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Bewegtheit des KOrpers und der Seele

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Di Ausstellung eines Bruchteils des Lebenswerkes Martin Johann Schmidts, genannt der „Kremser-Schmidt“, in der restaurierten Minoritenkirche zu Stein ist fast zü einer Art von kunsthietorischen Sensation geworden, die das Wiener Kunstpublikum in Scharen nach Krems lodct. Nun, um es geradeheraus zu sagen: einer von den Giganten in der europäischen Malerei ist der brave „Kremser-Schmidt“, Sohn eines aus Frankfurt am Main eingewanderten Bildhauers, sicherlich nidit gewesen. Aber er war ein außerordentlich fruchtbarer Maler — •ein bisher bekanntes Oeuvre umfaßt nicht weniger als 2000 meistenteils ziemlich umfangreiche Werke, die Ausstellung 207 Nummern —, und er war innerhalb seiner Grenzen ein auffällig eigenartiger Künstler, der den Charakter seiner Kunst unverändert durch das wandlungsreiche 18. Jahrhundert zu bewahren wußte. 1718 geboren und erst 1801 — also vor 150 Jahren — gestorben, blieb er sein Leben lang ein Barockmaler; die kühle und sparsame Gehaltenheit des Klassizismus ist ihm durchaus fremd gewesen; selten, daß im Hintergrund eines späten Gemäldes, etwa in Nr. 79 der Ausstellung, schwache Anklänge an die damals modische Sprödigkeit sichtbar werden. Eher ließen ich in manchen intimeren Bildern, einem Familienporträt etwa, gewisse vorbieder-meierliche Elemente nachweisen. Aber der Grundzug dieser Kunst war und blieb barock, mag man von Schmidts starkfarbigen und ein wenig derben Jugendarbeiten sprechen oder von den weitaus innerlicheren dunklen Bildern aus der Zeit nach 1760, aus denen die zarten, lichtverklärten Gestalten der Muttergottes, der Heiligen oder Engel aufsteigen, mit denen Martin Johann Schmidt in das Gedächtnis seines Volkes eingegangen ist, durch die er sich eine Volkstümlichkeit erworben hat, wie sie in solchem Maße wohl noch keinem anderen österreichischen Barockmaler zuteil geworden ist. Man versteht sie wohl, wenn man die innerliche und äußerliche Bewegtheit seiner Bilder auf sich wirken läßt, die schlichte und leidenschaftliche Anteilnahme des Künstlers an den Themen seines frommen Werkes nachempfindet. Oder wohl auch die organische Verwurzelung des Künstlers, in seiner Landschaft erkennt: da gibt es unter seinen Zeichnungen einige,das „Brustbild einer Jungen Frau mit Haube“ (Nr. 134) zum Beispiel, vor denen man unwillkürlich an österreichische Werke der „Donau6chule“ um 1550 denkt, deren man einige im Museum der Stadt Krems studieren kann. Und das ist ein schöner Beweis für den natürlichen Einfluß, den die Landschaft über die Zeiten hinweg auf die Künstler ausübt, die in ihr leben. — Der Kunstkritiker, der auch von jahrhundertealten Gemälden nicht ganz zum Schweigen gebracht werden kann, hat noch zu bemerken, daß die bestgemalten Bilder des „Kremser-Schmidt“ zweifellos jene kleinen Entwürfe sind, auf Grund derer die Verträge für die großen Altarbilder geschlossen wurden; da herrscht ein kühner und fast großartiger malerischer Impetus, der bisweilen an den Größten der Ostereichischen Barockmaler, an Maulpertsch, denken läßt. Von besonderem Reiz schließlich sind einige andere Werke, in denen eine fast kindliche Naivität zum Vorschein kommt, die beinahe an „ganz Moderne“ denken läßt: die „Kartenspielenden Kinder“ und die „Eremiten“ gehören hieher (Nr. 95 und 43).

Ein Kapitel für sich wäre über die beispielhafte Restauration zu schreiben, die man der ehemaligen Minoritenkirche angedeihen ließ, und mit der man, um es kurz zu sagen, einen der schönsten früh- und hochgotischen Kirchenräume, die es in Osterreich gibt, wiederherstellte. (Er hatte seit seiner Säkularisation unter Joseph II. als Tabakmagazin gedient und war durch zahlreiche Einbauten und Aufschüttungen ganz und gar entstellt worden.) Bei dieser Gelegenheit tauchten zur Überraschung der Restauratoren große und sehr gut erhaltene Fresken auf, deren schönste und bewunderungswürdigste zweifellos ein Cruzifixus (um 1350) an der Nordwand des Chores ist. Er dürfte von der Hand eines Italieners stammen und — seltsam sind die Schicksale solcher Kunstwerke — den großen Verlust, den die kirchliche Kun6t unseres Landes durch die Zerstörung des „Wimpassinger Kreuzes“ beim Brand des Stephansdomes erlitten hat, wenigstens bis zu einem gewissen Grade ausgleichen.

Es ist ja gewiß nicht Sache des Referenten, als Fremdenverkehrswerber für eine niederösterreichische Stadt aufzutreten: aber ein Besuch von Krems und Stein ist jetzt sehr zu empfehlen. Jörg Mauthe

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