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VENEDIG IN BILDERN

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Fast das ganze Jahr über dokumentiert Venedig seinen Ehrgeiz, die Kulturmetropole Italiens zu sein. Festivals der Neuen Musik, des Experimentaltheaters, des Films werden, auch wenn sie, dank eines extremen Avantgardismus „ä la mode“, zeitweise wenig Publikum haben, mit bewundernswerter Konsequenz und Intensität abgehalten. Vor allem aber in der bildenden Kunst hat die Lagunenstadt mit Engagement und viel Geschick ihre, man kann fast sagen, europäische Position im internationalen Ausstellungs- und Kur.stmarktgetriebe wie eine Festung zu verteidigen verstanden.

So präsentiert Venedig seine großen und kleinen Meister der Malerei in vorzüglich vorbereiteten Retrospektiven, die dem internationalen Tourismus starken Anreiz bieten, zugleich aber der Fachwelt für ihre Forschungen neue wissenschaftliche Impulse vermitteln. Nachweislich sind die meisten der umfangreichen, oft sogar unter einem bestimmten Motto zusammengetragenen Expositionen gewissermaßen zu Initialzündungen für entscheidende Revisionen der Kunstdeutungen, für neue geistesgeschichtliche Kombinationen, zu Ausgangspunkten der Lösung ikonographischer Probleme geworden. Canaletto, Carpaccio, Guardi, Tizian sind dank der auf Grund dieser Ausstellungen gewonnenen Erkenntnisse in vielen Hinsichten neu gesehen, neu interpretiert worden.

Speziell im Falle der Brüder Guardi wurde im Jahre 1965 eine kritische Analyse ediert, die die wesentlichsten Momente und Aspekte der Guardi-Forschurtg resümierte, darüber hinaus Bedeutendes für die Zuschreibung und Datierung vieler bisher falsch bestimmter Gemälde und Zeichnungen geleistet hat. Mehr noch: sie bietet ein mit Akribie und Flair für das Sujet entworfenes kulturgeschichtliches Dokument.

Ähnliche Funktion kommt auch einer fast 200 Exponate umfassenden Schau venezianischer Vedutenmaler des Settecento zu, deren Bilder in den Appartements des Dogenpalastes untergebracht wurden. Viele dieser Meister, Luca Carlevarijs, Marco Ricci, Canaletto, Beilotto, Marieschi, Stom, Visentini oder Zucarelli, gefeierte Künstler mit raffiniertem Schönheitsempfinden und leichter Hand im Hinpinseln luftiger Dekorationen, haben ihre Werke in unzählige Fürstentümer Europas exportiert, das Prunkbedürfnis dieser großen und kleinen Höfe zu befriedigen. Die Schöpfungen etlicher von ihnen hängen heute als „uralter“, exquisiter Kollek tionsbestand in den Gemäldegalerien in Wien, Berlin, Dresden, London, Paris, Rom, Warschau, ebenso aber auch als neuere Erwerbungen in amerikanischen Museen.

Mit urvenezianischer Sensibilität für Kultur der Formen, die Spiele von Licht und Schatten, mit Fingerspitzengefühl für das pastose Aufträgen gebrochener koloristischer Valeurs, für heiter prangende Arrangements und Dekorationen sind die Palazzi und Palazzetti festgehalten: Camerlenghi, Pisani, Cavalli, Ca’ Pesaro, Ca’ doro. Das milde Sonnenlicht, die Tönung des Himmels lassen sie fast schweben. Der Betrachter fühlt sich zuweilen in die Szene hineingezogen. Etwa in die Aufzüge des „Gründonnerstagsfestes auf der Piazzetta“. Er schreitet vorbei an Kirchen, über zierliche Stege. Steht plötzlich vor einer Vedute Guardis, die Palladios pompösen Entwurf für die Rialto-Brücke schon als Realität setzt. Über drei gewaltigen Bogen, die zur Durchfahrt dienen, erhebt sich eine imposante hellenistische Tempelanlage mit breit ausschwingenden Seitentrakten.

Zentrales Erlebnis all dieser Maler ist jedenfalls Venedig.

Sooft sie auch die Residenzen des Rokoko in Stimmungsporträts festgehalten haben, wie etwa Bellotto Wien, Dresden, München, Warschau, sie kehren doch immer wieder nach San Marco, auf die Piazetta, in die engen Callen zurück. Auf die Plätze, wo elegante Kavaliere mit ihren geschmückten Damen promenieren, wo sich die Volksmassen drängen. Sieht man aber von den Sujets ab, so erkennt man in den Meisterwerken das „moderne“ Fluidum dieses pseudorealistischen Stils, der vom späten 19. Jahrhundert soviel vorweggenommen hat. Speziell in der Bewältigung von Licht-, Luft- und Farbproblemen, die hier geradezu mit stupender Artistik gelöst werden.

Giovanni Antonio Canal, kurz: Canaletto genannt, und sein Neffe Bellotto, diese beiden Repräsentationskünstler par excellence, illustrieren da den Kulminationspunkt venezianischer Malerei des Settecento. Die etwas steifen Veduten Joseph Heinz’ des Jüngeren und Gaspare van Wittels markieren Ansätze und auslösendes Moment im Seicento. Luca Carlevarijs’ frühromantische Szenerien und Marco Riccis idealistisch-phantastische, an Tiepolo geschulte Capricci mit ihren Tempel- und Palastruinen, Statuentorsi und Obelisken fixieren den Gegenpol zu den „Realisten“ dieser eminent verfeinerten Spätphase der venezianischen Kunstgeschichte.

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