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Emil Jakob Schindler

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Die Eröffnung der neuen Galerie S c h e b e s t a in der Plankengasse mit der Ausstellung „Emil Jakob Schindler und sein Kreis“ bedeutet für Wien eine doppelte Bereicherung und kommt einer kleinen Sensation gleich. Wien erhält durch sie ein Ausstellungslokal, wenn man es so nennen darf, von gepflegter Vornehmheit und Atmosphäre, das würdig neben der Galerie Sr. Lucas und der Galerie Nebehay steht, und gleichzeitig durch die hervorragende Ausstellung das Versprechen, daß hier Qualität zur Tradition werden soll.

Emil Jakob Schindler (1842—1892) ist der größte jener österreichischen Maler des letzten Jahrhunderts, deren Ruhm immer s-och durch die fragwürdige Überschätzung Waldmüllers verdunkelt wird. Seine Freilichtmalerei, die nicht mit den Bestrebungen des französischen Impressionismus zu verwechseln ist und die an die Schule von Barbizon, an Theodore Rousseau, an Daubigny und Diaz anschließt, entwickelte auf österreichischem Boden eine Landschaftsdarstellung, deren Poesie und Sensibilität in ihrem Wahrheitsgehalt hier einzigartig ist. Sie enthält ebensoviel zeichnerische Festigkeit wie malerisch nuancierte Wiedergabe der Atmosphäre und erlebt ihre Höhepunkte in den kleinformatigen Bildern und Skizzen, die wahre Meisterwerke eines exakt beobachtenden, eminent malerischen Temperaments sind. Die Bilder in der Galerie Schebesta, die zu Schindlers schönsten und kostbarsten Leistungen gehören, rufen zum Vergleich so bedeutende Namen wie Courbet („Buchenwald bei Goisern“), Turner („Schiffe im Hafen bei Ragusa“). Monet, Whistler („Zuidersee“) und Manet („Blumenstöcke“) auf den Plan. Es ist zu hoffen, daß er nun endlich — 70 lahre nach seinem Tod — in all seiner Wichtigkeit und Größe erkannt werden wird. Sollte das geschehen, dann hat diese Ausstellung ihren entscheidenden Anteil daran.

Auch seine Schüler und Weggefährten waren Maler von großer Qualität und sind in der Galerie Schebesta mit ausgezeichneten Werken vertreten. Von Eugen Jettel finden wir eine fast Neersche Mondlandschaft und ein Feld bei Auvers, das — vier Jahre nach dem Tod van Goghs dort gemalt — an den frühen Pissarro erinnert. Tina Blau ist sehr eindrucksvoll mit dem „Hausbau in Erdberg“ vertreten und Theodor von Hörmann mit einer „Niederösterreichischen Landschaft“ und einem „Esparsettenfeld“, über die ein guter Teil österreichischer Landschaftsmalerei bis heute nicht hinausgekommen ist. Besonders beglückt wird man auch durch die Bilder von Carl Moll, der in seiner Wahrhaftigkeit Schindler ähnelt und dessen Person, als die Schlüsselfigur im österreichischen Kunsiieben bis 194$, noch der Rehabilitierung und Entdeckung harrt. Das nicht nur für Wien sensationelle Ereignis der Europaausstellung „Europa 1400“, die hier noch ausführlich gewürdigt werden wird, sollte niemanden abhalten, diese eindringliche und wichtige

Schau in der Plankengasse 7 zu besichtigen.

Form allein ist natürlich nicht der Qualität gleichzusetzen, sie ist eine Qualität, wenn auch eine sehr wichtige, da sie nicht nur Gebrauchsgegenstand, sondern überhaupt Ausdruck einer geistigen Erfüllung ist, aber von Unheil wird, wenn sie allein ästhetischen Gesetzen gehorcht. Mit dieser Einschränkung gesehen, ist die Ausstellung in der Secession, „Form = Qualität“, veranstaltet vom „österreichischen Institut für Formgebung“, ein eTSter wichtiger Bericht über bereits lange währende Bestrebungen, österreichischen Industrieprodukten auch in ihrem „Design“ internationale Qualität zu verleihen. Selbst wenn nicht alles in ihr anerkannt werden kann, weil entweder die „Form“ oder die Qualität, die Funktionsgerechtheit, zu wünschen übrig läßt, beweist sie doch, daß es hierzulande genug Kräfte gibt, die fähig sind, die im Hinblick auf die immer stärker werdende internationale Konkurrenz wichtige Aufgabe des „Designers“ zu erfüllen, falls es gelingt, sich aus einer unheilvollen traditionellen Lethargie zu befreien. Auch dies ist eine Ausstellung, deren Besuch nicht versäumt werden sollte, da sie unmittelbar in unseren Umgang mit den Dingen eingreift aus deren Form (= erfüllte Qualität) man einst die Höhe oder das Versagen unserer Zivilisation, unserer Kultur, ablesen wird.

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