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Kunst von heute und gestern

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Dem verantwortungsbewußten Kunstkritiker wird es heute nicht leicht gemadat, zur Gegenwartskunst Stellung zu nehmen, weil sich einerseits die sogenannte „junge” Kunst in zum Teil recht ausgefahrenen Geleisen bewegt und andererseits die wirtschaftliche Notlage der Künstler vor allzu harten Urteilen zurückschrecken läßt, die leider nur zu oft berechtigt wären, weil es vielen jungen Künstlern ebensosehr an Selbstkritik fehlt wie an wirklichem Können.

Daher bedeutet eine kleine Ausstellung der „N euen Galerie” eine erfreuliche Ausnahme, da sie mit zwei Künstlern bekanntmacht, die in Wien bisher unbekannt waren, sich aber in Hinkunft eine beachtliche Stellung im heimischen Kunstleben sichern dürften. Der Maler Fritz Fröhlich aus Ottensheiro in Ober- österreidi kommt nicht nur landschaftsbedingt aus der Heimat Kubins, sondern auch in seiner geistigen Haltung, obwohl er als schöpferischer Künstler durchaus selbständig ist. Erstaunlich ist die Vielfalt seiner künstlerischen Ausdrucks- möglidikeiten, erstaunlich aber auch die Reife seiner graphischen und malerischen Technik, die ihn aus der großen Schar der Suchenden in die kleine Gruppe der wirklichen Könner emporhebt.

Seme graphischen Blätter mit ihrer fast nachtwandlerischen Sicherheit der Zeichnung, ihrer expressiven Kraft, die sich mit malerischer Wirkung paart, gehören zum Besten, was seit langer Zeit in Wiener Ausstellungen zu sehen war. In seinen Landschaftsaquarellen, die in der Leuchtkraft der Farben und in ihrer brillanten Technik zuweilen an beste ostasiatische Landschaftskunst gemahnen, erweist sich Fröhlich gleichfalls als starke Begabung. Seine Ölkompositionen sind zumeist religiösen Themen gewidmet, die ihm, der jedem Materialismus abhold ist, in ihren geistigen Gegebenheiten am stärksten entgegenkommeii. Während er in der Graphik und im Aquarell bereits sein ureigenstes Gesicht hat, ist er hier noch ein mit Stoff und Materie Ringender, der aber schon durch die große Konzeption und durch die starke Empfindung, die aus diesen Bildern zum Beschauer spricht, Beachtung erzwingt.

Der Wiener Max Grote n, Fröhlich? Ausstellungspartner, ist ganz anders geartet als der oberösterreichische Künstler. Das menschliche Antlitz, der menschliche Körper dienen ihm zum Vorwurf für seine kraftvollen, an Werkzeichnungen eines Bildhauers erinnernden Blätter, die aber fast immer von einer starken Ausdruckskraft erfüllt sind, die sich in einigen Blättern, wie im „Gebet” oder im „Schmerz”, zu erschütternder Ausdruckskunst steigert. Hier ist nichts Spielerisches, nichts modisch Intellektuelles, sondern das Gestalten eines Künstlers, der imstande ist, menschliches Erleben ins Typische, Zeitlose zu steigern.

Während in dieser interessanten Ausstellung die Bekanntschaft mit zwei jungen, aufstrebenden Künstlern vermittelt wird, bringt die „Albe r- cina” eine graphische Schau von Werken von Klimt, Kampmann undjosephson. Sosehr man immer erfreut ist, Blätter dieses Wiener Meisters zu sehen, der als Graphiker durch die Sicherheit der Zeichnung und durch die unendliche Grazie der figuralen Darstellung bezaubert, sosehr muß man sich darüber wundern, daß man sein Werk neben den Blättern zweier Künstler zur Schau stellt, die als Geisteskranke doch nicht mit kritischem Maßstab gemessen werden können. Der Schwede Josephson war 20 Jahre geisteskrank, eine Tatsache, die sich in keiner seiner Arbeiten verleugnet. Wenn sich in Josephsons Blättern, der 1903 gestorben ist, Anklänge an den späteren Picasso und andere Vertreter moderner Kunstrichtungen finden, wenn deren Formenwelt in den typischen Blättern dieses Irren vorgeahnt wird, dann war es ein gefährlicher Versuch, Zeichnungen dieser Art auszustellen, weil man den Gegnern moderner Kunstrichtungen dadurch nur allzu berechtigten Anlaß zu logischen Folgerungen gibt.

Das gleiche gilt für die Blätter Kampmanns, dieses zweifellos hochbegabten Graphikers, der nach 1933 als untragbar erklärt wurde und in seiner erzwungenen Arbeitslosigkeit dem Irresein verfiel, das sich in seinen oft geradezu kindisch-unbeholfenen Graphiken manifestiert. Dr. Benesch, der so verdienstvolle Leiter der „Albertina”, hat der neuen Kunst mit dieser Ausstellung keinen D-enst erwiesen.

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