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Eine böse Bilanz — und kleine Tröstungen

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Im Säulensaal des Kunstgewerbemuseums sind zu sehen: eine Garnitur von Gläsern, von Adolf Loos irgendwann einmal, vielleicht noch vor dem ersten Weltkrieg entworfen! eine andere Garnitur auf schwindelnd langen Stielen, entworfen vom großen Josef Hoffmann, wahrscheinlich in den zwanziger Jahren, vielleicht auch früher! eine andere Serie von Haerdtl, eine Variante der Hoffmann- Formen! Silberbestecke, deren sachliche Linien zur Zeit der Sezession Aufsehen erregt haben, ebensolches Tischgeschirr, Schmuck in entsprechenden Formeni ferner Augarten- Porzellan in der bekannten Manier — seidigweiß įmd Blümchen darauf — die jener Modeperiode nach 1930 entsprechen, in der das „Damenhafte“ Trumpf war und derlei Por- zellanbijouterie ein Beweis für die seelische Kultiviertheit ihrer Beeitzerin; Gobelins ähnlichen Geistes, so betont vornehm, daß man sie schon gar nicht bemerkt

Wären nicht der strenge Hausrat Carl Auböcks, die Sintergefäße Otto Beckmanns und hin Glasservice einer Kufsteiner Firma — man müßte glauben, in einer Gedächtnisausstellung zu sein, die nur beweisen will, daß es früher einmal wirklich so etwas wie ein spezifisch wienerisches oder österreichisches Kunstgewerbe gegeben hat und daß es noch dazu unerreichbar elegant, luxuriös und nobel gewesen ist. Auf den Ge’anken, in einer Ausstellung von Arbeiten des Jahres

1952 zu sein, käme man gewiß nicht. Und doch ist es so. Die Entwürfe sind allesamt von damals, die Ausführung ist von heute. Man stirbt in Schönheit und schert sich einen Pfifferling um neue Entwürfe, um neue Gedanken und um die Konkurrenz der Amerikaner, Italiener, Deutschen und Finnen.

In der Tat: Stagnation, Gleichgültigkeit, mangelndes Interesse am Zeitgemäßen und selbst am Geschäft, eine Selbstgefälligkeit, die sich nicht geniert, immer wieder dieselben Glasgamituren und dieselben Porzellantassen als Spitzenleistungen auszugeben und anzupreisen — das ist die Bilanz dieser, Ausstellung und eines Kunstgewerbes, das zur Erzeugung von Antiquitäten übergegangen ist; es hat nicht mehr die Kraft, der Industrie und dem Handwerk Impulse oder Anregungen zu. geben.

Noch zwei, drei solcher Jahre der Unfruchtbarkeit und die österreichische Gebrauchskunst wird im Ausland auch die letzten Sympathien verloren haben. Der Mißerfolg auf der letzten Mailänder Triennale war unausbleiblich. über die immensen wirtschaftlichen Verluste, die ein solcher Niedergang mit sich bringt, hat der Kunstreferent nicht zu sprechen. Er hat nur die künstlerischen und geistigen Einbußen und Schäden zu beklagen.

Da bereitet uns die kleine Weihnachtsausstellung in der .Neuen Galerie" — die also endlich wieder ein Lebenszeichen von sich gibt — geradezu ein Vergnügen: auch hier ist Kunstgewerbe, hier aber beruft es sich wenigstens nicht auf früheren Ruhm, sondern will nicht besser sein, als es ist und nicht mehr bewundert werden, als es verdient. Das sind hübsche und bescheidene Gefäße, Schmuck- und Dekorationsgegenstände, so beschaffen, wie der Durchschnitt sein sollte. Hinzuweisen ist auf die ungewöhnlich niederen Preise: hier kann man Weihnachtseinkäufe tätigen und dabei nicht überhalten werden. Ein Besuch sei ausdrücklich empfohlen.

Man kann die Galerie W ü r t h 1 e nicht besuchen, ohne freundlich überrascht zu werden; selbst in ihren Routineausstellungen pflegt in einer Vitrine ein oder das andere Blatt zu liegen, das Ungewöhnlich, kostbar oder erregend ist. Diesmal gibt es dieser Überraschungen gleich mehrere: in der kleinen Schau von Graphiken europäischer Meister finden sich einige bedeutende Barlach- Llthographlen, zwei schöne Blätter vom Archipenko, in deren kubischen Formen die Erregung der Revolution wie eingefroren ist, einige sehr schöne Pechstein -Holzschnitte, die heute fast schon klassizistisch wirken, und ein gewaltige .Auferstehungs"- Radierung von Max Beckmann. Auch die Österreicher sind mit einigen angenehmneuen Arbeiten vertreten, so Arnulf Neu- wirth mit einem .Nächtlichen Hafen", Schmögner mit einer formal fast bedeutenden Komposition, Kurt Moldovan mit einem leuchtenden italienischen Aquarell und Gerhard Swoboda mit drei rührend- heiligen Königen.

Nicht im Künstlerhaus, sondern in der Sezession ist diesmal die schon traditionell gewordene Ausstellung „Das gute Bild für jeden" untergebracht worden — sehr zu ihrem. Vorteil, denn die Konzentration der vielen Zeichnungen und Aquarelle (Höchstpreis 300 und 400 Schilling) auf kleinem Raum vermittelt dem Besucher sofort das Gefühl, aus einer wirklichen Fülle auswählen zu dürfen. Das Niveau ist gut, die Qualität bei Traditionalisten und Modernen — ihre Arbeiten hängen da wunderlich eng nebeneinander — durchaus anzuerkennen. Erfreulicher noch ist der gute Besuch und die lebhafte Verkaufstätigkeit: Es wurden bis nun je Tag 500 Besucher gezählt, und in den ersten 48 Stunden nicht weniger als 40 Blätter verkauft. Das sind — für Wien — Rekorde.

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