Bestechende Schönheit und Eleganz

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Zum 400. Geburtstag des flämischen Meisters Anton van Dyck zeigt die Alte Pinakothek in München zusätzlich zu ihrer eigenen Sammlung erlesene Leihgaben.

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Zum 400. Geburtstag des flämischen Meisters Anton van Dyck zeigt die Alte Pinakothek in München zusätzlich zu ihrer eigenen Sammlung erlesene Leihgaben.

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Er war noch ein Jüngling, dem kaum der Bart sproß. Neben seiner Jugend zeichneten ihn Ernst und Bescheidenheit sowie der Adel seiner Erscheinung aus, obwohl er klein von Gestalt war. Sein Auftreten glich mehr dem eines Adeligen als eines Bürgerlichen; auch fiel er durch seine erlesene Kleidung auf.

Im Atelier von Rubens im Umgang mit Edelleuten vertraut geworden und auch auf Grund seiner natürlichen Vorzüge wollte er die Aufmerksamkeit auf sich lenken. So kleidete er sich nicht nur in Seide, sondern schmückte seinen Hut mit Federn und trug quer über die Brust eine goldene Kette ..." so beschreibt der Kunstschriftsteller Giovanni P. Bellori 1672 den jungen Künstler Anthonis van Dyck, und so begegnet er etwa in dem Münchener Selbstporträt von 1620: liebenswürdig selbstbewußt, mit distinguierter Eleganz in Haltung und Ausdruck. Der Zweiundzwanzigjährige sieht sich am erfolgreichen Beginn seiner Künstlerkarriere, die ihn später neben die ganz Großen seiner Zeit, neben Velazquez und Frans Hals stellen wird.

Mit zehn Jahren in der Lehre des Manieristen Henrik van Balen, malt er, ausgestattet mit hoher malerischer Begabung, mit vierzehn Jahren sein erstes Porträt, ist mit neunzehn Meister in der Antwerpener Lukasgilde, besitzt schon bald sein eigenes Atelier und arbeitet seit 1617 in der berühmten Werkstatt von Peter Paul Rubens. Daß es van Dyck dennoch gelingt, sich von dem übermächtigen Vorbild des großen Flamen zu befreien und eine ganz eigenständige und richtungsweisende Porträtkunst zu entwickeln, die bewegtes Pathos mit feinisinnigem Sentiment vertauscht, verdankt er seinem sechsjährigen Aufenthalt in Genua, Rom und Palermo und begründet seinen Ruhm vor allem während seiner zweiten Antwerpener Periode seit 1627, schließlich als Hofmaler Karls I. von England mit einer kurzen Unterbrechung bis zu seinem Tode 1641. Geadelt, mit festem Jahresgehalt, einem umfangreichen Werkstattbetrieb und vornehmen Wohnsitz an der Themse, genießt er hohes Ansehen. Der englische König selbst wie auch Maria von Medici suchen den Künstler persönlich auf, um seine kostbare Tizian-Sammlung zu bewundern. Dennoch muß van Dyck am Ende in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten bei seinem despotisch regierenden Herrscher längst ausstehende Zahlungen und Gehälter anmahnen.

Wer in den kommenden Wochen die Alte Pinakothek in München besucht, sollte verweilen ehe er den großen Rubens-Saal erreicht. Die Galerie besitzt nicht nur eine der größten und schönsten Sammlungen von Werken van Dycks, sondern sie zeigt anläßlich des 400. Geburtstages des Künstlers als Gäste vier Werke, die den eigenen Bestand ergänzen.

"Achill unter den Töchtern des Lykomedes" aus dem Prado belegt die gemeinsame Autorschaft mit Rubens, der das Bild noch einmal ganz übergangen hat, ehe er es unter Hinweis auf seinen besten Schüler schließlich an den spanischen König Philipp IV. verkaufen konnte. Der Dramatik des Moments, als Odysseus den in Damenrobe verkleideten Achill entlarvt, entspricht die bewegte Komposition, die sich durch ein stark farbiges, metallisch schimmerndes Kolorit auszeichnet.

Die Werke der italienischen Zeit, wie der "Hl. Sebastian" oder das wundervolle Bild der "Susanna im Bade" bestimmt eine gedämpfte Palette und weiche Übergänge. Der reiche Bestand aus der sogenannten zweiten Antwerpener Periode zeigt herausragende Porträtbildnisse reicher, vornehmer Bürger oder auch Künstler - Georg Petel, Pieter Snayers, Jan de Wael mit seiner Frau - in gedämpften Farben und ruhigen Posen, denen kleine Details, Gesten oder Haltungen eine momentane Lebendigkeit verleihen. Mit großer malerischer Bravour werden changierende Töne, Lichtreflexe, Stofflichkeit der Materialien und Feinheiten in der Darstellung der Individualität gestaltet. Neue farbliche Qualitäten zeigt "Amaryllis und Mirtillio" aus der Sammlung Schönborn, Pommersfelden aus dem Jahr 1632, das in seiner barocken Gestimmtheit schon auf Watteau zu verweisen scheint.

Aus der Spätzeit besitzt die Alte Pinakothek zwar eine sehr eindrucksvolle, expressive "Beweinung Christi" (1634), aber kein Porträt. Der Verlust des monumentalen Reiterbildnisses "Charles I. zu Pferd", 1706 von Kaiser Joseph I. an den Herzog von Marlborough abgegeben, heute in London, hat eine schmerzliche Lücke hinterlassen, die vorübergehend durch zwei herausragende Leihgaben aus der National Gallery beziehungsweise aus dem Besitz des Fürsten von Liechtenstein andeutungsweise geschlossen wird.

In "William Feilding, 1st Earl of Denbigh"(1633) begenet dem Betrachter ein vornehmer Brite, in indischer, rosafarbenen Seidenbekleidung, in orientalischer Landschaft mit Palme und Papagei, begleitet von einem kindlichen Diener in goldfarbenem Rock und buntem Turban, der Höfling als Reisender in ferne Länder. "James Hamilton, Marques und Duke of Hamilton" (um 1640), engster Vertrauter des Königs, postiert sich in voller Rüstung in felsigem Gelände. Wie sein Monarch einer der größten Kunstsammler des Landes, wurde er wenige Wochen nach diesem hingerichtet. Dem Repräsentationsbedürfnis des jeweiligen Auftraggebers vermag der Künstler in bestechender malerischer Schönheit und Eleganz zu entsprechen, während er das "Drumherum" längst den spezialisierten Mitarbeitern seiner Werkstatt überläßt.

Bis 27. Februar 2000 Alte Pinakothek, Barerstraße 27, 80333 München Tel.: (0049) 89 23 80 50.

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