Arkadien im Wienerwald

Werbung
Werbung
Werbung

Heile Natur, Stille und Schönheit in der österreichischen Landschaftsmalerei 1870-1910. Eine Ausstellung im Belvedere.

Der Tag kommt, wo eine einzige gemalte Karotte einen Umsturz in der Kunst hervorrufen kann": So umstürzlerisch, wie Emile Zola prophezeite, geht es in der Ausstellung "Stimmungs-Impressionismus" trotz Karotten und Kohlköpfen nicht zu. Das Besondere dieser österreichischen Malerei von 1870 bis 1910 erschließt sich aus dem Vergleich mit den "richtigen" Kohlköpfen und duftenden Blumenarrangements von Wiener Floristen vor den Gemälden. Sie kopieren nicht Stillleben an den Wänden, aber sie liefern den Schlüssel zu den 180 ausgestellten Werken. Er heißt "poetischer Realismus", wenn sich auch seit mehr als 50 Jahren der Terminus "Stimmungs-Impressionismus" eingebürgert hat.

1948 wurde der Begriff geboren. Patriotisch gefärbt zweifellos, um für die österreichischen Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts den Adelstitel "Impressionismus" zu retten. Doch mit dem Impressionismus etwa eines Claude Monet haben weder der Hauptvertreter Emil Jakob Schindler noch seine begabteste Schülerin Olga Wisinger-Florian und auch Tina Blau und die übrigen 15 hier vertretenen Maler wenig gemeinsam. Zwar schauten sie alle nach dem Kunstmekka jener Zeit, Paris, und praktizierten eifrig die Freilichtmalerei. Ein Foto Tina Blaus mit ihrem zu einer "kleinen Mahlfuhre" umfunktionierten Kinderwagen im Prater belegt es. Doch dieser Weg ins Freie führte nicht zu einer Auflösung der Form zugunsten einer Zerlegung in die Farben des Spektrums. Statt Intellekt herrscht im österreichischen Stimmungs-Impressionismus Gefühl für die Landschaft der allernächsten Umgebung, für die Natur aus allernächster Nähe: Arkadien vor der Haustür, im Wienerwald, lyrisch, unmittelbar erlebt, ein Schimmern und Flimmern überall. "Schindler pflanzt im April den jungen Kohl und legt Sonnenblumenkerne in die Erde. Im August malt er seinen Gemüsegarten", berichtete Carl Moll über seinen Lehrer.

Von den 120 hauseigenen Bildern waren bisher nur 30 ständig in der Österreichischen Galerie im Oberen Belvedere ausgestellt. Warum? Sind sie zu lieblich, zu gekonnt, zu glatt, mit einem Wort: Sind sie altmodisch? Die Marktpreise für den jüngsten Schindler-Schüler, Carl Moll, für den Tiroler Theodor von Hörmann, ja für alle diese um 1840 geborenen Maler sprechen für die Liebe der Käufer zu der "Feiertagsmalerei". Direktor Gerbert Frodl, der für die Wonne-Schau verantwortlich ist, gibt zu: Der Kontrast zu unserem Leben voller Hektik ist so wohltuend, dass man sich der Sehnsucht nach unberührter Natur, Wetterstimmungen, leuchtenden Blumen, nicht entziehen kann." Obwohl Schindler schon vor 130 Jahren behauptete: "Die Luft ist verpestet, der Wald ist verschwunden, aber der moderne Mensch ist zufrieden." Emil Jakob Schindler und sein Kreis war es nicht. Er zog sich mit seinen Schülern in den Sommern 1884 bis 1892 nach Schloss Plankenberg bei Neulengbach (NÖ) zurück, in eine Idylle von Garten und freier Natur.

Bäche und Seen, Mühlen und Gemüsegärten, Wege und Bäume, Blumen in verschiedenen Jahreszeiten: Die Ausstellung ist in Themen gegliedert, die eine ganze Malergeneration mit mehr oder weniger persönlicher Handschrift variierte.

Der Unterschied zum französischen Vorbild, der Schule von Barbizon, liegt in der Emotionalität. Die Franzosen zeigten den Wald von Fontainebleau südlich von Paris "objektiv"; die Österreicher, vor allem Schindler, suchten nach dem Heiligen in der Natur. Beiden Schulen ist das Heroische fremd; es geht um den Alltag und seine Verklärung, um Stille und Schönheit. Die Bewunderung für die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts ist unverkennbar.

Die Hälfte der 18 "Stimmungs-Impressionisten" erlebte noch, wie sie künstlerisch überrollt wurden. Kandinsky, der in Murnau noch im Freien gemalt hatte, schuf als erster in seinem Buch "Über das Geistige in der Kunst" (1912) die theoretischen Voraussetzungen für die Emanzipation der künstlerischen Gestaltungsmittel - Farbe, Linie, Form - von ihrer dienenden, beschreibenden Funktion. Und setzte die neuen Gedanken malend um. Mit dem (vorläufigen) Siegeszug der Abstrakten verschwanden die liebevollen Schilderer von Ober St. Veit und Naschmarkt und Gänseteich in Kotting-Neusiedl in den Depots. Die Begründung: "Anästhetik", Einlullung, stilistischer Stillstand. Sind wir heute übersatt von schwarzen und roten Quadraten? Man gehe und sehe selbst.

STIMMUNGSIMPRESSIONISMUS

Österreichische Galerie Belvedere

www.belvedere.at

Bis 4. 7. Di-So 10-18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung