Konvention, "diese Seuche"

Werbung
Werbung
Werbung

Große Ausstellung in der Österreichischen Galerie Belvedere zum 100. Geburtstag von Werner Berg.

Was weiß man von Werner Berg? Ein malender Bauer, der eigensinnig am Gegenstand festhielt zu einer Zeit, als in Westeuropa und den USA die abstrakte Malerei triumphierte. Ein später Expressionist. Die Dichterin Christine Lavant hat er siebenmal porträtiert, in fünf Holzschnitten und drei großformatigen Zeichnungen festgehalten. Als ihm 1956 die Österreichische Galerie im Oberen Belvedere eine Ausstellung widmete, höhnte die Kritik über "zu viel Farbe". Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstags lädt die Österreichische Galerie zu einem neuen, unverstellten Blick auf ein Künstlerleben ein, in dem Kunst und Leben einzigartig und tragisch verwoben waren.

Der promovierte Staatswissenschaftler aus Elberfeld/Wuppertal, mit einer Wiener Juristin verheiratet, zieht sich 1930 auf den extrem abgelegenen Rutarhof im Kärntner Unterland zurück. Die Slowenen der Umgebung schätzt er. Er will sich und seine fünf Kinder von der Landwirtschaft ernähren. Und malen, mehr natürlich im Winter als im Sommer. Kunst hat er in Wien und München studiert. Sein großes Vorbild ist Edvard Munch, den er ebenso persönlich kennt wie Emil Nolde. In 50 Jahren schafft er 1600 Bilder und 550 Holzschnitte. Gearbeitet hat er bis zu seinem Tod im Atelier (einem umgebauten Schafstall) am 7. September 1981.

Bisher hat man seinen Holzschnitt-Arbeiten (von denen er stets nur zehn bis zwölf Handabzüge machte und nicht 50 wie üblich) größere Originalität attestiert als seinen Ölbildern. Er selbst glaubte, "dass die Möglichkeiten des puren Schwarz-Weiß unerschöpflich sind, eine Steigerung der Farbe". Die Motive sind die gleichen wie in der Malerei: Köpfe, Halb- und Ganzfiguren, Landschaften, Häuser.

Heute, da sich der Dogmatismus der gegenstandlosen Maler überlebt hat, nötigt Werner Bergs Mut zum Einzelgängertum große Bewunderung ab. Der Aussteiger suchte in der bäuerlichen Umgebung die Anschauung. Und was er sah, reduzierte er, verwandelte er abstrahierend in statische Dokumentation, die zugleich Überhöhung war. Ihm war das Alltägliche bildwürdig: Seine heranwachsenden Kinder, Pferde, Hühner, Vögel, Blumen, Bäume, Wege im Schnee, sein Hof. Blitzschnell hielt er in Skizzen ein Motiv fest, wich in der Ausführung überhaupt nicht vom ursprünglich konzipierten Bildaufbau ab. Das Licht und seine Wirkungen studierte er z.B. in klaren Winternächten vor seinem Haus im Freien, um die Farbigkeit der Vollmondnacht einzufangen.

Berg galt den Nationalsozialisten als entartet. Um weiter malen zu dürfen, trat er der NSDAP bei: Ein Notwehrakt. 1943-45 war er "Kriegsmaler", schuf dokumentarische Landschaftsbilder in Skandinavien. Die damals entstandenen Hafen- und Fjordansichten sind erst kürzlich aufgetaucht.

Nach dem Krieg, 1950, begegnete er Christine Lavant, bei der die Liebe eine künstlerische Explosion - bis zu 30 Gedichte am Tag - hervorrief; ihn trieb die Verstrickung zu einem Selbstmordversuch durch eine Überdosis Schlaftabletten. Nach acht Monaten kam er aus dem Spital zurück, und seine Ehefrau, die für ihn ihre akademische Laufbahn aufgegeben hatte und Jahrzehnte wie eine Magd eingespannt war, nahm ihn wieder auf. Anders als Christine Lavant hat er sie kaum gemalt, und wenn, als müde, erschöpfte Frau. Sein Künstler-Ego sperrte sich auch dem Verlangen seiner Kinder nach akademischem Studium, denn er brauchte ihre Arbeits-Hände auf dem Hof.

Werner Berg reiste viel, las heißhungrig und war mit bedeutenden Zeitgenossen befreundet, doch als Künstler blieb er seinem Credo treu, indem er seine Motive ausschließlich seiner engsten Umgebung entnahm. Eigenständigkeit bewies er in seinen nahsichtigen Bildausschnitten, den magischen Farben, der Entschleunigung, ja der Ruhe, die aus seinen Bildern spricht. Eines seiner letzten Gemälde zeigt fünf überlange Gestalten ohne Gesichtszüge im kalten Blau einer Winternacht.

Berg hat sich am Ende seines Lebens gefragt, ob die Entscheidung richtig war, sich so radikal der Konvention, "dieser fressendsten menschlichen Seuche" zu verweigern. Er tat es sogar über seinen Tod hinaus: Auf seinen Wunsch wurde er anonym auf dem Friedhof der Namenlosen in Salzburg bestattet. Künstlerisch hat sich seine Kompromisslosigkeit gelohnt, das beweisen die 70 Ölbilder und 30 Holzschnitte in der Österreichischen Galerie.

Werner Berg

Österreichische Galerie Belvedere

Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien

www.belvedere.at

Bis 30. 1. 2005, Di-So 10-18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung