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Meisterwerke aus Frankreichs Museen

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Im Rahmen des Kulturaustausches sandte Frankreich als Gegengabe für die große Albertinaausstellung in der Bibliotheque Nationale in Paris, die von 43.000 Besudhern gesehen wurde, eine Auswahl bedeutendster Zeichnungen aus Frankreichs Museen und Privatbesitz, die zusammen mit den Blättern der Albertina eine nie dagewesene Schau französischer Zeichenkunst von 1400bis 1900 bietet.

Gleich das erste Stück ist eines der bedeutendsten Werke der Zeichenkunst des frühen 15. Jahrhunderts, das Bildnis Louis II. d'Anjou. Fast in Lebensgröße sind die Züge des kunstliebenden Königs festgehalten, die in einer Bilderhandschrift des „Rohan-Meisters“ in den „Heures des Ducs d'Anjou wiederverwendet wurden. Einige wesentliche Züge der französischen Kunst, die Naturtreue, die große Form, die raffinierte Farbgebung werden hier sichtbar und stempeln das Werk zu einem Vorläufer der Kunst eines Van Eyck und Masaccio. Für das 16. Jahrhundert ist die Tätigkeit deutscher und italienischer Künstler wichtig. Da Holbein seinen .Totentanz“ in

Lyon verlegte, wurden die Franzosen mit seinen großartigen Bildniszeichnungen bekannt, die bei ihnen in den Crayons der Clouets ihren entsprechenden Widerhall fanden. Die zweite wesentliche Beeinflussung erfolgte durch die Berufung italienischer Künstler, wie Rosso, Primaticcio und Niccolo dell'Abbata, durch Franz I. nach Fontaine-bleau. Sie verpflanzten die Errungenschaften der italienischen Renaissance auf französischen Boden und gaben.sie an Ihre einheimischen Mitarbeiter weiter. Toussaint Dubreuil und Causin d. J. schufen Meisterzeichnungen, die uns die Pracht und den Reichtum der damaligen Malerei, die entweder überhaupt nicht mehr oder in unzureichendem Erhaltungszustand auf uns gekommen sind, ahnen lassen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erstehen in Lothringen zwei Künstler, Bellang und Callot, deren graphisches Werk zu den originellsten Schöpfungen auf diesem Gebiete gehört. Als .Grenzer“ absorbieren sie im richtigen Moment deutsche und niederländische Elemente, ihr expressiver Manierismus ist eine Vorwegnahme mancher Elemente der Kunst des 18. Jahrhunderts. Die beiden Pole der Malerei des 17. Jahrhunderts, Claude-Gelee und Poussin, sind als Zeichner ebenso wichtig. Claude, der gebürtige Lothringer, der Zeit seines Lebens in Rom arbeitete, bedeutet den Höhepunkt der Landschaftskunst, deren tlmmungsmäßige Komponente die Kunst eines Corot bereits ahnen läßt. Ein neuerliche Rezeption der Antike ermöglicht es Poussin, seine modernen Ideen der Historienmalerei und klassischen Landschaft zu verwirklichen. Der geborene Zeichner überhaupt ist Watteau, der in seinem kurzen Leben die Naturstudien, die r In seinen Skizzenblättern, die in der Ausstellung in besonders guter Zahl vertreten sind, festhält, zu einer Traumwelt der Grazie und Harmonie verzaubert, die er in leuchtenden Farben auf die Leinwand bannte. Auf einer anderen Ebene bewegen sich die zarten Pastellflguren Bouchers, von dem neben den dekorativen Entwürfen besonders eindrucksvolle Land-Bchaftszeidinungen ru sehen sind. Die niederländischen Anregungen, die Chardin zu seinen Spitzenleistungen verholten haben, fallen auch bei Fragonard in seinen späteren Werken auf fruchtbaren Boden. Der .Lesende Knabe“, eine Kopie nach einer verschollenen Zeichnung von Eeckhout, ist ein deutlicher Beweis, wie intensiv sich der Meister mit der holländischen Malerei auseinandersetzt. Das „Paris am Vorabend der Revolution“ erscheint in den reizvollen Blättern St. Aubins, das der Revolutionstage in den packenden und oft grauenvollen Darstellungen J. L. Davids, der auch der große realistisch-pathetische Schilderer des ersten Kaiserreiches wurde. Neben David schaffen auch Gericault und Delacroix revolutionäre Gemälde, die aktuellstes Zeitgeschehen behandeln. Dau-miers tiefschürfende Blätter sind Mahnrufe an das soziale Gewissen seiner Zeit. Corots stimmungsvolle Landschaften und Gestalten, Millets Hirtendarstellungen führen uns aus der rauhen Wirklichkeit in eine Idealwelt, die in bewußtem Gegensatz zu den Realisten und Impressionisten steht. Manets eindringliche Köpfe, Degas Studien der Balletteusen und Jockeys lassen uns ebenso wie Rodins zarte Aquarelle von Cambodganer Tänzerinnen und Cezannes klare Bildnisse und Landschaften verstehen, warum die französische Kunst gerade im 19. Jahrhundert die Lehrmeisterin Europas wurde.

Die Ausstellung bietet eine Fülle von Anregungen auf allen Gebieten, die durch das direkte Medium der Handzeichnung eine kaum wiederkehrende Gelegenheit gibt, sich mit französischem Wesen vertraut zu machen.

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