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Klassischer Superstar und Zeitgenosse: Peter Paul Rubens und Neo Rauch in der Albertina.

Die Albertina Neu verfolgt auch mit der aktuellen Ausstellung ihr Konzept weiter, neben einem Superstar aus vergangenen Jahrhunderten einen zeitgenössischen Künstler zu präsentieren. Das an altmeisterlichen Höchstleistungen interessierte Publikum bekommt so die Möglichkeit, im Vorbeigehen und mit der gleichen Eintrittskarte die eine oder andere Kenntnislücke bezüglich aktueller Kunst zu füllen. Freilich trifft die Auswahl bei den Zeitgenossen meist zumindest angehende Superstars, die mitunter Schwierigkeiten haben, den damit unweigerlich vom Ausstellungskonzept eingeleiteten Vergleich zu bestehen.

Gegenwart gegen Klassik

Besonders auffällig geschieht dies bei der momentanen Schau, zumal die beiden Protagonisten als große Erzähler diese Versuchung auch noch schüren. Dass man unter den Bedingungen des heutigen Marktes - sei es, dass man Bilder verkaufen will, sei es, dass man möglichst viele Leute in eine Ausstellung locken will - eigentlich nur mit Superstars wirklich reüssieren kann, müsste eigentlich zu einer kulturpolitischen Diskussion führen, die so manche momentan angewandte Praxis ad absurdum führt. Dass die Marktsituation so ist, wie sie ist, dafür kann die Albertina natürlich nur wenig. Schon eher könnte man von ihr verlangen, dass sie ihren Beitrag zu dieser überfälligen Diskussion leistet. Und genau dies löst die Albertina zumindest im Ausstellungsbereich von Peter Paul Rubens ein - ob absichtlich oder nicht, möge dahingestellt bleiben.

Kunststreit in Italien

Rubens war bereits zu Lebzeiten ein hoch angesehener Malermeister. Nach seiner Lehre wurde er als Meister in die Lukasgilde aufgenommen und trat die obligatorische Italienreise an. Diese bescherte ihm nicht nur eine Anstellung als Hofmaler in Mantua, er konnte nicht nur die Renaissancemaler vor Ort studieren, sondern den großen Streit zwischen Giorgio Vasari und Ludovico Dolce verfolgen.

Vasari räumte dem disegno, der Zeichnung den Vorrang im künstlerischen Schaffen ein - denn darin würde sich die Bilderfindung am klarsten äußern, es sei ein vor allem geistig, wenn nicht gar göttlich inspiriertes Prinzip. Dolce gab diesen Vorzug der Farbe und schlug sich damit auf die Seite der venezianischen Koloristen. Dieser Streit sollte, ausgetragen von anderen Protagonisten, noch über die folgenden Jahrhunderte hinweg andauern.

Rubens für seinen Teil überwand ihn durch die Entwicklung seines hochbarocken Bewegungsstils, der ihn bald zu einem der begehrtesten Maler werden ließ. Die Ideale der Renaissance verband er mit einer ursprünglichen, unmittelbaren Natürlichkeit, die er sich von der Zeichnung direkt vor dem Sujet holte, und die ausgeführten großformatigen Gemälde füllte er so mit Pathos, Leidenschaft und Spannung. Bald war er dermaßen berühmt, dass er eine Werkstatt mit vielen Mitarbeitern führte, die große Teile seiner Gemälde nach seinen Entwürfen ausführten. Der Meister selbst war für die kompositorische Entwicklung, die Ansicht der Einzelfiguren und für die malerische Endredaktion zuständig, dazwischen gingen ihm fleißige "Hilfsarbeiter" zur Hand. Bei Riesenaufträgen wie jenem von insgesamt 112 Gemälden für das Jagdschloss Torre de la Parada von Philipp IV., musste Rubens sogar auf Künstler außerhalb seiner Werkstatt zurückgreifen, um den Termin der Fertigstellung einhalten zu können.

Erst die ganz späten Landschaften, die keine Auftragsarbeiten waren, sind daher von dieser Seite her nicht beeinflusst und bleiben das persönliche Experimentierfeld von Rubens. Die Anregungen zu vielen dieser Bilder holte er sich auf seinem mittlerweile erworbenen herrschaftlichen Anwesen Het Steen bei Antwerpen.

Die Ausstellung gruppiert um einige wichtige Gemälde von Rubens, wie etwa "Daniel in der Löwengrube", viele Zeichnungen und farbige Entwürfe, die damit einen Einblick in den Entstehungsprozess der jeweiligen Arbeit gewähren. Das Schwergewicht liegt nicht am Endprodukt, woran mehrere Hände beteiligt waren und das mitunter mehr Zeitgeschmack aufweisen musste, als Rubens selbst lieb war, vielmehr ist das eigenhändige Schaffen von Rubens in den Mittelpunkt gestellt.

Gegen den Kunstmarkt

Und genau mit dieser Schwerpunktsetzung klinkt sich die Ausstellung in die Diskussion zugunsten eines kritischen Blicks auf die Marktsituation - damals und heute - ein. Hofiert werden nicht die cash-cows von Rubens, sondern jener Teil seines Oeuvres, der damals nicht einmal als eigenständiges Kunstwerk gegolten hat. Und Rubens selbst scheint gerade die Ölskizzen ob ihrer Unmittelbarkeit und Spontaneität geschätzt zu haben, schließlich hat er einige Beispiele dieser spezifischen Art der Vorbereitung und auch Vermarktung von venezianischen Künstlern besessen.

Für die Betrachteraugen des angehenden 21. Jahrhunderts entbrennt damit ohnedies ein Kampf Rubens gegen Rubens, denn die Skizzen überzeugen heute in ihrer Fragmenthaftigkeit und ihrem Mut zur Lücke manchmal beinahe mehr als die all zu glatt ausgeführten Großgemälde. Wer nach diesem Kampf noch Lust auf die Riesenölskizzen eines heutigen Bilderfabrikanten hat, kann ja ein Stockwerk höher auch noch vorbeischauen.

Peter Paul Rubens / Neo Rauch

Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien

Peter Paul Rubens bis 5. 12.

Neo Rauch bis 9. 1. 2005

tägl. 10-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr

Kataloge:

Klaus A. Schröder, Heinz Widauer (Hgg.), Peter Paul Rubens. Ostfildern-Ruit 2004, 536 Seiten, e 29,-

Klaus A. Schröder, Heinz Widauer (Hgg.), Neo Rauch. Arbeiten auf Papier Works on Paper 2003-2004, Ostfildern-Ruit 2004, 60 Seiten, e 19,-

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