Die Kunst der Verlegenheit

19451960198020002020

"Von Brueghel bis Makart" in der Salzburger Residenzgalerie.

19451960198020002020

"Von Brueghel bis Makart" in der Salzburger Residenzgalerie.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Salzburger Residenzgalerie wollte im Festspielsommer dem internationalen Publikum mit der Sonderausstellung "Sehnsucht Süden - Französische Barockmaler in Italien" eine besondere Schau präsentieren. Ein fertiges Konzept lag auf dem Tisch, die Autoren für den Katalog waren gefunden und manche Leihverträge bereits unterschrieben, da sah sich die Leitung der Salzburger Landessammlung doch nicht in der Lage, das Projekt zu verwirklichen - wegen finanzieller Schwierigkeiten.

Der Hof der ehemaligen fürsterzbischöflichen Residenz dient wieder als Spielstätte der Festspiele für "Iphigenie auf Tauris". Glucks Oper feiert die Abwendung des drohenden Unglücks, Iphigenie entgeht mit ihrem Bruder Orest dem Unheil. Eine solche positive Zukunft ist der Residenzgalerie zu wünschen, die aus der gegenwärtigen Not eine Tugend machte und unter dem Titel "Von Brueghel bis Makart" seinen beachtlichen Schatz aus vier Jahrhunderten zugänglich macht. In 15 Sälen wird ein großer Teil des Sammlungsbestandes gezeigt, der von der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts über Werke italienischer und französischer Meister bis hin zum Biedermeier reicht.

Die Geschichte der Residenzgalerie war stets bewegt. Kurz vor der Angliederung Salzburgs 1816 an Österreich verlor das Land nicht nur seine politische Selbstständigkeit, sondern auch einen überwiegenden Teil des in Jahrhunderten gesammelten Kunstschatzes. Mehrere europäische Kulturzentren bedienten sich des historisch gewachsenen Kulturerbes. Erst 1923 kam es zur Gründung der Residenzgalerie, die schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wieder aufgelöst wurde und erst 1952 wiedereröffnet werden konnte. Das heutige Hauptkontingent der rund 350 Bilder bilden die Sammlungen Czernin - vom Land Salzburg in den Achtziger Jahren erworben - und Schönborn-Buchheim.

Es liegt in der Natur dieser Ausstellung, dass ein roter Faden nur schwer zu knüpfen ist. Macht nichts, denn allein die ausgestellten Werke flämischer Meister lohnen den Gang in die Residenzgalerie.

War in der italienischen Renaissance die Kunst aus dem religiösen Raum herausgetreten und die irdische Wirklichkeit darstellenswert geworden, so durchbricht die holländische Malerei die Darstellung der idealisierten Wirklichkeit. Nun geht es um das Verhältnis des einzelnen, privaten Menschen zu seinem Mitmenschen, zu seiner nächsten Umgebung und zur Landschaft, also zum unbegrenzten freien Raum. Es entsteht, beinahe auf einen Schlag, eine ganze Reihe neuer Bild-Typen und Bild-Gegenstände, das Genre-Bild, Gruppen-Porträt, Innenraumbild, Architekturstück, Tierstück, Stilleben und das Landschaftsbild, einschließlich der See-Stücke. Sicher haben einige dieser Gattungen eine längere Vorgeschichte, in der Regel findet und betreibt jeder Maler daraus nur eines als seine Spezialität.

Jan Brueghel d. Ä. (1568 bis 1625) führt dem Betrachter mit "Dorflandschaft mit Figuren und Kühen" (1620) trotz seines kleinen Formates eine sogenannte "Weltenlandschaft" vor Augen. Er gibt zwar exakte Details eines ländlichen Dorfes wieder, erzielt aber durch das "Blau der Ferne" eine unendliche, fast kosmische Tiefe.

In den flämischen Landschaftsbildern wird eine farbenkräftige, üppige Vegetation gezeigt, worin sich die überschwängliche Lebenslust der höheren Gesellschaftsschichten spiegelt. Szenen der klassischen antiken Mythologie sind oft in diese Landschaftsbilder eingebettet, so bei "Diana nach der Jagd ruhend" von Hendrik van Balen (1575 bis 1632).

Der bedeutendste Vertreter der flämischen Barockmalerei, Peter Paul Rubens (1577 bis 1640), ist in der Sammlung mit dem Gemälde "Satyr und Mädchen mit Fruchtkorb" (um 1612) vertreten. Satyr, aus dem Gefolge des Gottes Dionysos, der in der mythologischen Dichtung Frauen und Nymphen verfolgt und verführt, ist nackt, mit Hörnern und spitz auslaufenden Menschenohren dargestellt. Sein humorvolles Gemüt ist durch sein verschmitztes Lachen charakterisiert.

In den Niederlanden war der Besitz von Luxusgütern bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung dank des florierenden Handels nicht mehr nur das Privileg der Adeligen. Die Bildgattung Stilleben, beispielhaft bei Jan Davidsz de Heems (1606 bis 1684) "Frühstückstisch mit Champagnerglas mit Pfeife" (1642), spiegelt ein sehr komfortables, sehr einträgliches Leben der städtischen Gesellschaft wieder. Auf einem Holztisch mit gerafftem Tischtuch türmen sich exquisites Tafelgeschirr und kostbare Früchte zu einer klassischen Dreieckskomposition. Von den hervorragenden malerischen Qualitäten Jan Davids zeugen der fein ziselierte Goldbecher neben dem venezianischen Champagnerglas oder die angeschnittene Zitrone, deren saftiges Fruchtfleisch und plastisch modellierte Schale die Sinne des Betrachters anregen. Sehr zart sind die Farbtöne und raffiniert die Lichtführung.

Österreichische Meisterwerke des 19. Jahrhunderts unter anderen von Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich Amerling und Josef Danhauser runden die Präsentation ab. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Bilder von Hans Makart (1840 bis1884), der mit seinem Stil eine ganze Epoche bestimmte. Der gebürtige Salzburger, nach ihm ist übrigens der Platz zwischen Landestheater und Dreifaltigkeitskirche benannt, ist mit dem markanten "Bildnis seiner ersten Frau Amalie" repräsentiert.

Bis 19. November

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung