauf einer „Allegorie auf Kaiser Karl V. als Weltherrscher“, eines Werkes, das angeblich ein eigenhändiges Werk von 1607 sein soll und aus der ehemaligen Sammlung Spencer-Churchill stammend, 1966 in Salzburg erworben wurde. Und zwar um — wie man hört — zwei Millionen Schilling. Rubens-Gemälde ähnlicher Qualität gibt es nun in Wien, weiß Gott, genügend. Wäre es da nicht ergiebiger gewesen, das Geld zur Schließung anderer „Lücken“ zu verwenden, vor allem von Malerschulen, die zum Beispiel in Österreich schlecht vertreten sind? Oder zum Erwerb von qualitativ Bedeutenderem, wofür man weniger bedeutende Bilder wieder abstoßen könnte?
Gerade eine so kleine Galerie wie die Residenzgalerie, die noch nicht an ihrer Größe erstarrt ist, sollte sich, diese Lebendigkeit zu bewahren wissen, nicht um jeden Preis horten, auch nicht um jeden Preis all das dokumentieren wollen, was überall sonst, in den großen kaiserlichen und königlichen Sammlungen Europas hängt, sondern einen ganz eigenen profilierten Zuschnitt kultivieren, in dem bestimmte Schwerpunkte den Ton angeben. Mit der französischen Kollektion ist man dabei auf dem besten Wege; mit der englischen Malerei könnte man sich für ganz Österreich außerordentliche Verdienste erwerben... Und eine beispielhafte Sammlung der Salzburger Malerei des 19. Jahrhunderts aufzubauen, müßte geradezu eine Verpflichtung sein. Salzburg wird also für seine Residenzgalerie in den nächsten Jahren einiges Kapital bereithalten müssen.
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