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Ein Säkulum an vielfältiger Kreativität

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Von 27. September bis 10. November gastierte Österreich mit einer Jubiläumsschau .seiner Kunst der vergangenen hundert Jahre in . der Kunst- und Ausstellungshalle, der Rundesrepublik Deutschland in Ronn. Auf Anregung Gustav Peichls und von ihm selbst eingerichtet, wurde sein Rau aus den Jahren 1986 bis 1992 Teil der Präsentation. Seither mit glanzvollen Ausstellungen bespielt, hat sich dieses Bauwerk in der Vielfalt und Weite der Räumlichkeiten wie der unterschiedlichsten Lichtverhältnisse als herausragende Architektur erwiesen.

Nun übersiedelt die Schau nach Wien und wird ab 5. Dezember im Akademiehof der Albertina gezeigt. Welchen Eindruck hinterließ diese Jubiläumsausstellung in Ronn?

Die hohen Erwartungen, die der Resucher gerade zu dieser österreichischen Ausstellung mitbringt, werden nur zum Teil erfüllt. Erklärtes Ziel der Kuratoren Walter Koschatzky (Graphik) und Peter Raum (Malerei und Skulptur) sowie Gustav Peichl als Gestalter war es, nach den zahlreichen Ausstellungen zur österreichischen Kunst um die Jahrhundertwende bewußt neue Schwerpunkte zu setzen, Werke herausragender Künstlerpersönlichkeiten mit Neuem und weniger Rekanntem zu konfrontieren! Dabei taten sie sich offensichtlich nicht immer leicht in der Auswahl. Ein Weniger wäre oft mehr gewesen, Konzentrierung und Akzentuierung hätte die unterschiedlichen Strömungen klarer hervorgehoben.

Den fulminanten Auftakt am Reginn der Ausstellung bilden die Rlimt-Ikonen, weit gehängt, die „Dame mit Hut und Eederboa” entfaltet allein an einer großen Wandfläche ihre Ausstrahlung. In der Rotunde die geistreich-ironische Konfrontation der „Emilie Flöge” mit Wolfgang Herzigs „Großer Gesellschaft” (1970/71): zwei Werke, im Abstand von sieben Jahrzehnten entstanden, treten in einen spannungsreichen Dialog und verweisen zugleich auf die Hauptthematik in dieser Ausstellung, auf die künstlerische Frage nach dem Menschenbild, seiner Individualität, seiner Refmd-lichkeit. Ein vorrangiges Anliegen, wenn nicht gar ein charakteristisches Merkmal der österreichischen Kunst des zurückliegenden Jahrhunderts.

Der eindrucksvollen Präsentation und faszinierenden Intensität folgt im großen, nach oben hin offenen Saal die ab hier allzu dichte Reihung der Werke, übertönt und vielfach überschnitten von Roland Goeschls aggressivfarbigen Raumkompositionen (1965 beziehungsweise 1990), die Rewegung und Unruhe ausstrahlen. Neben Klimts „Danae” frühe Rildnisse Kokoschkas, die in ihrer noch dumpfen Farbigkeit in eigenartigem Kontrast stehen zu Herbert Roeckls frühem, in barocker

Farbkraft sprühendem Selbstporträt von 1922.

Auf der anderen Seite ganz für sich Egon Schiele, unter anderem mit dem „Doppelbildnis Benesch”. Von großer Eindringlichkeit Bichard Gerstls Doppelporträt der „Schwestern Karoline und Pauline” (1905) in scharfem Hell-Dunkel-Kontrast und lockerer Malweise. Wie stark die Palette auch im zweiten Jahrzehnt von dunklen Farbtönen beherrscht bleibt, belegen etwa die 1913 entstandenen Gemälde von Anton Kolig „Bildnis der Gattin” beziehungsweise von Anton Faistauer „Die Frau des Künstlers auf dem Sofa”. Im Zentrum des Bheinischen Expressionismus sollte man erinnern an die intensiven Kontakte von Kubin, Schönberg und Kokoschka zu den Künstlern des Blauen Beiter und ihre Beteiligung an den damals wichtigen Ausstellungen in München, Berlin und Köln.

