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Aus dem Kunstbetrieb eines Titanen
Unter den „Rubens-Städten“ ist Wien eine der reichsten: An die sechzig Gemälde, vorwiegend aus Eigenbesitz, wird das Kunsthistorische Museum ab 15. April zeigen, über 160 Zeichnungen präsentiert bereits jetzt die Albertina, davon 53 „garantiert eigenhändige“ Rubens-Blätter. Rubens’ 400. Geburtstag, am 29. Juni, ist ein Anlaß, Generalbestandsaufnahme zu machen und in der Albertina kritisch zu sichten, was ganz fraglos von des Meisters Hand stammt, was davon Kopie des Meisters nach anderen berühmten Arbeiten der Zeit (etwa nach Tizian oder Michelangelo) und was überhaupt nur Studien von Zeitgenossen sind.
Unter den „Rubens-Städten“ ist Wien eine der reichsten: An die sechzig Gemälde, vorwiegend aus Eigenbesitz, wird das Kunsthistorische Museum ab 15. April zeigen, über 160 Zeichnungen präsentiert bereits jetzt die Albertina, davon 53 „garantiert eigenhändige“ Rubens-Blätter. Rubens’ 400. Geburtstag, am 29. Juni, ist ein Anlaß, Generalbestandsaufnahme zu machen und in der Albertina kritisch zu sichten, was ganz fraglos von des Meisters Hand stammt, was davon Kopie des Meisters nach anderen berühmten Arbeiten der Zeit (etwa nach Tizian oder Michelangelo) und was überhaupt nur Studien von Zeitgenossen sind.
Diese Bestandsaufnahme fällt für den staunenden Museumsbesucher imponierend, ungewöhnlich, ja unvergleichlich aus: eine Bilanz im gigantischen Kunstbetrieb eines „Titanen“, der wie nur wenige Künstler ein
Liebling seiner Zeit war. Ein Günstling des Glücks, der Monarchen, Reichsten und Mächtigsten Europas. Ein klar rechnender Kopf, der mit un- trügbarer Sicherheit seine Karriere aufbaute: als Künstler, der seine eigene Schule gründete und 2000 Bilder hinterließ, als Diplomat Vipcenzo Gonzagas und Isabellas der Infantin, als reicher Mann, der einen Palast in Antwerpen und später Schloß Steen bewohnte…
Die Sammlung derWiener Albertina ist freilich von einzigartigem Wert: Und nicht nur, weil darin so erlesene Schätze wie die Studie zu einer Grablegung sich befinden oder das Bildnis einer Ehrendame der Infantin Isabella, die herrliche, mit Kreide gehöhte Studie einer sitzenden Frau und die
Männerstudien; vor allem aber auch so erlesene Zeichnungen, wie Rubens sie nur im engsten Famüienkreis anfertigte, etwa von seinem Söhnchen Nikolaus, von Helene und Susanne Four- ment…
Die Wiener Sammlung kommt nämlich zu Teilen direkt aus dem Nachlaß Rubens’, weü Albertina-Gründer Herzog Albert von Sachsen-Teschen und seine Frau Maria Christine als Statthalter der Niederlande diese Schätze selbst erworben haben; zum anderen Teil stammen wichtige Blätter aus der einst berühmten Sammlung von Charles Prince de Ligne, die 1794 in Wien versteigert wurde.
Man hat es also in Wien mit Rubens der „Spitzenklasse“ zu tun. Und wie die Gemälde in ihrer leidenschaftlichen Farbigkeit diese Weltanschauung üppiger Sinnlichkeit demonstrieren, so tun dies auch die Studien, Skizzen und Zeichnungen in ihren Gesten, in den leidenschaftlich ausholenden Gebärden, die bis zum äußersten gehen, ohne daß man sie übertrieben finden könnte. Sie lassen spüren, was Rubens immer anstrebte: das ganze Glück oder Unglück in kühnem Arrangement einzufangen… Aber er tut das nicht wie Rembrandt in dunkler
Verhaltenheit, in zwiespältigem Aufwühlen und Sezieren eigener Gefühlswelt. Rubens hat in Italien studiert, bei Vincenzo Gonzaga, Tizian, Veronese, Tintoretto, Correggio, Man- tegna, Caravaggi.o kennengelernt; er hat Michelangelos Werke studiert, Spaniens Malerei kennengelernt. Und als er starb, hinterließ er sogar eine grandiose Sammlung fremder Werke: 19 Bilder von Tizian, 17 von Tintoretto, sieben Veroneses, Werke von Raffael, Ribera, van Eyck, Holbein, Brouwer und dem älteren Breughel. Und sie waren gewissermaßen seine „Bibliothek“, berichten uns - wie Stefan Zweig schreibt - „über die Art seiner Lektüre und seines Gefühls. Und dazu kamen noch, um seinen Geschmack am besten zu bekunden, 32 Kopien Tizians, die er selber angefertigt hatte“.
Jedenfalls hat Rubens auch in seinen Zeichnungen jenen kühnen Schwung der Komposition, der den Monsterhistorien und dramatischen Allegorien eigen ist. Ja, in den Zeichnungen fehlt außerdem der Zwang, den Machtanspruch der Herrschenden künstlerisch zu legitimieren. Und da findet Rubens eine diskretere, feinere Sprache und Vortragsweise. Da wird die antik-freizügige Pikanterie seiner Gemälde ins Intim-Menschliche abgewandelt Da werden die pompös auftrumpfenden „Rubens-Frauen“ ein bißchen der Sinnenlust entkleidet und mitunter mit einem Schuß flämischer Lieblichkeit umgeben.
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