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Christliche Kunst der Gegenwart

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In den Wandelgängen des Konzerthauses ist nun, während der „Kulturtage christlichen Geistes“, eine Ausstellung christlicher Kunst zu sehen, an der nur lebende und zumeist jüngere österreichische Künstler teilnehmen. Wie jede Ausstellung hat auch diese ihr besonderes Gesicht — und es ist ernst, herb; es fehlt nicht ein wenig Bitterkeit.

Und daran allein, an diesem gemeinsamen Nenner so vieler und verschiedener Bilder und Graphiken, müßte man schon erkennen, wie schwer es die Künstler haben, die sich hier an den Themen des Christentums versuchen. Sie müssen in der Tat mit ihrer Kunst ringen; denn mit den Mitteln der zeitgenössischen Malerei, die schon so lange jeder Bindung an eine religiöse Gemeinschaft, jeder auch noch so freien Ikonographie entwöhnt ist, jenen Punkt zu finden, von dem aus gleicherweise dem realitätsfernen Wesen der heutigen Kunst und der auf Anschaulichkeit Wert legenden gläubigen Allgemeinheit Genüge geschehen kann — das ist eine Aufgabe, die Schwierigkeiten über Schwierigkeiten birgt. Eine Aufgabe vielleicht sogar, die erst nach langen und mühseligen Auseinandersetzungen zu lösen sein wird. Man hört bisweilen die Behauptung, daß die religiöse Malerei unserer Tage sich in einem gleichsam experimentellen Stadium befinde, und man weiß, daß diese Meinung heftigen Widerspruch — freilich nicht von seiten der Künstler selbst — erregt. Aber es ist etwas Wahres an ihr;- nur muß man sich im klaren darüber sein, daß Experimente dieser Art, wenn sie mit dem Ernst unternommen werden, dessen sie bedürfen, nichts mit spielerischem Ausprobieren zu tun haben können und daß von ihrem Ausgang zu einem guten, Teil abhängt, wie es um die Kunst von morgen bestellt sein wird. Und darum verdienen sie, mögen sie geglückt sein oder nicht, stets genaue und gewissenhafte Prüfung. Denn an ihnen wird zu lernen sein.

Unbeschadet ihres künstlerischen Werts also: die Arbeiten im Konzerthaus sind zwar Versuche, aber mutige, sind zwar Experimente, aber höchst berechtigte, kleine und überlegte Vorstöße in ein Gebiet, aus dem die Kunst seit eineinhalb Jahrhunderten zurückgewichen ist und das sie nun fast wie Neuland betritt. Zweifellos werden vor diesen Arbeiten viele, die sich an die Bildformeln jener. alten Ikonographie erinnern, die. auch die Nazarener nicht mehr mit Leben füllen konnten, verständnislos bleiben; mögen sie wenigstens die Bemühung anerkennen, die da keineswegs fruchtlos am Werk war.

Dem Beobachter wird auffallen, daß die Werke im Konzerthaus sich leicht in zwei Gruppen teilen lassen, daß sie, wenn man so will, zwei verschiedenen Richtungen angehören. Die eine lockert die Form auf, läßt Linien ausfahren und grelle Farben da Bild zerreißen, will innerer Bewegung lauten Ausdruck verleihen. Man spürt da die Kräfte des Expressionismus durch, der ja in Österreich niemals ganz zum Ausbruch kam, aber nie ganz verschwand, des einzigen Ismus übrigens, der sich mit einer gewissen Vorliebe an religiöse Themen heranwagte. Die Graphiken, vor allem die Holzschnitt Starks, Augustiners, Fronius’ und Eckerts gehören hieher, auch die meisten Holzrisse der eigenartigen Margret B i 1 g e r, die verunglückte Picasso-Nachahmung Steiners. Und nicht zuletzt auch die fast expressionistisch bunte „Verkündigung“ und die „apokalyptische“ Landschaft Elisabeth Stembergers.

Und dann ist eine Anzahl von Arbeiten da, die ganz anders den Drang zur sehr geschlossenen, einfachen, ja selbst hieratischen Form verraten. Merkwürdig und für das Tasten und Suchen nach den der Aufgabe entsprechenden Darstellungsmitteln kennzeichnend, daß beispielsweise Elisabeth Stemberger eine neben ihren anderen Bildern wohltuend schlichte und zuchtvolle „Kreuzigung“, eines der schönsten Gemälde überhaupt, zu zeigen hat und daß auch unter den Blättern Margret Bilgers die einfachsten die befriedigendsten sind. Die Emails Otto Beckmanns stehen in dieser Gruppe obenan, und die zwei kleinen, aber auffallend guten Holzschnitte Hermann Valentas bedürfen gleichfalls der Nennung. Allen diesen Arbeiten gemeinsam ist der klare Umriß, der strenge Kontur, die Diszipliniertheit der Farbbehandlung; sie vermitteln Eindrücke von Ruhe und Feierlichkeit.

Auf der einen Seite Überschwang — auf der anderen Gehaltenheit und innere Sammlung. Zwei scharf unterschiedene Richtungen einer Kunst, die religiöse Vorstellungen bildhaft darstellen will. Vielleicht, daß nur die eine, die schweigsamere und zurückhaltendere, den Weg ahnen läßt, auf dem es weitergehen wird. Aber wer könnte das mit Sicherheit behaupten? Sagen wir es noch einmal: Die Ausstellung im Konzerthaus zeigt Möglichkeiten, noch nicht Ergebnisse, Hinweise, noch nicht klare Erkenntnisse auf. Und, was nidus Geringes ist und allein genügen würde, sie vielen Dutzenden anderer Ausstellungen vorzuziehen: sie spricht von außerordentlich verantwortungsbewußter Arbeit an schweren und wichtigen Problemen.

Wir dürfen nicht vergessen, des ausgezeichneten Kunsthandwerks Erwähnung zu tun: die Metallarbeiten Anni Sturmayers, die kleinen Emails Maria Sed- 1 a c e k s und die Paramente der Schwestern K r i z e k sind gediegen, formschön und im besten Sinne des Wortes modern.

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