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Der 1912 in Hagen in Westfalen geborene Emil Schumacher gehörte um 1960 zu den bekanntesten deutschen Malern des ungegenständlichen Expressionismus. Er wurde wiederholt prämiert und seine Arbeiten in zahlreichen Galerien und Museen der ganzen Welt gezeigt und angekauft. Wenn es um den heuer Sechzigjährigen in der letzten Zelt aber eher still geworden ist, so ist das nicht nur aus der vergleichsweisen Enthaltung des Malers vom Kunstbetrieb zu verstehen, sondern auch aus der radikal verwandelten Szene, der er keinen Tribut zu zollen gewillt ist. Die Erste österreichische Spar-Casse zeigt nun in ihrem Ausstellungsraum in der Neutorgasse eine Kollektion von Ölbildern, Gouachen, Tastobjekten und Radierungen, vorwiegend aus letzter Zeit, die die Kontinuität seiner Arbeiten unterstreicht. Die frühesten Arbeiten sind die sogenannten „Tastobjekte“ aus dem Jahre 1957, die den Anschluß an den Dadaismus fixieren. In den Ölbildern hat sich seit 1960 in der Setzung der weiträumigen spontanen Gestik mit ihren begrenzten Ausdrucksformen wenig verändert. Dazu gekommen ist lediglich eine größere mechanische

Strukturierung der Leinwand durch Knitterung und Applikationen, sowie Ansätze zu ihrer Modellierung durch Mulden und Höhlen. Die Farbigkeit ist zum Teil zurückhaltender oder ästhetischer geworden. Stärker als die meist spannungslosen Bilder überzeugen einige der Radierungen, in denen sparsame Pinselzüge die Flächen rhythmisch zu beleben suchen, emotionale Zeichen setzen.

Auch die Ausstellung von vorwiegend neuen Eisenplastiken des 1940 geborenen Gerhard Moswitzer in der Galerie Würthle zeigt in einigen frühen Arbeiten von 1963 seinen Anschluß an den Surrealismus der zwanziger Jahre, der dann in der Folge zu den konstruktiveren tech-noiden Totemfiguren — mit denen Moswitzer auch auf der letzten Biennale in Venedig vertreten war — führte. Die 1971/72 entstandenen Eisenskulpturen sind nun kompakte kubische und sphärische Grundformen, die sich schneiden und durchdringen und in ihrer elementaren Haltung an die Minimalart anschließen. Sie bedeuten, sowohl von der technischen Fertigung her, wie in ihrer formalen Festigkeit, einen Fortschritt, legen aber doch die Frage nahe, ob ihre Formen dem

Wesen des Eisens als Material entsprechen. In kleinen Netsuke-artigen „Eisenhäusern“ hat Moswitzer außerdem auch recht reizvolle Objekte geschaffen. Unter den frühen Zeichnungen finden sich einige interessante Blätter, während die Lichtpausen der Werkzeichnungen eine Ausstellung nicht rechtfertigen.

Unbedingt sehenswert ist auch die Ausstellung von Aktzeichnungen im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz, die, neben einer Auswahl von Künstlern des 20. Jahrhunderts, die mit der Akademie verbunden waren oder es sind, auch Beispiele alter Meister zeigt, die die vielseitige Bedeutung der Aktzeichnung als Naturstudie, als Entwurfsskizze und -behelf, als selbständige Gattung seit der Renaissance unterstreichen. Damit wird erneut auch auf eine Graphiksammlung aufmerksam gemacht, die, viel zuwenig bekannt, nach der Albertina die größte und bedeutendste Österreichs ist.

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Erfreuliche Fortschritte zeigt der junge Maler und Graphiker Reiner Schiestl, der in der „Galerie in der Blutgasse“ Zeichnungen, Radierungen und Aquarelle zeigt. Es sind Stadtlandschaften aus New York und es überrascht angenehm, wie sie gegenüber früheren Arbeiten an Ordnung, Strenge, innerem Zusammenhang und Formenklarheit gewonnen haben, Schiestl nun plötzlich als gereifte Persönlichkeit dasteht. Neben den Zeichnungen, die sich durch Ernst und Intensität auszeichnen,

überraschen vor allem die Aquarelle. Mit großen luftigen Flecken überlegt und leicht hingesetzt und gebaut, wirken sie — nach Thöny — als eigene Vision, großzügig und atmosphärisch, Die beiden „Central Park“, „Brookly Heights“ und „Leng' Island“ sind sehr schöne Arbeiten. Eine sehenswerte Ausstellung.

In der gleichen Galerie präsentiert Bertram S. Katz aus den USA Tuschzeichnungen, die er Trance-Zeichnungen nennt. Das kann man nur schwer glauben, da sie zumindest partiell mit Zirkel und Lineal hergestellt wurden. Mit den Formen von Op-, Pop- und Neuer Ornamentik, gekreuzt mit surreal wuchernder Organvegetation, verbreiten sie dünne und kühle Ästhetik.

Kurt Ammann, der in der „Kleinen Galerie“ in der Neudeggergasse Federzeichnungen und Aquarelle ausstellt, hat sich gewandelt. Sein vom Landschaftlichen her bestimmter früherer ungegenständlicher Expressionismus hat sich nun formal verfestigt und verdichtet und figu-rale Elemente und surreale Anklänge in zum Teil zeichenhaften Formen aufgenommen. Hieratisches wird durch symmetrische Zentralkompositionen unterstrichen, während die früher leicht bunte blumige Farbigkeit einer gedeckten Mono-chromie gewichen ist. In der Kombination mit Graphitstift erzielen dabei die Aquarelle beinahe die Wirkung von Druckgraphik, während bei den Zeichnungen das Spiel von strukturierten Grundformen die Fläche rhythmisch-dynamisch gliedert.

In der „Galerie im Glaskasten“ in der Mariahilferpassage zeigt Anton Wichtl Zeichnungen und Bilder, die einem gemäßigten österreichischen Expressionismus verpflichtet sind. Die Zeichnungen unterstreichen vor allem das starke illustrative Talent ihres Autors, dessen von der Literatur inspirierte Figuren in ihrer grotesken und expressiven Prägung ihre Ahnen bei Kubin und Fronius haben, aber leichter und lockerer, „journalistischer“, wirken. In den Landschaftszeichnungen und Studien nach der Natur tritt durch die zu gleichbleibende Strichstärke oft eine gewisse Spannungslosigkeit ein, während unter den meist zu summarisch hingestrichenen Bildern an erster Stelle der „Semmering“ und dann mit Abstand „Lindabrunn“ und „Oberhalb Gainfahrn“ hervorragen.

Enttäuschend ist die Ausstellung der Bilder von Hartlib Rex in der Galerie der Wiener Secession, in der die pseudogenialische Flüchtigkeit der Ausführung in keinem Verhältnis zum Ausdruckswillen steht. Vier Landschaftsbilder von starker Dichte und Suggestion — „Bretagne II und III“, „Hamburger Hafen II“ und „Verdun — Land Art“ beweisen aber, daß der Maler ein beträchtliches Talent verschleudert und verkommen läßt. *

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