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Herbstliche Blätter

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Herbstausstellung des Neuen Hagenbunds im Palais Harrach, Freyung: Für den Neuen Hagenbund scheint langsam ein neuer Frühling zu kommen. Langsam, aber keineswegs sicher. Denn einstweilen sind die Künstler, die die Herbstausstellung präsentiert, recht bunt zusammengewürfelt. Einige scheinen uns Zukunft zu haben: Marc Adrian etwa, der mit einigen kleinen glasierten Terrakottareliefs vertreten ist. Seine patinierten Terrakottafiguren, nicht größer als eine Hand, zeigen seine Vorliebe für kleine Formate. So erscheint er als Bildhauer, der nicht das Monumentale liebt, sondern Bastlerneigungen hat. Dann Marie-Luise Autzinger, die duftig-bewegte Bilder zeigt, in denen sich Menschen und Tiere und das fiemde Mexiko befreundet haben. Vielleicht auch Franz Luby, von dem nur die „Krabbenfischer", in der Auffassung surreal, in der Gestaltung real und vital, zu fesseln vermögen. Ruth Winter ist mit sehr originellen Tuschzeichnungen vertreten, die wie mit dem Kamm gearbeitet scheinen, so federleicht sind sie im Strich. Besonders eindrucksvoll die „Kirche in Hamburg". Zu den stärksten Begabungen gehört sicher Ernst Straßer, dessen zarte und vegetative Monotypien, technisch vollendet, den Charakter der Arbeiten Hutters haben, aber sensibler sind. Auch bei ihm sind — was sich heute beinahe in jeder Ausstellung feststellen läßt — die Oelbilder bedeutend schwächer als die graphischen Arbeiten. Ferry Zotter besitzt ein außergewöhnliches Kompositionstalent. Sein Aquarell „Industrie", seine „Vorstadt" und sein „Dorf im Burgenland" sind die reifsten und ausgeglichensten Arbeiten der Ausstellung.

Herbstausstellung im Künstlerhaus: Der Vorzug dieser Ausstellung gegenüber früheren ist, daß jetzt die Namen der Künstler und ihrer Werke immer neben den gezeigten Arbeiten angegeben werden, und man sich nicht mit Nummern begnügen muß. Unter den Bildern der Lebenden finden sich bunte, schöne und auch bloß ölige Landschaften. Italien wurde eifrig bereist. Wir haben Italien sehr gern; deshalb gefallen uns auch viele Bilder, die als Bilder der gezeigten Landschaft nichts Persönliches hinzuzufügen haben. Wilhelm Kaufmann bietet ein unverfälschtes Pisa oder Monako. Von WIcek hängt das farblich sehr gelungene Bild „Im Herbst", das die Wasserfläche des Vordergrundes zu seltener Wirkung und Spiegelung bringen kann. Allen modernen Einflüssen aufgeschlossen ist Harald Reitterer. Am schwächsten sind die gezeigten Selbstbildnisse. — Das obere Stockwerk ist dem Gedächtnis verstorbener Künstler gewidmet. Leider sind auch die meisten ihrer Bilder tot. Einige von Julius Schmid rühren uns noch. Lebendig aber ist die Kollektion von Richard Harlfinger, lebendiger auch als die Arbeiten mancher Lebender. Da sind sein „Seiltänzer bei Nacht" und seine österreichischen Landschaften, die kleine Lichtquellen im Bild haben und doch düster sind. Sie leben von einer Farbe oder dem Kontrast zweier Farben. Der Semmering im braunen Herbst, in dem schon Schnee gefallen ist, oder ein angedeutetes Rattenberg, das auf den Sommer wartet — mit diesen Bildern wird uns Harlfinger im Gedächtnis bleiben. Man vermißt die Angabe der Jahre, in denen die Bilder geschaffen wurden.

„Kunst und Widerstand", eine Ausstellung im Gartenpavillon des Künstlerhauses: Bilder, die aus dem Geist der Widerstandsbewegung entstanden sind, Gemälde, Zeichnungen, Denkmäler und Skulpturen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Holland, Italien, Oesterreich, Rumänien und der Tschechoslowakei sind hier zu sehen. Es ist eine tragische Ausstellung. Sie ist so überfüllt (die Bilder hängen oft in drei Reihen übereinander) und so schlecht gegliedert, als sei sie in einen Luftschutzkeller verlagert oder für einen Ausverkauf aufgestellt. Hätte man sich nicht auf weniger Werke beschränken können, wenn man schon keinen würdigeren Raum fand ? Das wäre leicht möglich gewesen. Denn viele der Bilder sind zwar als Zeitdokumente echt, aber künstlerisch ohne Aussage. Da sind Karikaturen und gezeichnete Leitartikel, die einmal kämpferische Bedeutung hatten, heute aber nichts mehr sagen. Einige große Namen sind in der Ausstellung vertreten, vor allem aus Frankreich und Italien. Diese beiden Länder haben überhaupt die wesentlichsten Werke geschickt. Trotzdem aber darf nicht von der Entstehung eines eigenen Kunststils,

der mit „veralternden Formen" bricht, gesprochen werden (wie es der flüchtig gemachte Katalog tut). Zu viele der Werke sind gerade diesen Konventionen verhaftet — bestenfalls vitaler Naturalismus — und nur durch ihre lautere Gesinnung akzeptabel. Eine Ausstellung, die die Kunst des Widerstandes zeigt, muß überhaupt etwas Anonymes haben. So wie damals der, der sich einreihte in die Widerstandsbewegung, seinen Namen aufgab, um einer Sache zu dienen, so entäußert sich der Künstler, der sich einer großen allgemeinen Aufgabe verschreibt als einer unter vielen, des persönlichen Ehrgeizes, ohne daß er sich deswegen selbst verlieren müßte. Dieses anonyme Element, das vom Inhaltlichen her bestimmt wird, mag auch manche zu dem Irrtum verleitet haben, daß es sich hier um einen einheitlichen Kunststil bandle. Eine solche Ausstellung entzieht sich den Kriterien des Kunstkritikers. Sie gibt das erschrek- kende Bild einer kalten Ruinenwelt, einer Welt, die keine Ordnung mehr hat, nur Chaos und Leere, und sie sagt: i h r habt das gemacht. Aber sie spricht nicht, sie schreit mit harter, greller Stimme. Sie erschreckt und sie erschütttert, weil in ihr noch einmal eine Zeit aufsteht, die wir überwunden glauben. Aber das soll sie ja auch.

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