Sehnsucht nach dem arkadischen Leben

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Zeichnungen entführen in der Albertina in den vielschichtigen Kosmos französischer Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit der Schau "Poussin bis David" holt das Museum Meisterwerke des Barock und Rokoko aus ihrem Schattendasein.

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Zeichnungen entführen in der Albertina in den vielschichtigen Kosmos französischer Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit der Schau "Poussin bis David" holt das Museum Meisterwerke des Barock und Rokoko aus ihrem Schattendasein.

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Wer sah sie kommen, die Französische Revolution? Wenn man die Schau "Poussin bis David" in der Albertina durchschreitet, möchte man sagen: Wohl nicht die Menschen, die diese Zeichnungen anfertigten, in Auftrag gaben und sammelten. Sie lebten in einer Traumwelt, gaben sich der feudalen Weltflucht hin. Da tanzen verliebte Paare in mythologischen Szenerien, da heiraten Satyr und Nymphe, da werden antike Bauten in Detailgenauigkeit gefeiert. Erst später ziehen auch Moral und Aufklärung in die Zeichnungen ein.

Weltfremde Geselligkeit

Eine erstaunliche Anzahl von 2800 französischen Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts findet sich in der Sammlung der Albertina, großteils noch vom Gründer Albert von Sachsen-Teschen selbst angekauft. Erstmals werden diese in einer Sonderausstellung ans Licht geholt. Die Arbeiten standen trotz ihrer hohen Qualität "meist im Schatten der deutschen, italienischen und niederländischen Schulen, obwohl sie diese an enzyklopädischer Geschlossenheit übertreffen", schreibt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder in seinem Beitrag für den Katalog der Schau. Dies will man nun mit der Präsentation von 67 Zimelien ändern. "Sie stehen den Werken anderer Schulen um nichts nach", geht Chefkurator Christof Metzger noch weiter. Umso überraschender, dass "Poussin bis David" die erste Albertina-Präsentation dieser Art überhaupt ist.

So werden dem Besucher Meistwerke des Barock und des Rokoko bis an die Wende des Klassizismus präsentiert, eine überschaubare Anzahl und doch eine große thematische Vielfalt. Die Zeichnungen lassen durch das 17. und 18. Jahrhundert reisen jedoch nicht auf realistische Art und Weise. Vielmehr zeigen sie, wie damals Eskapismus, arkadisches Leben und weltfremde Geselligkeit vorherrschten. "Die kapriziösen Arbeiten von Watteau und Boucher spiegeln eine Flucht aus der Wirklichkeit, die der Sehnsucht nach Zerstreuung entsprungen sind", so Schröder.

Den Anfang macht man mit Nicolas Poussin und Claude Gellée, genannt Lorrain, jenen Künstlern, die von Kardinal Richelieu zur Zeit Ludwigs XIII. zumindest zeitweilig aus Rom in ihre französische Heimat zurück geholt wurden und einen nationalen Zeichenstil begründeten. Lorrain idealisierte die Natur durch seine lichtdurchfluteten Darstellungen, Poussin schuf effektvolle freie Landschaftsstudien. Beide sind frühe Vertreter des Arbeitens en plein air, also unter freiem Himmel. Prägend war auch Simon Vouet, der einen Werkstattbetrieb führte und von dem zahlreiche Künstler lernten, anstatt - wie meist üblich - ihren Blick an italienischen Werken zu schulen. Was im 18. Jahrhundert folgte, waren Antoine Watteaus "Fêtes galantes", Francois Bouchers liebliche, detailgetreue Darstellungen mythologischen oder erotischen Inhalts, Jean-Honoré Fragonards Schäferromantik sowie dessen liebliche Porträts. Eine Zäsur in all dem feudalen Eskapismus bildet Jean-Baptiste Greuze an der Schwelle zum Zeitalter der Aufklärung. Er brachte moralisierende, erzieherisch wirkende Zeichnungen voller Pathos und Empfindsamkeit.

Die Zeichnung als Kunstgattung

Was sich aber durch all die Jahrzehnte und Themen zieht, ist, dass die Zeichnungen schon im 17. und 18. Jahrhundert von vielen Künstlern als autonomes Kunstwerk geschaffen wurden. Sehr früh wurden sie nicht mehr als Vorstudien, sondern als ebenbürtige Gattung verstanden, auch hier war Lorrain richtungsweisend.

Den Abschluss des Zeichnungs-Reigens macht Jacques-Louis Davids monumentale Schlachtenskizze "Die Kämpfe des Diomedes", die durch ihre Detailgenauigkeit und ihre Größe auffällt -aber auch durch ihr Entstehungsjahr. 1776 wurde die Albertina gegründet, aber auch die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt. Dieser Wendepunkt in der Geschichte, der schließlich in die Revolution mündete, bildet den Endpunkt des Ausstellungsrundgangs -eine Schau, die laut Schröder "der französischen Schule die ihr längst gebührende Reverenz erweist: ebenbürtig den Meisterwerken von Dürer, Raffael, Rubens und Rembrandt."

Poussin bis David bis 25. April, Albertina täglich 10-18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr www.albertina.at

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