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Moaotypien

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In der reich verästelten Kunst der Graphik gibt es einen Zweig, dessen Pflege nur von einer sehr geringen Zahl von Künstlern gewahrt wird und dessen Blüten man nur selten zu Gesicht bekommt: die Mo-notypie. Dieses graphische Verfahren ist so wenig bekannt, daß es durchaus einleuchtet, wenn, sich beim Aufklingen der Bezeichnung Monotypie zunächst und vordringlich die Frage einstellt, mit welcher Gattung der graphischen Kunst man es bei ihr eigentlich zu tun habe Die Monotypie, soviel sei gleich gesagt, ist weder mit dem Tiefdruck, also etwa der Radierung oder dem Stich, noch mit dem Hochdruck, demnach mit dem Holz- oder Metallschnitt irgendwie verwandt, ja, sie bildet innerhalb des Flachdrucks, zu dem sie am ehesten zu zählen wäre, einen Sonderfall, sie ist ein Grenzfall zwischen Malerei und Graphik überhaupt.

Unter jenen Künstlern, die in der Monotypie eine geradezu unerhörte Virtuosität bekunden, nimmt der Wiener Radierer-Maler Ferdinand Eckhardt einen, bedeutenden Rang ein. Aus. seinen vielen Blättern kann ohne Mühe die Einsicht gewonnen Werden, daß gemalt wurde„ und zwar meist mit sehr grobschlächtigem Zeug. Der breite Pinsel und die Spachtel, deren sich der Künstler augenscheinlich bediente, wurden mit unbeirrfer Geschicklichkeit und treff'icher Sicherheit, gehind-habt. Es sieht alles nach größter Selbst-

Verständlichkeit und wenig vergossenem Schweiß aus, eine Täuschung, der wir uns gerechterweise nicht hingeben wollen. Die kräftige und zügige Art, in der die erwähnten .Malmittel — und vielleicht noch andere? — verwendet. werden, führt zwingend zur Bevorzugung großer Formate. In engster und konsequenter Wechselwirkung hiezu stellt auch die Wahl des darzustellenden Objekts, der wiederzugebenden Motive. Diese thematische Gebundenheit sagt gerade Ferdinand Eckhardt sehr zu. Er, der auch in seinen Radierungen immer wieder bekundet, daß Bauwerke seinem künstlerischen Formungswillen am meisten behagen, wird zum förmlichen Echo des Saxa loquuntur Immer wieder begegnen wir daher in seinen Blättern Bauten, die ihr Entstehen fürstlicher, weltlicher oder geistlicher Munifizenz, verpflichtetem Adel oder einem kunstliebenden und daher auch beflissenen Bürgerturrie verdanken, Paläste, Kathedralen und bürgerliche Häuserzeilen. Vergangenheitkündender Stein, verwitterter Quader, rissige Schauflächen sind es, kura-um das Gesicht der Bauten, das wir in seinem Werk antreffen. Und je ehrfurchtgebietender die Runzeln sind, je mehr Geschichte aus ihnen zu lesen ist, mit um so tieferer Leidenschaft kommt ihnen das künstlerische Wesen Eckhardts entgegen. Bröckelnder Mörtelauftrag, klaffende Fugen im grobgefügten Bruchstein der Rustika, abgesprengte Gesimse, zerfressene Tor- und Fensterumrahmungen, alles, was die Zeit an Spuren an den Bauten geheiligter Stilalter zurückließ, ihnen als zeugnisgebende Runen einprägte, ist festgeha! cen. Die Betrachtung der meisten Eckhardtschen Blätter führt zwingend zum Schluß, daß sich gerade die Technik der Monotypie aufs vortrefflichste zur Darstellung des angeführten Stoffkreises eignet.

Wie von selbst stellt sich die gebrochene Linie ein. Es ist, als ob die Last der Jahrhunderte schwergewichtig auf die Baublöcke drückte, den ursprünglich reinen Linienfall in ein unruhiges Zickzack verwandelnd. Aufwühlend und bewegt wie alle Geschichte sind Eckhardts Monotypien. Von Franz Hals wird gesagt, seine Porträts sähen so aus, als ob seine Hand keinen Pinsel, sondern einen Degen geführt hätte. So forsch, wie mit kräftigen Hieben sei die Farbe hingesetzt, daß man meinen könne, der Maler habe sich auch nicht übel auf das Fechten verstanden. Sieht man die Eckhardtschen Gebäudeporträts an. hat man den gleichen Eindruck. Er führt uns zuweilen ganze Gruppen oder Häuserzeilen vor, Straßenzüge und schmale Grachten, und läßt uns aus stimmungsvollen Höfen in das Gewinkel alter raunender Gäßchen treten. Ihm gefallen diese schluchtartigen Durchbrüche und Engführungen in den Veduten. Prächtig sind auch seine Blicke von oben auf das Gewirr alter Dächer. Die Monotypie vermag es, hier föftilich Gobelins zu weben. Eine großartige Behandlung erfährt das über allem Schwebende, die Luft, die Wolke durch Eckhardt, sie ist durchaus nichts Nebensächliches, sondern gehört sehr wesentlich zum Bilde.

Das Themengebiet Ferdinand Eckhardts ist mit dem Aufgezählten keineswegs erschöpft. Aber seine Vorliebe gehört gewiß dem Antlitz der Städte, vornehmlich dem ehrwürdigen unserer österreichischen.

Am 21. August 1876 in Wien geboren, wendet sich Ferdinand Eckhardt in jungen Jahren der Musik zu. Ein hier doppelt grausames Mißgeschick befällt ihn: er verliert zum Teil das Gehör. Aber in ihm ruht noch eine zweite Begabung, die sich zunächst noch nicht in deutlicher Klarheit zeigen will. Es sind tastende Versuche in der Malerei, die vorerst angestellt werden, und zwar in der Ölmalerei. Die Selbstkritik ist glücklicherweise größer als das Können. Eckhardt strebt bald jenem Bereich zu, für den er bestimmt war und auf dem er es auch zu namhaften Erfolgen bringt. Er wird Schüler Ludwig Michaleks und radiert in allen Techniken. Bald ringt er sich zu einer für ihn kennzeichnenden Art der Strichgebung durch. Zahlreiche Kabinette und Sammlungen, darunter unsere Albertina, haben Blätter seiner Hand erworben. Eines Tages aber tut er doch noch einen Schritt zurück ins Jugendland: er beginnt zu aquarellieren und betritt auch den Boden sozusagen graphischen Neulandes, wendet sich dem wenig geübten Verfahren des Monotypierens zu. Und dieses Neuland wird ihm zur Domäne. Hier wird seine Meisterschaft kaum bestritten werden.

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