Ein Raffael als Zierde der Ahnengalerie

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Zur Medici-Ausstellung des Kunsthistorischen Museums im Palais Harrach in Wien.

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Zur Medici-Ausstellung des Kunsthistorischen Museums im Palais Harrach in Wien.

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Die Pracht der Medici, Florenz und Europa", so lautet der Titel der laufenden Großausstellung des Kunsthistorischen Museums in Wien (Furche 8/1999). Welchem Liebhaber der Toskana und der Kunst entfährt da nicht ein Seufzer? Man denkt an die Florentiner Kunstmäzene: an den "Pater patriae", Cosimo il Vecchio, an Lorenzo il Magnifico und an die von den Medici geförderten Kunststars wie Brunelleschi, Donatello, Raffael, Michelangelo und Sandro Botticelli. Und man sieht Objekte aus Florenz vor sich - etwa Donatellos "Judith", Botticellis "Venus" oder Verrocchios "Putto".

Die südliche Stimmung vergeht einem spätestens nach dem dritten Saal der Ausstellung. Diese hat den Schwerpunkt auf das höfische Porträt als Abbild der Herrscher gelegt. Bezieht sich der vielversprechende Titel also auf die Pracht der Dargestellten und nicht deren Kunstschätze? Saal um Saal blicken Medici unterschiedlichster Generationen wie in einer verstaubten, überladenen Ahnengalerie auf den Besucher herab. Zweifelsohne war das Hofporträt eine bedeutende Kunstform. Es bildet im höfischen Milieu seit dem frühen 16. Jahrhundert die wichtigste Bildgattung für die Darstellung des Herrschers und seiner Familie.

Zwei Aspekte hatte der Maler dabei zu beachten. Die wirklichkeitsnahe Abbildung, gepaart mit einem idealisierenden Ausdruck. Die Überlegenheit des Porträtierten wird seit der Erfindung ganzfiguriger Porträts um 1530 vor allem durch die distanzierte Haltung wiedergegeben. Bilder dieses Typs findet man in der Schau zur Genüge. Scheinbar locker stehen die Angehörigen der obersten Gesellschaftsschicht da - auf einen Tisch oder Stuhl gestützt, mit Tüchern, Handschuhen oder einem Buch in den Händen.

Bereits als Kinder wurden die Medici-Sprößlinge in dieser Pose abgebildet: So sehen wir etwa auf einem Bild Tiberio Titis den kleinen Francesco di Fernando I. als Vierjährigen - oder noch jünger Cosimo III. in einer Darstellung des flämischen Malers Justus Sustermans.

Herausragende Werke findet man in der Schau selten. Eines der schönsten Exponate hängt gleich zu Beginn der Ausstellung. Es ist ein Porträt des Kardinals Bernardo Dovizi da Bibbiena - gemalt von keinem geringeren als von Raffael. Der Medici-Papst Leo X., Sohn Lorenzo il Magnificos, sah in dem jungen Raffaello aus Urbino die Verkörperung seiner humanistischen Ideale und überhäufte ihn mit Aufträgen. Das in der Ausstellung präsentierte Bild zeichnet sich durch farbliche und formale Reduktion, einen klaren Bildaufbau und eine sensible, psychologische Darstellung des Kardinals aus. Bibbiena war einer der führenden Humanisten Italiens und Lehrer des späteren Papstes Leo. Er hatte enge Beziehungen zu Raffael, wollte ihn mit seiner Nichte Maria Dovizi verheiraten - doch diese starb vor der Hochzeit. Bibbiena gilt als Verfasser des ersten in italienischer Prosa geschriebenen Theaterstücks "La Calandria" Länger stehen bleibt man auch bei einem lebendigen Bild mit dem Titel "Der Friede". Eine Frau mit nacktem Oberkörper, die großzügige Bildkomposition mit der Betonung der Diagonale und eine ungewöhnliche Farbigkeit lassen sofort erkennen, daß es sich um kein Porträt der Medici-Familie handeln kann. Es ist eine nicht uninteressante allegorische Darstellung des bisher wenig beachteten Barockmalers Simone Pignoni.

Im Umfeld der Porträtanhäufung fallen Kleinplastiken wie die "Venus nach dem Bade" von Giambologna einprägsam auf. Die bronzene Kleinstatue des manieristischen Bildhauers stammt jedoch ohnehin aus dem Bestand der Wiener Kunstkammer. An die 90 Arbeiten wurden für die Wiener Schau aus Eigenbeständen ergänzend zu den bereits in der Münchner Hypo-Kunsthalle gezeigten Werken hinzugefügt. In Erinnerung bleibt eine weitere manieristische Kleinskulptur: Benventuo Cellinis mythologische Statuette "Ganymed" aus dem Bargello in Florenz gehört in ihrer Leichtigkeit und Eleganz zu den besten Objekten.

Sehenswert sind auch einige kunsthandwerkliche Leihgaben aus dem "Museo degli Argenti": etwa die Lapislazuli-Schalen im florentinischen Stil - Meisterwerke aus den Werkstätten toskanischer Edelsteinschneider. Insgesamt aber enttäuscht die Ausstellung ein wenig. Dies liegt an der Konzentration auf die Personendarstellungen, am Fehlen künstlerisch hochkarätiger Werke, an der wenig aufregenden Konzeption und der unzeitgemäßen Ausstellungsgestaltung. Eine Reise nach Florenz bleibt immer noch als Alternative.

Bis 6. Juni 1999.

Kunsthistorisches Museum im Palais Harrach, 1010 Wien, Freyung 3, täglich 10 bis 18 Uhr.

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