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Pleinair — die Landschaften der Tina Blau

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Ihre Bilder erzielen Höchst preise bei Auktionen, ihn Prateransichten, ihre stim mungsvollen Landschaftsbilder aus Holland, Italien und Österreich entzücken Kenner und Sammler. Das Jüdische Museum in Wien widmet Tina Blau nun eine umfassende Werkschau. Anhand von 75 Gemälden wird der Lebensweg einer der ersten Frauen, die sich in der österreichischen Malerei einen Namen gemacht haben, deutlich nachvollziehbar.

Schon als Kind empfindet die 1845 in Wien geborene Regina Leopoldine Blau „heftige Neigung für die Landschaft, das heißt Sehnsucht in Gottes freier Natur zu arbeiten”. Vom kunstsinnigen Vater, einem jüdischen Militärarzt aus Prag, gefördert, nimmt sie ersten Zeichenunterricht bei einem Waldmüller-Schüler, die solide maltechnische Ausbildung vermittelt ihr der Wiener Landschaftsmaler August Schäffer. Mit dem Erlös ihres ersten verkauften Bildes reist Tina Blau nach München, wo sie die „Schule von Barbizon” und deren poesievolle Landschaftsauffassung kennenlernt. Sie bleibt in München, der Aus- und Weiterbildungsstätte für fortschrittlich gesinnte junge Künstler in jener Zeit, und besucht die „Kunstschule für Mädchen”, Frauen wurden nämlich in München wie in Wien erst 1920 zum Studium an der Kunstakademie zugelassen.

Während der sommerlichen Aufenthalte in ihrer Heimat trifft die junge Künstlerin mit der Gruppe um Emil Jakob Schindler zusammen, zu der unter anderen Eugen Jettel, Julius Viktor Berger, Hugo Charlemont und Franz Rumpier zählen. Sie pflegen den sogenannten Stimmungsimpressionismus, eine Pleinair-(Frei-licht-)Malerei österreichischer Prägung, bei der dörfliche oder vorstädtische Motive im Vordergrund stehen, die Lichtsituation je nach Witterung, Tages- und Jahreszeit betont wird und mittels heller Farbtöne atmosphärische Stimmungen aufgebaut werden. Zum Kreis dieser Stimmungsimpressionisten zählen später noch Olga Wi-singer-Florian, Marie Egner, Eduard Zetsche, Theodor von Hörmann und Carl Moll.

Bei Aufenthalten im ungarischen

Szolnok (1873/74) entstehen bereits AVerke mit eigener künstlerischer Handschrift. Blaus eher gedeckte Farben und unpittoreske Motive stehen im Gegensatz etwa zu August Petten-kofens Szolnoker Darstellungen. Mit Schindler, mit dem sie seit 1874 das Atelier in Wien teilt, reist die Malerin 1875 erstmals nach Holland zum Studium der holländischen Landschaftsmeister des 17. Jahrhunderts, aber auch der Werke Rembrandts, Frans Hals', Jan Vermeers. Im Gegensatz zur damals aktuellen „Haager Schule” der Pleinair-Malerei bleiben Blau und Schindler aber der österreichisch-biedermeierlichen Tradition der Gegenstandsgenauigkeit verhaftet, wenn auch manche Motive, Kanal-landschaften, Straßenszenen, deutlich den holländischen Altmeistern entlehnt sind.

1879 folgt eine ausführliche Studienreise nach Italien, die eine Zäsur in der Farbbehandlung bei Tina Blau erkennen läßt. Stärkere Helligkeit und später Buntheit der Farbgebung sind das Ergebnis des starken südlichen Lichts, aber auch des Studiums der italienischen Renaissance-Fresken, ein neuer fast impressionistischer Farbauftrag verwischt die Konturen.

Als Hauptwerk der „schattenlosen Freilichtmalerei” gilt das 1882 fertiggestellte Werk „Frühling im Prater”. 1883 enstehen in Paris drei Ansichten eines Parkweges in den Tuilerien, die in ihren unterschiedlichen Licht- und Wettersituationen an Claude Monets große Bilderserien denken lassen.

Im Jahr 1883 heiratet Tina Blau den Münchner Pferde- und Schlachtenmaler Heinrich Lang und läßt sich in München nieder. Ab 1889 leitet sie den Landschaftsund Stillebenkurs an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins.

Nicht nur zum Zwecke der Ausbildung, sondern auch wegen der mangelnden Ausstellungmöglichkeiten schlos-Künstlerinnen, zusammen, denen gegenüber Blau immer eine reservierte Haltung einnahm. Dies brachte ihr den Ruf eines distanzierten Verhältnisses zu ihren Kolleginnen ein. Obgleich sich Blaus Buf als Landschaftsmalerin durch zahlreiche Ausstellungen in München und in Wien gefestigt hatte, klagt sie August Schäffer brieflich: „wo es gilt, mich als gleichberechtigt durch den Wert meiner Arbeit meiner zu gedenken und mich einzureihen, da wurde ich immer beiseite gelassen”. Und tatsächlich bot ihr weder das Wiener Künstlerhaus noch die jüngere Secession die Mitgliedschaft an.

Nach dem frühen Tod des Mannes kehrt die Künstlerin 1894 wieder nach Wien in ihr nie aufgegebenes Prateratelier zurück. Ab 1898 unterrichtet sie an der von ihr mitbegründeten „Kunstfachule für Frauen und Mädchen”, wo sie bis 1915 die Klasse für Stilleben und Landschaftsmalerei leitet und Schülerinnen und junge Kolleginnen in jeder Weise fördert.

In dieser Zeit ändert sich die Formauffassung in Blaus Werken, Linien und Flächen verstärken sich. Obgleich sie ihrem „optischen Bealismus” treu bleibt, schei-Hn nen die künstlerischen Strömungen des Secessionismus nicht spurlos an ihr vorüberzugehen.

Trotz einer großen Einzelausstellung im Jahr 1899 im Wiener Kunstsalon Pisko, trotz Ankaufs ihres großen Praterbil-des durch das Kaiserhaus zieht sich die Künstlerin immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Nach einigen Reisen nach Paris, Holland, Istrien stirbt sie im Oktober 1916 in Wien.

„Tatort” nennt ein Katalogbeitrag jene offiziellen Stellungnahmen, die sich während der Jahre 1938 bis 1947 mit der Malerin Tina Blau beschäftigen. Und in der Tat - Tina Blaus Bilder wurden im April 1938 ebenso aus den Sammlungen der Österreichischen Galerien eliminiert wie die ihrer jüdischen Künstlerkollegen. Die Professoren, der Akademie der bildenden Künste erstellten allzu bereitwillig ein negatives Gutachten, war sie doch den Herren Professoren aus Konkurrenzgründen schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Die NS-be-dingte Umbenennung des Tina Blau-Weges machte erst ein Gemeinderatsbeschluß von 1947 rückgängig. Am stärksten aber trifft vielleicht, daß Blau-Werke im Besitz ihrer Nichte Helene Both nach deren Deportation vermutlich von kunstsinnigen NS-Bonzen requiriert wurden.

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