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Wunder und Katastrophe

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In aller Stille vollzog sich letzte Woche ein für Österreich und seine Hauptstadt äußerst bedeutungsvolles Ereignis, ein kleines österreichisches Wunder ist geschehen: die „Neue Galerie in der Stallburg“ wurde dem Publikum zugänglich gemacht. Damit hat nach zweiundizwanzig Jahren zum Teil unverständlichen Zögerns und Zuwartens die äußerst wichtige und schöne staatliche Sammlung der europäischen Kunst des 19. Jahrhunderts eine endgültige ,und hervorragende Heimstatt gefunden.

Die Räume die sie nun aufnehmen, im zweiten Stock an der Ost- und Südseite des 1558 für Maximilian II. errichteten Baues gelegen, sind nicht von ungefähr, so möchte man meinen, für die österreichische Museumsgeschichte traditionsreich und bedeutsam, beherbergten sie doch 1657 bis 1776 einen Teil der schon damals weltberühmten Bildersammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm, aus der dann im Lauf der Zeit die kaiserliche Gemäldegalerie, der Bestand des Kunsthistorischen Museums, wurde. Von dem Plan, in ihnen die Porträtgalerie des Kunsthistorischen Museums unterzubringen, ist man nun abgekommen — sie wird in Schloß Laxenburg eingerichtet werden — und hat nun diese viel glücklichere Lösung gefunden. Besonders glücklich durch den Umstand, daß den Architekten Friedrich Kurrent und Johannes Spalt in der Gliederung und Adaptierung der Räume, in der Ausgestaltung und der Lösung der Be-leuchtungisfrage in enger Zusammenarbeit mit den Dienststellen des Kunsthistorischen Museums eine wahrhaft vorbildliche Lösung geglückt ist, die diese Galerie zu einer der schönsten und reizvollsten von Europa macht. Sie zeichnet sich durch wohltuende Maße, eindringliche und einfühlende vornehme Zurückhaltung in der Gestaltung und richtige Wahl der Hintergrundbespannung aus, die manchmal zur Setzung von raffiniert überzeugenden Akzenten benutzt wird. Eine hervorragende Leistung, die reine Freude bereitet.

Somit sind nun in diesen schönen Räumen wesentliche und schönste Werke von Cezanne, Corot, Courbet, Daubigny, Daumier, Degas, Dela-croix, Diaz, Ensor, Gericault, van Gogh, Manet, Marees, Millet, Monet, Münch, Pissarro, Renoir, Rodin, Toulouse-Lautrec, Blechen, Böcklin,

Busch, Corinth, Liebermann, Slevogt, Leibi, C. D. Friedrich, Feuerbach, Haller, Hildebrand, Hodler, Menzel, Meunier, Spitzweg, Thoma, Trübner und Uhde ausgestellt, mit wenigen Ausnahmen fast der gesamte Bestand der Galerie, wobei die Großplastik ihre Aufstellung zum Teil im Arkadenhof gefunden hat. Was längst der Öffentlichkeit gehört, ist ihr nun in schönster Form wiedergegeben worden — und doch nicht ganz: mit Schreck und Staunen muß man zur Kenntnis nehmen, daß der katastrophale Personalmangel, der bereits ganze Teile des Kunsthistorischen Museums lahmlegt, dazu zwingt, die Galerie nur an zwei Tagen der Woche (Mittwoch von 10 bis 16 Uhr und Sonntag von 9 bis 13 Uhr) offenzuhalten, daß man unter Umständen genötigt sein wird, zur gleichen Zeit im Kunsthistorischen Museum zu sperren, da man Aufsichtsbeamte abziehen muß!

Das kann, das darf nicht sein! Eine solche Lösung ist kaum eine halbe Lösung. Um so weniger, da sich der immer mehr verschärfende Notstand allein auf die ungenügende Bezahlung der Museumsbeamten und die mangelnden Anreiz bietenden Planstellen zurückführen läßt. Eine wirklich verantwortungsvolle Finanz- und Budgetpolitik eines Staates, der Wert darauf legt, „Kulturstaat“ genannt zu werden, muß und kann Mittel und Wege finden, um die im Vergleich zur Anschaffung eines Düsenjägers lächerlichen Summen, die in ihrem Investitionswert ungleich bedeutsamer sind, frei zu machen, damit Schätze, die zu unserem .kulturellen Bestand und zu unserer geistigen Existenz fundamental gehören, allen, der ganzen Welt, ohne Schwierigkeiten zugänglich sind.

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