Breiten Baum nimmt die Darstellung der Zeit von 1918 bis 1938 ein. Unter dem Begriff „Neue Sachlichkeit und Bealismus” werden in breiter Selektion, darunter auch zweitrangige Werke, ganz unterschiedliche Künstler subsumiert: eindrucksvoll präsentiert die psy-chologisch-sezierenden Allegorien eines Rudolf Wacker und Franz Sed-lacek, daneben Werke von Sergius Pauser, Herbert Ploberger und Ernst Nepo oder Otto Rudolf Schatz. Die ganz eigenen Wege von Kokoschka, Gütersloh, Alfred Wickenburg und Wilhelm Thöny, mit mehreren Städtebildern überrepräsentiert, von Alfons Walde und Eg-*er-Lienz werden nicht deutlich genug hervorgehoben. Am Ende steht schließlich, als Zitat eines speziellen Zeitgeistes, Reyl-Hanischs Mädchenbildnis von 1935.

Vopavas großformatiges Dispersionsbild von 1991 eröffnet unmittelbar daneben den zweiten Schwerpunkt, den Raum und Peichl unter „Minimalismus und Meditation” zusammenfassen. Auch hier wären Synkopen in der Präsentation wünschenswert gewesen, damit Eigenständiges deutlicher erkennbar wird.

Den Aufbruch in den Pluralismus inszeniert die Ausstellung in all seinen Spielarten; eingeschlossen die Gruppe der „Gugginger Künstler” unter Leo Navratil bis hin zum Wiener Aktionismus. Die Weite des Raumes im Obergeschoß nützte Peichl auch hier zu spannungsvollen Gegenüberstellungen: Adolf Frohners „Die Flucht” (1966/67) auf der Galerie mit der „Schaustellung” (1929) von Otto Rudolf Schatz im Parterre. Die Fülle der ausgestellten Werke belegt deutlich die kritische Rückbezie-hung auf die eigene,, spezifisch österreichische Kunsttradition - Klimts Ornamente beleben als neuer Kosmos die Rilder - und die in den achtziger und neunziger Jahren erfolgte Öffnung und In-ternationalisierung der jüngeren Generation. Die vorherrschend malerische Ausprägung der österreichischen Kunst der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart ist ebenso evident wie die Vorliebe zu barocker Expressivität, Dynamik und Aktionismus.

Die österreichische Plastik des 20. Jahrhunderts wird eher beiläufig behandelt. Die Rildwerke von Hrdlicka, Wotruba, Hof-lehner, Moswitzer sind wie exotische Pflanzen dicht gedrängt in den verglasten Innenhof ausgesperrt und bleiben in ihrer räumlichen und strukturellen Qualität unerfahrbar. Auch Bertonis Großem C und Prantls Meditationsstein fehlt Freiraum zur Entfaltung.

Den Rereich Graphik/Zeichnung hat Walter Koschatzky mit rund 170 Arbeiten auf Papier dicht an dicht bestückt. Re-züge und Chronologie, Werkzusammenhänge mehrfach vertretener Künstler erschließen sich erst nach und nach. Gerade hier ist selten Gezeigtes zu entdecken, etwa Emil Orliks Wiener Porträts oder die Radierungen Hrdlickas „Karfreitag aus ,Roll over Mondri-an'”, 1966, „Die Nachtwache nach Rembrandt”, 1968-70.

Österreichs Architektur zwischen Joseph Maria Olbrichs Secession (1896) und Coop-Himmelblaus Forschungszentrum (1993-95) ist im Südkabinett exemplarisch ausgestellt anhand von Fotos, Plänen, Zeichnungen und, besonders anschaulich, an einer Reihe herausragender Modelle, darunter Raimund Abrahams Österreichisches Kulturinstitut für New York. Auffallend ist der Anteil namhafter Architekten am Schul- und Industriebau. Unerwähnt bleiben die inzwischen international' gewürdigten Leistungen alpiner Freizeitarchitektur, Peter Thurners Festkogl-bahn/Obergurgl, die Hotelneubaüten von Alois und Elena Neururer in Mandarfen/Pitztal, Sitz der „Mandar-fener Gespräche” zur Raukultur im Alpenraum.

Wie in Bonn wird auch in Wien ein Beispiel neuer österreichischer Architektur den Rahmen der Ausstellung bilden: der Akademiehof (furche 44/1996) von Roland Rainer und Gustav Peichl.

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