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Raritäten und Gutruf

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In ihrer Sonderausstellung stellt die Gemäldegalerie der Wiener Akademie der bildenden Künste erstmalig Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert vor, die sich in ihrem Besitz befinden. Die Ausstellung leidet unter der Tatsache, daß die Galerie bereits vor längerer Zeit ihre wertvollsten Bilder jener Epoche leihweise an die Österreichische Galerie abgeben mußte, die wieder die Werke der Ausländer an das Kunsthistorische Museum abtrat. Der eigentliche Sinn dieser Ausstellung liegt daher nicht darin, besondere Juwelen der Sammlung zu zeigen, sondern darauf aufmerksam zu machen, daß die Ge mäldegalerie der Akademie bis etwa 1910 sehr wohl auch Werke der zeitgenössischen Kunst als Studienmaterial auf nahm, daß nur die Ungunst der Verhältnisse — das Ausbleiben der Schenkungen, der Geld- und Raummangel — die begrüßenswerte Tradition abbrach. Daher sollte sie als Anregung gewertet werden, diesen notwendigen Brauch wiederaufzunehmen, endlich einen Neubeginn zu setzen. Daher können hier auch nur die qualitätsvollsten Arbeiten hervorgehoben werden. So etwa das Bildnis des Malers und Zeichners Philipp Hackert von Anna Dorothea Therbusch, das Jugendwerk Emil Ja kob Schindlers „Waldfräuleins Geburt” das noch als Akademiearbeit entstand und seine späte nuancierte Landschaft mit dem „Bauemgehöft im Frühling”, Eugen Jetteis holländische Landschaft mit den feinen Grauwerten, das noble Ateiierselbst- bildnis von Carl Moll, das zu einer ganzen Serie von Bildern aus seiner Otto-Wagner-Villa gehört, das „Waldinnere” von Hans Tichy, das ebenso im Banne der Sezession steht wie der „Schöne Herbsttag” von Ferdinand Brunner. Nach dem letzten Krieg kam noch ein Selbstbildnis von Ivan Mestrovič in Akademiebesitz, eine rodineske Porträtplastik und das kleine frühe Gipsrelief der „Ersten Liebe” das noch die Einflüsse des französischen Jugendstils zeigt.

Ebenfalls in der Wiener Akademie der bildenden Künste im Kupferstichkabinett der Bibliothek ist eine ganz hervorragende Ausstellung von Feder- und Bleistiftzeichnungen des jungen Malers und Graphikers Gerhard Gutruf zu sehen, dessen Auseinandersetzung mit den Baudenkmälern Roms und der Landschaft der Toscana den Stempel des Besonderen in ihrer künstlerischen Formulierung und handwerklichen Disziplin an sich tragen. Mit bestechender Klarheit fächert Gutruf Baudenkmäler und Veduten des alten Rom in den Raum und die Fläche auf mit einem nie forcierten, wie selbstverständlich wirkenden Wechsel der Fluchtpunkte, gliedert mit linearen und flächigen Akzenten die Fläche, setzt die Leere des Raumes und das Weiß des Papiers oder die Schwärze eines Himmels wohlabgewogen zu den Strukturen der Architektur, belebter Teile. Das zeichnerische Können wird hier bei aller Ästhetik nie zum Selbstzweck und die Fläcke wird als Ort räumlicher Projektionen ausgeschöpft und begriffen. Genauigkeit und Präzision sind hier Aus-

Der Große österreichische Staatspreis 1974 (dotiert mit 100.000 Schilling) wurde H. C. Artmann zuerkannt. Ärtmann, gebürtig aus St. Achaz in Niederösterreich, ist schon 1958 durch seine Dialektgedichte „Med ana schwoazzn Dintn” bekanntgeworden. In der Begründung der Jury für den Staatspreis heißt es, daß nicht die experimentelle Auffassung der Sprache, sondern deren virtuoser Gebrauch zu würdigen waren. Artmann habe keinen modischen „surrealen” Pessimismus verbreitet, sein Werk enthalte verschiedene Elemente der heutigen Literatur, die sich zu einer elementaren Poesie verdichteten. Artmann lebt derzeit in Salzburg, druck eines künstlerischen Ethos das die Dinge wägt und verwandelt. Eine äußerst sehenswerte Ausstellung die Gutrufs große Begabung bisher am klarsten und deutlichsten erscheinen läßt.

Sieben junge Schmuckgestalter zeigen in der „Galerie Wolkenstein” in der Kleeblattgasse ihre zum Teil sehr beachtlichen Arbeiten unter dem Titel „Spurenelemente”. Durch Originalität und Form ragen hier die als Kleinplastiken und Multiples konzipierten Arbeiten von Peter Skubic und Robert Petter hervor, die vom Bauhaus und den Wiener Werkstätten beeinflußten Dosen von Anton Kolar, die der Mini-Art etwas verpflichteten Arbeiten von Werner Schmeiser und die aus Süber und Acryl gearbeiteten Anhänger von Brigitte Haubendorf er. Peter Schober überzeugt in den „Free-Form” und Konstruktivismus kombinierenden Arbeiten nicht immer, während Leonhard Stramitz Einflüsse der „Art Dėco” nicht immer maßvoll verwertet. Eine auch in ihrer geschickten, klaren Präsentation sehenswerte, zum Kaufen anregende Ausstellung, die man vor Weihnachten unbedingt besuchen müßte.

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