Ja, der berühmte "Feldhase“ ist in dieser Ausstellung im Original zu sehen - und das Kleinod der Zeichenkunst kann genau studiert werden. Doch bei der aktuellen Albertina-Schau "Zwischen Dürer und Napoleon“ geht es auch darum, Meisterwerke wie Dürers Zeichnung in den historischen Kontext zu setzen und zu erklären, wie sie in die Sammlung des Gründers Albert von Sachsen-Teschen kamen. Die Ausstellung erzählt in vielen Details vom Leben dieses visionären Kunstkenners. Die Meisterwerke von Raphael, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Bruegel, Rembrandt, Rubens und vielen mehr werden eingebettet in eine große Anzahl von Exponaten, die sich mit der Historie der Sammlung befassen. Wie kam es, dass Herzog Albert zu einem kunstsinnigen Menschen wurde? Wie konnte er sich leisten, 14.000 Zeichnungen und 200.000 Druckgrafiken zu erwerben? Wie und wo lebte er, bevor er in die Albertina zog? Die Schau gibt anhand von 400 Ausstellungsstücken Antwort auf diese Fragen.
"Wie immer auch die Sammlungen der Albertina in den letzten 200 Jahren erweitert worden sind, welche Veränderungen das Palais auch erfahren hat: Bis heute verdankt sich der Rang des Hauses zuallererst den einzigartigen Kunstschätzen, die Herzog Albert in einem halben Jahrhundert mit größter Kennerschaft erworben hat“, so Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder. Albert selbst war es auch, der die weltweit einzigartige Sammlung von Druckgrafiken und Zeichnungen an das Palais knüpfte, sie ist unveräußerbar und unteilbar. Im Gegensatz zur Gemäldesammlung des Herzogs, seinen kostbaren Möbeln und die 25.000 Bände umfassende Bibliothek sind diese daher in ihrer Vollständigkeit in der Albertina, während alles andere in der ganzen Welt verstreut ist.
Die Rolle Marie Christines
Albert von Sachsen-Teschen war als sechster Sohn des Kurfürsten von Sachsen ein "armer Kadett“, wie er selbst sagte. Aber Maria Theresias Lieblingstochter Marie Christine verliebte sich in ihn und brachte Reichtum ebenso in die Ehe mit wie Statthalterposten, zuerst in Pressburg, später in den Niederlanden. Dass das Paar somit im Luxus lebte, davon zeugt in der Ausstellung ein opulentes, hundertteiliges Silberservice und ein eigener Raum, der der Ausstattung des Schlosses Laeken im heutigen Belgien gewidmet ist. Von dort nahm das Paar einiges an Möbeln in die Albertina mit, als man vor der Revolution nach Wien flüchtete und sich vom Kaiser das Palais und heutige Museum ausverhandelte.
In der Ausstellung wird auch die Rolle Marie Christines neu beleuchtet, die bisher zu gering geschätzt wurde. "Sie war selbst Zeichnerin, aus ihrer Hand stammten nicht nur einige der ersten Werke von Alberts Sammlung. Sie, ‚Mimi‘, war es, die ihn oft auf Schlüsselwerke hinwies - und ihrem ‚Berti‘ auch das nötige Geld für den Ankauf zur Verfügung stellte“, erklärt Co-Kuratorin Sandra Hertel, die die Bedeutung von Maria Theresias Tochter für das Entstehen der Sammlung erforscht hat.
Den Anfang nahm alles auf einer "Grand Tour“ des Paares durch Italien, auf der Albert den Conte Durazzo mit dem Grundstock der Sammlung beauftragte. Auf dessen Vorschlag beruht noch heute die Ordnung des Kernbestands der Albertina. Die Titelseite des Gründungsprinzips, des "Discorso preliminare“, wird gezeigt. Leopold-Orden und Galauniform sowie prunkvolle Fensterläden und Gobelins säumen ebenso den Weg des Besuchers und lassen eintauchen in das Leben des Sammlers, bevor man die Meisterwerke und auch die Maitres modernes, Arbeiten von Zeitgenossen, für die sich Albert zu Ende seines Lebens zunehmend begeisterte, in einem eigenen Ausstellungs-Abschnitt versammelt hat. Da Vincis "Halbfigur eines Apostels“, Bruegels "Die großen Fische fressen die kleinen“, Rembrandts "Ein Elefant“ und Michelangelos "Männlicher Rückenakt“ sind alle unter Albert in die hauseigene Sammlung gelangt, sie tragen den Stempel AS. Der "Feldhase“ kam gar durch einen Tausch mit dem Kaiser hinzu. Die nur selten im Original gezeigten Meisterwerke sind Zeugen dessen, mit welch großer Kennerschaft und mit welchem Gefühl Albert sammelte.
"Zwischen Dürer und Napoleon - Die Gründung der Albertina“.
Albertina, bis 29. Juni
täglich 10-18, Mi bis 21 Uhr
www.albertina.at
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