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Rembrandt oder Ein Symbol wird entlarvt

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Kein offizielles Rembrandtjahr heuer, aber für den echten Rembrandtfan dürfte ein Besuch in den Niederlanden zu den Pflichtübungen gehören. Denn, obwohl die jetzige Rembrandt-schau schon in Berlin zu sehen war, und sich von Ende März bis August in der Londoner National Gallery aufhalten wird, ist es klar, daß man den Künstler am besten in seiner natürlichen Umgebung sehen kann. Neben der Hauptschau im renovierten Rijks-museum mit etwa 50 Gemälden des Meisters und 40 seiner Schüler gibt es kleinere Ausstellungen in Amsterdam, Den Haag, Utrecht und seinem Geburtsort Leiden.

Rembrandt van Rijn(1606bis 1669) ist mehr als nur der berühmteste holländische Maler, er trägt nicht nur die bleierne Last als Nationalsymbol schlechthin, sondern auch als bester Künstler seines Faches gelten zu müssen. Eine Rolle, die irgendwie zum Entlarven auffordert.

Rembrandt war kein erhabener Olympier und nicht einmal ein sehr angenehmer Mensch. Beispielhaft ist die Episode um seine Haushälterin und Geliebte Geertge Dirckx. Nachdem die Wege der beiden sich getrennt hatten und Geertge zu hohe Alimente forderte, verschwor sich Rembrandt mit ihrem Bruder. Nachbarinnen wurden bestochen, Geertge eines sündhaften Lebenswändeis zu bezichtigen und die Arme wurde vom Bürgermeister zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

Längst gefallen ist auch der Mythos vom einsamen Genie, das von seiner Umwelt verkannt wurde und dessen Leben in Armut endete. Gewiß, die Sorge um das Geld verfolgte Rembrandt bis zum Tod, doch war er ein gutbezahlter Maler, der nie um Kunden verlegen war. Die Geschichte des „Mißerfolgs" Rembrandts ist zum Teil eine banale Partei- und Beziehungsgeschichte. Während Rembrandt väterlicher- und mütterlicherseits aus katholischen Familien stammte, gehörten die meisten seiner Amsterdamer Brotherren zu den liberalen Remonstranten, einer religiösen Minderheit. Da seit 1619 die orthodoxen Kontra-Remonstranten die Macht besaßen, stand er einfach auf der falschen Seite. Zählt man dazu noch seine Unverläßlichkeit bei der Ausführung von Aufträgen des statthalterlichen Hofes, dann wird klar, warum aus Rembrandt nie ein Hofmaler wie Veläsquez oder Rubens wurde.

Vornehmlicher Anlaß für die Ausstellung ist aber weder die Person Rembrandts, noch was er gemalt hat, sondern - ironisch genug - dasjenige, das er nicht gemalt hat. Während der Kunsthistoriker Wilhelm Valentiner Anfang des 20. Jahrhunderts die Zahl der Gemälde Rembrandts mit etwa 1.100 angab, kam Abraham Berdius 1935 nach der ersten kritischen Untersuchung auf höchstens 630 Werke. Noch immer zu viele, meinten manche. 1967 begannen fünf Amsterdamer Kunsthistoriker ein ehrgeiziges Forschungs- und Säuberungsprogramm unter dem Titel „Rembrandt Research Prpject" (RRP). Wenn das Unternehmen um die Jahrtausend wende abgeschlossen sein wird, dürfte die Zahl der echten Rembrandts, deren Urheberschaft mit „harten" Beweisen untermauert werden kann, auf etwa 300 gesunken sein. Darunter noch immer genug Meisterwerke, abernicht mehr Gemälde wie der „Mann mit Goldhelm" oder „Elisabeth Bas", deren Bildnis eine bekannte Zigarrenmarke schmückt.

Bei den unechten Rembrandts geht es zum Teil um plumpe Fälschungen, oder um Werke von Schülern Rembrandts, die entweder selber mit dessen Unterschrift signierten oder deren Schöpfungen erst später dem Meister zugeschrieben wurden. Die größte Leistung der Ausstellung ist ohne Zweifel, daß sie den Unterschied zwischen „falsch" und „echt" von einer Sache für Insider zu einer auch für Laien sichtbare Angelegenheit macht.

