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Sozialistischer Realismus und anderes

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Dem Katalog der „Ausstellung tschechoslowakischer Skulptur“, die derzeit in der Kunsthalle Zedlitzgasse stattfindet, ist ein bemerkenswertes Einführungskapitel vorangestellt, das über die Kunstgeschichte des vielberedeten „sozialistischen Realismus“ einige interessante Mitteilungen macht. So erfährt man aus ihm beispielsweise, daß die Anfänge dieses nationalen „sozialistischen Realismus“ unter anderem bereits in der Gotik zu suchen 6ind, desgleichen aber auch im tschechischen Barock und „innerhalb der kirchlichen Kunst, die in ihrer Gesamtheit der dem tschechischen Volk feindlichen feudal-katholi6chen Reaktion diente.“ Sein eigentlicher Ahnherr ist aber — ebenfalls laut Katalog — Josef V. Myslbek (1898—1922) gewesen, ein geschickter Bildhauer unzähliger und meist überlebensgroßer Statuengruppen, die stilistisch etwa zwisdren Makart und Thorak einzureihen sind. Und schließlich wird recht deutlich betont, daß der „sozialistische Realismus“ der zeitgenössi Kunst westlicher Prägung — „die Sezession, in der sich die in anarchischen Krampf en windende Bourgeoisie... zum letzten Male etwas vorlügt“ — ganz und gar entgegengesetzt sei. ...

Man kann seine Erzeugnisse in dieser Ausstellung neben den wirklich guten Arbeiten einiger älterer tschechischer Plastiker, wie Stursa, Kafka, Dvorak und des Tierplastikers Vingler, studieren. Und kommt etwa zu folgenden Schlußfolgerungen:

Eine erste Forderung des „sozialistischen Realismus“ richtet sich auf möglichste Naturähnlichkeit, was die Darstellung des menschlichen Exterieurs, seiner Kleiderfalten, Haare, beigegebener Werkzeuge, Maschinenpistolen usw. betrifft. Eine mäßige impressionistische Auflockerung, wie Rodin sie lehrte, wird zugestanden. Optimismus ist, zweitens, sehr erwünscht, mag er 6ich nun durch aufwärtsgerichteten Blick, Heiterkeit der Gesichtszüge oder ähnliches auszeichnen; jene sozialkritischen Themen, die der Sozialismus früher einmal bevorzugte — der ausgemergelte und unterdrückte Arbeiter, der Lohnsklave in schwerer Fron —, sind dem „sozialistischen

Realismus“ jetzt wohl nur im Rückblick auf vor- oder konterrevolutionäre Zeiten erwünscht. Das Sieghafte und Heroische wird, drittens, gleichfalls höchst willkommen geheißen — es äußerst 6ich in entschlossenem Blick und geballter Faust. In diesem einen Punkt darf das Naturvorbild offensichtlich ein wenig übersteigert und also verändert werden.

Der Themenkreis ist beschränkt: die männliche Figur heißt .Bergmann“, „Partisan“ oder .Rotarmist“, die weibliche „Stoßbrigadistin“ und bisweilen noch „Erde“ oder „Sieg“. Porträts sind das Gegebene für die Abbildung großer Führer.

Extreme und Experimente 6ind diesem Stil, wie nur natürlich, ausgesprochen verhaßt. Er dient nichts anderem als der politischen, vielleicht noch einer nationalen Ideologie; diese hat er zu illustrieren, sonst nichts. Als Kriterium gilt, ob das Werk bei den „Massen“ Widerspruch findet oder nicht. Im ersteren Fall ist es gut, im letzteren schlecht. Es hat gefällig zu sein, als Stimulans für politische Leidenschaften zu dienen und nicht etwa Merkmale eigenwilliger Geistigkeit aufzuweisen.

Im Erdgeschoß des öeterreichischen Museums für angewandte Kunst am Stubenring zeigt der Maler Günther B a s z e 1 eine große Kollektion ausgezeichneter eigener Photographien, durchwegs Naturstudien am unbewegten Objekt, mit besonderer Betonung natürlicher Strukturformen, wie sie etwa Wellen in den lockeren Ufer6and zeichnen, in Schneewehen zu finden sind oder in der Vergrößerung von Pflanzenteilen sichtbar werden.

Ausgezeichnete, de6 Betrachtens und der Versenkung in die einzelnen Bilder werte Photographien. Der Wunsch nach österreichischen Lichtbildern, die sich, wie es den Möglichkeiten des modernen Lichtbildapparats schließlich entsprechen würde, auch an die Fixierung von Bewegungen heranwagten, bleibt weiterhin offen.

Im ersten Stock desselben Museums lädt eine Sonderechau zum Besuch ein: „Textilien der Barockzeit“. Stoffe aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind hier zusammengestellt worden, Stoffe von unerhört nuancierter und oft selbst für unsere Begriffe kühner Farbigkeit — eine Fundgrube für Maler; leider gehören gerade sie nicht zu den Stammgästen dieses Museums.

Hans Strohhofer zeigt im Ausstellungssaal der Staatsdruckerei Blumenaquarelle, zarte und hübsche Blätter, die in mancher Beziehung an die präzisen und doch künstlerischen Blumenstiche in allen botanischen Werken erinnern. — Die Staatsdruckerei hat Wien — das es sehr notwendig hat — einen schönen Expositionsraum geschenkt; dieFreude wäre vollkommen, wenn man sich bei i der nächsten Ausstellung entschließen könnte, s die störenden Reklaraedrucke und Briefmarkenkollektionen an den Wänden zeitgerecht zu entfernen. . Jörg Mauthe

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