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Alte Schätze, junge Talente

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Die italienische Graphik wurde in ihrer Bedeutung, mit vielleicht der Ausnahme Maroantonio Raimondis, bisher immer unter die deutsche gestellt, besonders jene des 16. Jahrhunderts. Dieses aus — wie man fürchten muß — Unkenntnis, Provinzialismus und Nationalismus geprägte und gelehrte Bild kann nichts besser zerstören als ein Besuch in der großartigen und überreichen Ausstellung der Albertina, die als dritte Ausstellung in der Reihe „Die Kunst der Graphik” nun nach dem „Zeitalter Albrecht Dürers”, bis zum 18. Mai die „Renaissance in Italien” zeigt. In 363 Blättern, die von einer unerhörten Blüte der Radier- und Holzschneidekunst, meist zu Reproduktionszwecken, zeugen, kann man die ganze Entwicklung vom abklingenden Quattrocento bis zum Frühbarock, von Zoan Andrea bis zu Agostino Carracci und Federico Barocci, beobachten, den tiefen Wandel von graphischen und malerischen Anschauungen in dieser für die Kunst so hochbedeutsamen Zeit, die in Italien durch die Namen Lionardo, Tizian, Veronese, Correggio, Raffael, Michelangelo und Tintoretto charakterisiert wird. Man kann auch den Einfluß des Nordens, vor allem Dürers, beobachten, der vorwiegend in der Technik und der Übernahme bizarrer Motive und Partien besteht, aber auch feststellen, wie bewußt nun das Erbgut der Antike zu neuem Leben erweckt wird. Die Ausstellung, die unmöglich in nur einem Besuch zu bewältigen ist, schenkt daneben neue Einsichten und Entdeckungen, wie etwa jene über die Bedeutung Giulio und Domenico Campagnolas, die wichtige Stellung Marcantons und die Größe Tizians auch in der Graphik, die Reize des Meisters IB, die Clairobscur-Holz- schnitte von Ugo da Carpi und Domenico Beccafumi, der sich als ein den Maler weit überragender Graphiker erweist, die geheimnisvolle Faszination des Meisters L. D. (Leon Davent?), der sich als großartiger Künstler zeigt, die Arbeiten von Etienne Duperac und Palma Gio- vane, von G. B. Fontana, Procaccini und Barocci, von Pierre Millan und Cherubino Alberti. Eine prachtvolle Ausstellung, die jeder besuchen sollte.

Das Thema der Ausstellung in der Galerie Würthle Architektur in Zeichnungen und Aquarellen”, ein reizvolles und faszinierendes Thema, hat leider eine sehr freizügige Auslegung des Begriffes „Urkunst” erfahren, denn nicht jeder Stadel oder jede Feuermauer ist schon Architektur. Eindeutig dominiert wird sie durch die schöne Zeichnung von „Notre Dame” von Herbert Boeckl, der auch noch durch ein „Parthenon” und die frühen „Dächer von Friesach” vertreten ist Soviel Architektur wie diese Zeichnung besitzen die wenigsten Arbeiten, die im oberen Stock oft von sehr schwankender Qualität sind. Zwischen Boeckl, den beiden Alts und Delaunay spannt sich ein Bogen, an dien noch Kurt Moldovan, Alfred Karger, Josef Dobrowsky, Ferdinand Stransky, Wilhelm Thöny und Edda Wotawa allenfalls heranreichen. Eine leise Enttäuschung.

Der „Pop-Art” sind die Bilder des Grazers Günter Waldorf in der Galerie auf der Stubenbastei zuzurechnen, der sich in ihnen mit elegantem Geschick aus seinem bisherigen ungegenständl/ichen Kredo löst. Sie oszillieren sehr deutlich zwischen Bacon, Thony und Jugendstil, besitzen aber dekoratives Raffinement und Witz. Die Landschaften in Jugoslawien scheinen eher aus grüner Zellwolle denn aus Bäumen und Sträuchem zu bestehen. Die Begabung Waldorfs für die Karikatur ist nicht zu übersehen. (Bis 12. März.)

Sehr ansprechende dekorative Leistungen, die ein stärkeres Empfinden für farbiges Raffinement und farbige Nuancen als für die Form verraten, zeigte Liselotte Beschomer in ihren „Schichtenbildem” in der Secession, die aus saugfähigem, in Farbe getränktem Papier zusammengestellt sind. Manche haben starke poetische Evokation, alle zeugen vom sehr kultivierten Geschmack der Künstlerin. Die beste Ausstellung der Woche.

Auch die Bilder von Karl Most- böck in der Galerie „Autodidakt” verraten farbige Sensibilität. Ihre Formen aber sind zu unpräzise und unrhythmisch, um den Bildern Spannung zu geben. Mostböck müßte für seine koloristische Begabung entweder andere Ausdrucksmöglichkeiten finden, sie durch Naturstudium disziplinieren oder einer strengen Geometrie unterwerfen.

In der österreichischen Staatsdruckerei zeigte Emst Schrom sehr gekonnte Temperabilder von Landschaften, die, obzwar etwas zur Buntheit neigend, viel Atmosphäre und Lebendigkeit besaßen. Den Ölbildern und Graphiken fehlte die formale Differenzierung. Am besten: „Aus der Vorstadt”

Im Künstlerhaus sind in einer großen Ausstellung die Leistungen der künstlerischen Volkshochschule” und der „Wiener Kunstschule” zu sehen. Die Erziehungsarbeit, die hier vor allem durch die aufopferungsvolle Arbeit von Frau Prof. Gerda Matejka-Felden — die man gleichzeitig zu ihrem 65. Geburtstag durch eine eindrucksvolle und aufschlußreiche Kollektive ehrt — geleistet wird, ist erstaunlich und beachtlich. Leider verbietet es Platzmangel, auf diese instruktive Ausstellung einzugehen, es sei nur besonders auf die ansprechenden Leistungen auf dem Gebiet der Gebrauchsgraphik, Aktzeichnung, Plastik und Bildnismalerei hingewiesen.

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