Neben elf Gemälden, die früher Rembrandt zugeschrieben wurden, jetzt aber seinen Schülern, werden „sichere" Werke des je weiligen Schülers gezeigt: Künstler wie Gerrit Dou, Ferdinand Bol oder Ferdinand van Hoogstraten, deren Namen dem Historiker des 17. Jahrhunderts geläufig sein dürften, aber die sonst eher vergessen sind.

Manchmal springt die Autorschaft ins Auge, wie beim falschen Rembrandt „Anna und der blinde Tobias", dessen Komposition und Maltechnik fast identisch mit den der beiden gezeigten Gemälden Ferdinand Bols sind. Ab und zu ist die Sache subtiler. Laut RRP ist das „Bildnis - vormals Selbstbildnis - Rembrandts" „sicherlieh in Rembrandts Dunstkreis, in seinem Atelier entstanden". Doch ist die farbliche Gestaltung, vor allem das Olivgrün, untypisch, der Umgang mit Licht und Schatten nicht sehr raffiniert. Unter anderem die Lichtreflexe auf dem Kragen weisen Govert Flinck als mutmaßlichen Maler aus.

Das Eigenartige Rembrandts stellt sich so vor allem als eine technische Angelegenheit dar. Weniger das Spiel mit Licht und Dunkel, als die grobe, aber geniale Art seiner Pinselführung, die seine Figuren als beseelte Wesen und nicht als Vorwegnahme der Fotografie erscheinen läßt. Wenig bleibt vom Argument der Tiefsinnigkeit der rembrandtschen Thematik oder der Erhabenheit seiner Darstellung. Rembrandt imitierte und ließ sich inspirieren. In seiner „Kreuzesabnahme" für den Hof des Statthalters ist das Beispiel Rubens' schwer verkennbar. Noch häufiger sind seine biblischen „Historien" Abbildungen von Szenen aus damals erfolgreichen Theaterstücken.

Sehr illustrativ ist in dieser Hinsicht auch die Ausstellung über Rembrandt und Jan Lievens im Lakenhai in Leiden. Sie waren Freunde, Konkurrenten und vermutlich Benutzer des gleichen Ateliers. Lievens war der flexiblere, wenn auch stillosere, der zu Lebzeiten den größeren kommerziellen Erfolg erzielte, Rembrandt letztendlich das wirklich originelle Genie. Doch beeinflußten die beiden einander, und es ist Rembrandt, der eine ursprünglich von Lievens stammende Skizze zu seinem Gemälde „Samson und Dalila" ausarbeitet.

Natürlich fehlt weder in Leiden noch in Amsterdam die Technik. In Leiden gibt es eine Licht- und Tonschau im rekonstruierten Atelier Rembrandts und Lievens, im Rijksmuseum ein Multivideoprogramm, mit dem der Besucher sich selbst über Art und Stand der Rembrandt-Forschung informieren kann.

Und dann gibt es noch Rembrandt, den Meister des vielschichtigen Ausdrucks und des einmaligen Moments. Unvergleichbar die Spannung und der Hauch von Traurigkeit um „Bethseba den Brief Davids lesend". Wer kümmert sich da noch um die - typisch rembrandtsche - mangelhafte Anatomie, den etwas zu langen Arm und die zu große Hand. Kaum eine Einführung brauchen die Selbstbildnisse, deren Rembrandt an die fünfzig malte. Ohne Zweifel ein Zeichen seines Egozentrismus, wie die aufgeklärten Kunsthistoriker meinen, doch wieviel ärmer wäre die Porträtmalerei ohne diese „Monumente von Selbstsucht". „Selbstbildnis mit Ringkragen": ein Jüngling schaut mit einer Mischung von Unschuld, Neugierde und Ernst auf den Zuseher. Ein Anblick der kalt und warm macht. Die Ausstellung beweist, daß man sich gerade Rembrandt in seiner ursprünglichen Pracht und Wirkung ansehen sollte.

Rembrandt - Der Meister und seine Werkstatt: Rijksmuseum: bis 1. März 1992, National Gallery: 26. März bis 24. Mai (Radierungen bis 4. August); Rembrandt und Lievens in Leiden: Lakenhai: bis 1. März 1992

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