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Meisterwerke der Plastik

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Unter diesem Titel stellt das Museum des 20. Jahrhunderts im Schweizer-Garten 39 Plastiken von 34 Bildhauern aus. Elf Plastiken stammen aus der museumseigenen Sammlung, sieben sind sehr gut gewählte Neuerwerbungen, der Rest Leihgaben der Modernen Galerie des Kunsthistorischen Museums, verschiedener, bis auf eine Ausnahme, Pariser Galerien und der ausstellenden Künstler selbst.

Der Zeitraum, den die übersichtlich und wirksam gestellte Ausstellung umfaßt, wird von Rodins Eva (1881) und Hoflehners Venus von Krieau (1964) Umrissen, die beide keine sehr befriedigenden Lösungen des Zentralthemas, der Dar-

stellung der menschlichen Figur, bieten: Sie sind zu sehr dem jeweils zeitgemäßen Akademismus verhaftet, Rodin dem gefälligen Realismus seiner Zeit, in der erwähnten Skulptur zumindest, und Hofleh- ner der glatten, nichtssagenden Abstraktion unserer Tage.

Die verschiedenen Themenkreise innerhalb des Zentralthemas: Kopf, Büste, Torso, Figur, erlauben einen interessanten Vergleich der einzelnen Bildhauer untereinander, sowohl hinsichtlich des eingeschlagenen Lösungswegs wie auch der qualitativen Gültigkeit. Die vorhin erwähnte Eva Rodins oder Maillols Gefesselte Kraft stellen den Anschluß an die realistische Tradition der Abbildung dar. Aber schon Rodins Götterbotin Iris, ein Jahrzehnt später entstanden als die Eva, und mit eine der stärksten Plastiken der Ausstellung, bringt etwas Neues. Es ist nicht leicht zu definieren, sowohl der Torso als Form (mißverstandene Antike, die in der Renaissance formale Bedeutung erlangt hat) wie auch als Abbildung sind noch traditionell. Es ist etwas in dem klaffenden Schritt, in dem expressiven Gehalt des dargestellten Sprungs, das zukunftsweisend ist, ohne allerdings in der Ausstellung selbst ein Gegenstück zu haben. Der vollkommen ruhende Frauentorso von Karl Hartung, 60 Jahre später, zeigt eine Schönheit der Ruhe und taktile Erotik der polierten Bronze, die in einem ganz anderen Sinn die durch die weibliche Figur aufgeworfenen Probleme der Darstellung lösen.

Zwei andere starke Eindrücke, der Kinderkopf von Brancusi und das Porträt des Professors Gosset von Duchamp-Villon repräsentieren die Reduktion des menschlichen Kopfes auf die Maske, die bei Brancusi mit weniger, bei Duchamp-Villon mit mehr Expression erfüllt ist. Lehmbrucks Denker zeigt in der delikaten Oberfläche des Steingusses wie auch Ausformung der Brustpartie und Hand das ganze Raffinement des Impressionismus, die überdimensionierte Stirn hingegen ist eine literarische, keine plastische Lösung.

Derains monolithischer Kauernder von 1907, ein anderer Höhepunkt der Ausstellung, zeigt eine nicht wiederholbare Leistung plastischer Reduktion aufs Monumentale. Keiner der anderen monolithischen Versuche, weder Jacobsens Sonnenfigur noch Habers Moses, weder Do- deignes „Die Qual“ noch Guerrinis Uomo croce verticale, allesamt rund ein halbes Jahrhundert später entstanden, erreichen diese Leistung auch nur annähernd. Der Konstruktivismus der expressionistischen Periode ist durch Belling und Schlemmer tpjbAie), Banalität und Ideenleere vertre- jUstV,;rjß(fr,,c üsenrachen des Amerikaners Roszak, dem Ursprung nach ebenfalls literarisch, ist nicht nur als konstruktive Möglichkeit — hier nicht polierte Bronze, sondern geschweißtes Eisen — einfallsreicher, sondern auch plastisch viel überzeugender. Max Emsts flächiger Einfall „Ein verirrter Chinese“ ist geistreich und von raffinierten Proportionen, die Juxta- position „Der verlorene Sohn“ von Roel d’Haese hingegen nur witzelnd.

Die menschliche Gestalt sieht man in einigen schönen Beispielen, von der expressiven Figur Giacomettis bis zu den Abstraktionen Wessel Couzijns (Der Philosoph, aus rinnender Bronze) und F.tienne-Martins (Das große Paar, die einzige Holzskulptur der Ausstellung). Giacomettis kleinere Bronzeplastik im Garten ist übrigens, obwohl ein schöneres Werk, nicht in die Ausstellung mit einbezogen. Die Titelfigur, Ossip Zadkines Detail aus dem Denkmal der zerstörten Stadt, eine der Neuerwerbungen, ist bei weitem gelungener, trotz der zuwenig gestalteten Hände, als Formen und Licht, eine andere figurative Plastik desselben Bildhauers. Vielleicht geht der Unterschied nur auf die zeitliche Diskrepanz zurück — hier Jugendwerk, dort reife künstlerische Leistung —, jedenfalls zeigt das Frühwerk deutlich die Gefahren der Abstraktion in formaler wie auch thematischer Hinsicht. Henry Moores Parze ist ebenfalls aus der ständigen Ausstellung im Garten mit einbezogen, von den Österreichern fügt sich Andreas Urteil mit seiner nach oben wie nach allen Seiten ausgreifenden, barocken Komposition Orpheus sehr eindrucksvoll der Reihe der mustergültigen Lösungen an. Sein Lehrer, Fritz Wotruba, zeigt nichts Neues, daher auch nichts Schlechtes: Die ruhenden länglichen Quader des Torsos zeigen dieselben ausgewogenen Proportionen wie eh und je. Insgesamt eine schöne Ausstel- JWMp tlie. en.fBesuch z 5 Ef!ifliV

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