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Anerkannt - und doch verkannt

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Man kann dem österreichischen Kunstpublikum, und auch unseren Kunstbehörden, sicher nicht vorwerfen, den Maler Karl Anton Wolf zu vernachlässigen. Obwohl die Ausstellungseröffnungen einander jagen, fand die Kollektion der zum Teil sehr großformatigen Gemälde, die er in den letzten Jahren geschaffen hat und die bis 28. Mai in der Wiener Junior-Galerie, Seilerstätte 22, zu sehen sind, das Interesse, das ihnen gebührt. Trotzdem gibt es ein Informationsmanko in Sachen Karl Anton Wolf - beim Kunstpublikum, auch dem, das ihn zu kennen meint, ebenso wie bei den öffentlichen Stellen.

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Man kann dem österreichischen Kunstpublikum, und auch unseren Kunstbehörden, sicher nicht vorwerfen, den Maler Karl Anton Wolf zu vernachlässigen. Obwohl die Ausstellungseröffnungen einander jagen, fand die Kollektion der zum Teil sehr großformatigen Gemälde, die er in den letzten Jahren geschaffen hat und die bis 28. Mai in der Wiener Junior-Galerie, Seilerstätte 22, zu sehen sind, das Interesse, das ihnen gebührt. Trotzdem gibt es ein Informationsmanko in Sachen Karl Anton Wolf - beim Kunstpublikum, auch dem, das ihn zu kennen meint, ebenso wie bei den öffentlichen Stellen.

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Denn noch immer steht der Bildhauer K. A. Wolf im Schatten des gleichnamigen Malers. Der Monumentalbildhauer K. A. Wolf wiederum steht im Schatten des sich mit kleineren Formaten (und Metallgewichten) Begnügenden, den man mit der Widmung einiger öffentlicher, aber doch zweitrangiger Aufstellungsorte hinreichend bedacht zu haben meint Der ganze Künstler K. A. Wolf, der Maler wie der Bildhauer, steht noch immer etwas im Schatten ursprünglich vielleicht publicitywirksamer, aber vorschneller Etikettierungen, wie „Autodidakt”, „Außenseiter”, „malender Kaffeehausbesitzer”.

Alles das war zutreffend, weil Wolf diese Stationen durchlaufen hat: Ein musischer Mensch war er immer, komponiert, geschrieben und hin und wieder gemalt hat er auch schon lange, der Sprung aus einer - durchaus erfolgreichen - bürgerlichen Existenz in die materielle und emotionelle Unsicherheit eines Lebens zunächst nur als freischaffender Maler war Sache einer sehr plötzlichen, von innen kommenden Entscheidung, und das vielzitierte, mittlerweüe verpachtete Kaffeehaus so etwas wie ein Übergang, ein letztes Fangnetz auf dem Weg in eine ökonomisch eher abenteuerliche Existenz.

Sein künstlerisches Temperament ist eruptiv, vulkanisch. Von Zeit zu Zeit bricht ein neuer Krater auf, und was dann ans Licht gelangt, löst zunächst Verwunderung, Ratlosigkeit, ja Befremden aus, bevor es akzeptiert wird. Nicht, daß er jemals echte Ablehnung erfahren hätte. Im Gegenteil. Der ‘erste schwere Anfall von Malwut, die Entdeckung der noch feuchten, in unglaublich kurzer Zeit entstandenen Bilder durch Experten wie Gärtner, Novotny und Griesmaier und die erste große Personalausstellung im Mu seum auf dem Stubenring - das tilles spielte sich zwischen Frühjahr 1953 und Frühjahr 1954 ab. Sechs Jahre später, im Sommer 1960, baut er in einem Schuppen in Sankt Margarethen im Burgenland (unweit von den kurze Zeit vorher initiierten Bildhauer- Symposien im Sankt Margarethener Steinbruch) aus altem Eisen, Brettern und Ölfarbe ein seltsames Gebilde zusammen, das er „Barrikade gegen die Dämonen” nennt.

