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Graphik, Graphik

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Die Inflation in der zeitgenössischen Druckgraphik, ihre verwirrende Viel- und auch Einfalt (selbst im Raffinement), läßt sich am besten in der Ausstellung „Graphik 63 — Werke aus der Biennale Ljubljana“, die die Albertina zeigt, studieren. Mehr als 200 Blätter demonstrieren meist eminentes technisches Können, Geschmack und Spieltrieb, aber wenig an Gestaltung, Inhalt und Aussage. Fast 40 Nationen oder nationale Gruppen sind vertreten, von der UdSSR bis Hongkong, von Pakistan bis Österreich. Noch immer wirkt die Ecole de Paris mit Singier, Poliakoff, Friedländer und Arp am stärksten. Severim ist mit seinen „Harlekinen“ gut vertreten, Music dürftig. Bsadella, Debenjak, Bemik und Santomaso halten sich, Hayter enttäuscht. Chudomel

(CSSR) fällt durch Kraft und Konzentration auf, Appel kokettiert bereits mit der „Neuen Figuration“. Breuer, Hockney, Scott und Ikeda vermögen noch zu überzeugen. Die Österreicher Hrdlicka und Wucherer schneiden in der fast allgemeinen Leere erstaunlich gut ab. Die Ausstellung ist ein Dokument des Zuviels und Zuwenigs, die den Biennalgedanken heute zu einer zweifelhaften Errungenschaft gemacht haben.

In der österreichisch-Tschechoslowakischen Gesellschaft hingegen kann man die Bekanntschaft eines Graphikers machen, der besondere Aufmerksamkeit verdient. Frantisek Tichy (1896 bis 1961) war eine scharf profilierte Persönlichkeit, die sich durch Sensibilität und Präzision in seiner Graphik auszeichnete. In seinen Blättern mischt sich Groteskes mit jener undefinierbaren grausamen Unheimlichkeit, die ein Prager Erbteil zu sein scheint. Die Commedia dell’arte wird bei ihm zu einem bizarren Lebensspiel, seine Clowns, Zauberer und Varietefiguren Anlaß zu metamorphen, mehrdeutigen Gestalten. Blätter, wie „Christus auf dem ölberg“, „Stilleben mit Schädel“, „Paganini-Variationen“ und viele andere, haben jene starke Suggestionskraft, die nur wenigen gegeben ist. In ihrer Konzentration übertrifft diese Schau bei weitem die Belanglosigkeiten in der Albertina.

Im Internationalen Künstlerclub des Palais Palfjy überzeugen die Holzschnitte von Kurt Ammann. Wenn ihnen auch noch eine eindeutige räumliche Figuration fehlt, so ist an ihnen doch ein aus dem Material und seinem Widerstand erwachsender Formgedanke festzustellen. Die Mischtechnikblätter sind — mit plumpen Reizen — zu überladen. Die „Gruppe“, „Figur mit Mond“, „Zwei Idole I“ vermögen sich gegen die Klarheit der Holzschnitte noch zu halten. Im ganzen eine erfreuliche Visitenkarte.

Der Schweizer Guldenschuh, der in der Galerie Fuchs ausstellt, zeigt in seinen Graphiken zwar eine eigene Vorstellungswelt, aber noch keine eigene Formwelt. Seine Köpfe und Akte haben zuwenig Zeichnung — wo bleibt der Raum? —, und die Anregungen stammen von Hun- ziker über Chagall bis zu Picasso und Corinth. Seiner illustrativen Begabung täte etwas Strenge gut, er ist jedoch auf einem Weg, der bei Disziplinierung und Vertiefung seiner poetischen Ironie eine gewisse Tragkraft schenken könnte.

Die den Neuerwerbungen 1963 gewidmete Ausstellung im Niederösterreichischen Landesmuseum ist beachtlich. Man ‘ findet in’ilw schöne Ornamerttfenstdr aw Heiligenkreüz (frühes 13. Jahrhundert — warum aus dem Kreuzgang ausgelöst?), einen „Nachfolger des Schottenmeisters“ — viel primitiver, bäuerlicher, einen „Meister der Donauschule“ —, sehr bäuerlich und plump, einen Rottmayr, Troger und Sigrist, der letztere durch seine Maulpertsch-Nähe interessanter, drei Kremser-Schmidts, unter denen die „Mutter mit Kind“ hervorragt, Rudolf von Alt mit dem „Ahnensaal von Burg Liechtenstein“ typisch und mit dem „Rathaus in Mödling“ bestens vertreten, Theodor von Hörmann und nicht weniger als drei Emil Jakob Schindler, von denen der „Buchenwald“ und die „Mühle“ am besten sind. Von Schiele ist das „Hafenbild“ mit seinen Gratturen interessant, sein „Selbstbildnis“ im plastischen Unvermögen ein Dokument und eine Rarität. Das frühgotische Steinrelief aus Wölkersdorf ist in seinem Zusammenhang mit Bogomilenplastik bemerkenswert.

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