6813144-1972_45_11.jpg
Digital In Arbeit

Faistauer und Fronius

Werbung
Werbung
Werbung

Die Österreichische Galerie im Belvedere zeigt seit vergangener Woche in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Wien und der Residenzgalerie Salzburg eine Ausstellung von Werken Anton Faist-auers, die im heurigen Sommer während der Festspielzeit bereits in Salzburg zu sehen war. Nach nahezu einem halben Jahrhundert scheint damit die Gelegenheit gegeben, das Lebenswerk eines Malers zu sichten, dessen Schaffen — auch als Kunstschriftsteller — bis zu seinem frühen Tode im Jahre 1930 große Anerkennung fand, dann aber, durch den Siegeszug des Expressionismus in Mitteleuropa und die Ächtung durch die Nationalsozialisten als „entartet“ abgewertet wurde und in den Hintergrund trat. Franz Fuhrmann weist in seiner eben im Residenz-Verlag Salzburg erschienenen Faist-auer-Monographie auf den Willen zur Ordnung und Klarheit hin, der das Werk des Malers entscheidend bestimmte und seiner Haltung zur Tradition, vor allem zur französischen Malerie des 19. Jahrhunderts, entsprach.

Wie die Ausstellung zeigt, wurde Faistauer auch von der Malerei der großen Venezianer des 16. Jahrhunderts und den großen Fresken-malem der Frührenaissance Italiens beeinflußt. Auch das Vorbild Cezan-nes wird in einigen der Bilder bis zur Anlehnung und zum Zitat deutlich spürbar. Doch unterscheiden sich Faistauers Bilder von jenen des großen Vorläufers der Moderne grundlegend. Nicht nur durch die geminderte Intensität, mit der hier den plastischen Formen im Raum nachgespürt wird, was immer wieder zu Kompromißlösungen, etwa peinlichen Konturierungen — führt, sondern durch die, nicht wie bei Cezanne vom Impressionismus, sondern von der Valeurmalerei, der Lokalfarbe her bestimmten Farbigkeit, deren sinnlicher Auftrag zwar die „bonne peinture“ der Franzosen verwirklicht, aber im Gegensatz zu den „taches“ Cezannes eine durchaus traditionelle, mit Hell-Dunkel-Werten arbeitende Schichtenmalerei darstellt. Faistauers meist sonorer Kolorismus weist eher und in frühen Bildern direkt und unmittelbar auf die Patenschaft Karl Schuchs, manchmal auch im negativen Sinn durch die schwüle Üppigkeit der Farbe, auf Makart hin. Bei den Zeitgenossen ergeben sich Verwandtschaft oder Berührungspunkte etwa mit Andersen, Kitt und Dobrovsky, entfernt auch mit Hodler, Derain und Kisling. Faistauers Malerei, die, stark eklektisch und rückwärts gewandt, sich im Genuß kultivierten Handwerks erfüllte, hing mehr am schönen Schein der Dinge als an der Offenlegung ihres Wesens und bewahrte Formen, die nicht nur längst schon in Frage gestellt, sondern radikal verwandelt worden waren. Keineswegs auf dem Boden der Entwicklung einer neuen Zeit stehend, hängt sie im wesentlichen präimpressionistischen Vorstellungen nach. Daß Faistauers Malerei teilweise, vor allem im Frühwerk, dennoch sympathisch berührt, liegt an der spürbaren Begabung, dem Können und der großen Bemühung, mit denen hier ein Spätgeborener einem durch 'ihn nicht zu verwirklichenden großen Ziel nachhing.

Aus Anlaß des 70. Geburtstages von Hans Fronius, den der bekannte Graphiker und Maler am 12. September 1973 feiert, zeigt die Wiener Graphische Sammlung Albertina eine umfassende Auswahl aus den letzten fünfzig Jahren seines graphischen Schaffens. Fronius, durch die Mutter mit der Wiener Künstlerfamilie Passini verwandt, wurde als Sohn eines siebenbürgischen Arztes in Sarajevo geboren. Von 1922 bis 1928 studierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Sterrer und . Delug. Die starke Beziehung zur Literatur, aus der Fronius später seine entscheidendsten Anregungen schöpfen sollte, wird in der Ausstellung bereits aus Blättern vor der Akademiezeit deutlich, die unter dem Eindruck von Büchners „Dantons Tod“ entstanden. Um 1930 setzte dann die entscheidende Entwicklung ein, mit Zeichnungen zu Kafka und Dostojewskij und einigen Landschaften: Zeichnungen, die bereits die ganze geistige und formale Welt des Künstlers im Keim in sich tragen. Vor allem die frühe Begegnung mit dem Werk Kafkas scheint Fronius entscheidend beeinflußt zu haben: das Existentielle und Doppelbödige der Parabeln erhält bei ihm eine stark expressive, stimmungs-hafte Ausdeutung. Daß Alfred Kubin an diesem Wendepunkt entscheidend einwirkte, ist anzunehmen, doch entwickelte Fronius eine stärker das Malerische in Tonwerten bevorzugende Zeichnung. Daher wirken auch die Kreidezeichnungen, Monotypien und Lithographien am stärksten in der 340 Blätter umfassenden Austeilung. Weniger schon die Radierungen und lavierten Federzeichnungen, während der Holzschnitt ihm ein wesensfremdes Medium zu sein scheint. Uberblickt man das Gesamtwerk, wie es sich in der Albertina präsentiert, so kann man vielleicht sagen, daß es im Wesentlichen auf drei Pfeilern ruht: den Illustrationen, unter denen den Kreidezeichnungen der Vorzug zu geben ist, den in der Stimmung etwas monotonen Landschaften und den imaginären Porträts, die mit ihnen zusammen die stärksten Leistungen darstellen, weil sie bei gleichbleibender expressionistischer Grundhaltung die geschlossenste Umsetzung eines In- oder Vorbildes sind. In ihnen erscheint wesentlich stärker alles das gesammelt, was in den Illustrationen, freizügig inter-pretativ, manchmal zu stark auf das Dramatische und Theatralische bezogen wird. Auf die Ausstellung der Ölbilder des Jubilars, die für das nächste Jahr im Belvedere geplant ist, kann man nach der eindrucksvollen Schau in der Albertina gespannt sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung