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Aschenbrödel im Renaissance-Palast

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Zum zweiten Mal öffnete der Palazzo Ruspoli, einer der bedeutendsten Renaissancepaläste der Innenstadt Roms, dem Publikum seine Tore. Das darin entstandene Privatmuseum gehört zu den neuen Attraktionen der Ewigen Stadt und hat im Dezember letzten Jahres mit seiner ersten Ausstellung, den „Meisterwerken der Expressionisten" aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza, über hunderttausend Besucher angelockt.

Nun werden in diesem eindrucksvollen Gebäude hundert Zeichnungen gezeigt, die als künstlerische Entwürfe für einige der größten, zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert entstandene Meisterwerke der Kunstgeschichte anzusehen sind. Sozusagen die ersten Zeichen der Genialität

dieser Künstler, bevor sie sich an die Schöpfung des eigentlichen Werkes heranwagten. „Das Zeichen des Genies" („II Segno del Genio") heißt auch diese Schau.

So sind etwa die Vorstudien Michelangelos zur Decke der Sixtini-schen Kapelle zu betrachten und jene zur „Schlacht von Cascina", auch das berühmte aber nie realisierte Projekt für den Salon der Cinquecento im Palazzo Vecchio in Florenz, oder die Skizzen für „Samson und Dalilah".

Aber es sind alle Großen der italienischen und europäischen Kunst hier

vertreten: von Leonardo bis Raffael, von Michelangelo bis Tizian, von Guido Reni bis Bemini, von Canalet-to bis Tiepolo, von Dürer bis Grünewald, von Rubens bis Rembrandt, von Watteau bis Goya und den großen Engländemdes 18. Jahrhunderts. Die Krönung der Ausstellung ist das ätherisch anmutende Selbstbildnis Raf-faels, das auch zum Emblem der Schau gewählt wurde. Es übertreffe - so der für seine Polemiken bekannte Kritiker Vittorio Sgarbi - durch seine Schönheit jedes andere Selbstbildnis, sogar das in den Uffizien.

Sämtliche Exponate stammen aus dem Oxforder Ashmolean Museum, dem ältesten öffentlichen Museum Großbritanniens und vielleicht Europas, bereits 1683 von Elias Ashmole gegründet. Die Schau soll, nach Aussage der Kunstexperten Giuliano Briganti und Bruno Mantura, eine wichtige erzieherische Funktion haben, nämlich dem Publikum die meist stiefmütterlich behandelte Zeichnung als Fundament künstlerischen

Schaffens darzustellen. Die Tatsache, daß in dem an Kunstschätzen reichen Italien die Zeichnung eherein Aschenbrödel-Dasein führt, hat auch dazu geführt, daß seit dem 17. Jahrhundert die besten Werke ihren Weg in die Länder nördlich der Alpen nahmen. Auf die Rezeption dieser Ausstellung durch das italienische Publikum darf man daher besonders gespannt sein, lfdi 19b Üßfc -;..ad tißtZ SKKSJlJ

Wie kam Rom plötzlich zu diesem Privatmuseum? Die Initiative ist dem aus Lecce in Apulien gebürtigen Anwalt und Kunstsammler Roberto Memmo zu verdanken, der im Laufe von dreißig Jahren einen Großteil des Palazzo Ruspoli, ein dem florentini-schen Architekten Bar-tolomeo Ammannati zugeschriebenes Meisterwerk der römischen Renaissance, aufgekauft und restauriert hat.

Die Idee, eine Stiftung zu gründen und eine Fläche von fünftausend Quadratmetern, die bis vor kurzem noch eine Bank beherbergte, in Ausstellungsräume umzuwandeln, kam dem Kunstliebhaber, der seinen Sohn verlor, um seinen Namen an eine kulturelle Initiative zu binden. Auf diese Weise sollte er und ein Andenken an seine Tätigkeit weiterleben.

Die Ausstellung, deren Exponate zu einem Wert von 1,3 Milliarden Schilling versichert sind, wurde am 13. Mai eröffnet. Initiativen wie spezielle Klimaanlagen und für römische Verhältnisse ungewöhnliche Öffnungszeiten - täglich von 10 bis 22 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen -, werden vom Publikum sicher mit Begeisterung aufgenommen. (Bis 28. Juli)

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