Seither, und in den letzten Jahren zunehmend, muß es sich der jeweilige „alte Wolf’ periodisch gefallen lassen, gegen den jeweiligen „neuen Wolf” in Schutz genommen zu werden, denn dieser Künstler verliert unweigerlich von Zeit zu Zeit die Lust an dem, was er gerade tut. Kehrt dabei freilich zwischendurch immer wieder zur Malerei zurück. Und bleibt auch seinen grundsätzlichen Positionen treu. Er läßt sich, weil es ohne Etiketten nun einmal schwer geht, als „expressiver Symbolist” einstufen, aber auch ohne ein gewisses G’spür für die Magie der Farben, Formen, Zahlen, Symbole kaum verstehen, ob er nun in der seltsam gebrochenen, gleichsam in Abkühlung, in Erstarrung begriffenen Glut der für ihn typischen Palette schwarze Fallen zuschnappen oder bei Waagner-Birö einen 40 Tonnen schweren „Pannonischen Altar” gießen läßt oder aus Holz gefertigte, vielarmige Maschinen- und Marsmenschen-Asso- ziationen auslösende Gebilde eigenhändig mit Blei plattiert (damit ist er jetzt gerade beschäftigt).

Die Ausstellung der Junior-Galerie läßt eine ruhige, folgerichtige Entwicklung des Malers Wolf erkennen. Was hier hängt, ist, wie das vorangegangene malerische Werk, voll anerkannt, akzeptiert, eingemeindet Ähn-liches gilt für die kleineren und mittleren Stahlgußarbeiten, vor allem die früheren. Nicht nur Alfred Schmeller hält die 1973 entstandenen „sieben Altäre der Bretagne” für Wolfs Hauptwerk.

Die volle Wucht der sich in einem krampfhaften Wegschauen der Experten ausdrückenden allgemeinen Ratlosigkeit trifft vorerst noch die allerdings ihrerseits sehr wuchtigen Mo- numentalplastiken. Aus zwei Gründen wäre es aber von Wichtigkeit, den Prozeß vorsichtiger Annäherung an das, was da entstanden ist, abzukürzen. Der eine Grund: Wolf ist zwar einer, der für seine künstlerische Selbstverwirklichung gern seine materiellen Ansprüche zurückschraubt, sofern er überhaupt welche hat, aber Stahlgüsse in der Größenordnung von fünfzig Tonnen im einen und vierzig im anderen Fall verursachen Kosten im Grenzbereich der sechs- und siebenstelligen Zahlen. Wolf hat diese Gußkosten mit dem Verkauf kleinerer und mittlerer Arbeiten selbst finanziert, aber ein Weiterschreiten auf diesem Wg hätte zur Voraussetzung, daß für die vorhandenen beiden Großplastiken ihnen entsprechende Aufstellungsorte auf öffentlichen Plätzen gefunden werden.

Der andere Grund: Karl Anton Wolf wird demnächst 69 Jahre alt, und das bedeutet einen direkten Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit der öffentlichen Meinungsbildung über die Bedeutung seines monumentalen Spätwerkes und dem Ausmaß dessen, was ihm noch zu schaffen vergönnt ist Er ist noch für eine erhebliche Weiterentwicklung, für ein imposantes Spätwerk gut Es ist gerade die Disparität, die Spannung, fast könnte man von einem Bruch sprechen, die zwischen den beiden fertiggestellten Monumentalwerken besteht die darauf hindeutet daß hier eine Entwicklung im Gang ist Werdendes zum Ausdruck drängt.

Für mindestens eine Plastik von Karl Anton Wolf gibt es bereits den idealen Aufstellungort, weil sie das Werk für diesen Ort ist: Wir meinen den Platz vor dem UNIDO-Bau. Die Entscheidung, welches Werk dort aufgestellt oder wem ein Auftrag erteilt werden soll, sollte nicht ohne vorhergehenden Lokalaugenschein im Prater-Atelier Wolfs getroffen werden.

Der Platz vor diesem Atelier füllt sich immer mehr mit Figuren, die in zufälliger Anordnung herumstehen - was auch seinen artifiziellen Reiz hat, aber doch nicht der Zweck der Übung ist, anderseits es aber erleichtern dürfte, zu einer Meinung über die Bedeutung dieser erratischen Kunstgebilde in der österreichischen Kulturlandschaft zu gelangen. Sie scheint uns ziemlich erheblich zu sein. In Österreich ist ein Monumentalbildhauer vergleichbaren Kalibers heute jedenfalls nicht zu sehen…

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