Eine feine und angenehm zurückhaltende Schau über "Das Zeitalter Rembrandts" zeigt die Wiener Albertina. Die Darstellung der künstlerischen Vielfalt eines ganzen Jahrhunderts steht dabei im Vordergrund. Zu sehen sind 190 Werke von über 70 Malern.
Die Wirtschaft blüht. Alles ist im Aufschwung. Während ganz Europa in der Krise steckt, gelingt es einem kleinen Land, zur wirtschaftlichen und kulturellen Weltmacht aufzusteigen. Schriftsteller, Gelehrte und Künstler zieht es scharenweise an und die florierende Wirtschaft führt dazu, dass wohlhabende Bürger begeistert Kunst zu sammeln beginnen. Für die kleine Republik der "Sieben Vereinigten Niederlande" war das 17. Jahrhundert ein "Goldenes Zeitalter", während das übrige Europa mit Stagnation und Rezession zu kämpfen hatte. Eine großartige Epoche für die Entwicklung der bildenden Kunst. Denn der freie Markt regte die künstlerischen Produktionen an und führte dazu, dass innerhalb kürzester Zeit verschiedene neue und lebensnahe Bildgattungen wie die Landschaft, die Stadtansicht oder das Stillleben entstanden. Die oft nach dem Leben gefertigten Werke spiegelten das Selbstbewusstsein des Bürgertums, das nun in Porträts ebenso bildwürdig wurde wie die Aristokratie.
Mehr als ein Marketing-Gag
Durch die große Nachfrage kamen der Zeichnung und der Druckgrafik besondere Bedeutung zu. Mittels dieser Techniken konnten die Künstler viel rascher reagieren als bei großen Ölgemälden und ihre Bildideen schneller verbreiten. Welch herausragende Blätter diese Blütezeit hervorgebracht hat, zeigt jetzt die Ausstellung "Das Zeitalter Rembrandts" in der Wiener Albertina. Bei einem solchen Titel mutmaßt man sofort, Rembrandt wäre hier nur das Werbetestimonial zum Anlocken von Besuchermassen. Nicht so in diesem Fall. Denn die Schau mit 150 Werken aus der Albertina und 40 Leihgaben hat nicht nur mehr Rembrandt-Werke zu bieten, als man vermutet hätte - sie ist auch sonst reich an Highlights von etwa 70 weniger bekannten Künstlern. Vor allem ist sie überzeugend aufgebaut, sodass sich die Werke von einzelnen Künstlern harmonisch in den Gesamteindruck fügen. Beim Rundgang entdeckt man so manche Perle wie Gerbrand van den Eeckhouts "Knabe mit Turban". Das mit breiten, bräunlichen Pinselstrichen gemalte Porträt eines Kindes fasziniert aufgrund der lockeren Malweise und der psychologisch tiefgründigen Darstellungsweise. Kein Wunder, dass man es einmal sogar fälschlicherweise Jean-Honoré Fragonard aus dem 18. Jahrhundert zugeschrieben hatte. Auch Jan van Goyens harmonische, in Braun-Ockertönen gemalte "Flachlandschaft" prägt sich nachhaltig ein. Schließlich handelt es sich hier um ein Bild, das zeigt, wie der realistische Blick auf die Natur in der Kunst immer bedeutender wurde.
Dem Ausnahmekünstler Rembrandt ist ein eigener Bereich gewidmet, der neben einigen Ölbildern wie dem "Kleinen Selbstbildnis" (um 1665) aus dem Kunsthistorischen Museum vor allem Zeichnungen und Grafiken aus der hauseigenen Sammlung präsentiert. Darunter die legendäre "Elefantenskizze" oder eine seiner meistgeschätzten Radierungen, das "Hundertguldenblatt". So genannt, weil der Legende nach sogar Rembrandt selbst 100 Gulden für ein Exemplar seiner heiß begehrten Grafik bezahlen musste. Zeichnungen und Druckgrafik waren für Rembrandt gleichbedeutend wie die Malerei - ganz im Unterschied zu Rubens, für den sie lediglich zur Reproduktion von Gemälden dienten. Anders als die meisten Zeitgenossen, die sich auf eine Gattung spezialisiert hatten, war Rembrandt auch in allen damals üblichen Bildgattungen von Landschaft über Historie und Stillleben bis zu Porträt und Selbstporträt zu Hause. Besser als an Ölbildern lassen sich an den kleinen, skizzenartigen Grafiken die Experimentierfreude Rembrandts und sein künstlerischer Einfallsreichtum nachvollziehen. So sieht man anhand der unterschiedlichen Blätter, dass Rembrandts Papierauswahl ungewöhnlich war. Neben europäischen Bütten verwendete er auch ostasiatische Papiere, um die Farbigkeit des Bilduntergrunds oder die Feinheit der Linienstruktur zu variieren. Rembrandt nutzte die technischen Möglichkeiten der Radierkunst als bedeutendster Maler-Radierer wie kein Zweiter in der Kunstgeschichte. Sein gesamtes druckgrafisches Schaffen präsentiert sich als "work in progress". So gibt es kaum eine Radierplatte, die Rembrandt nicht einmal oder mehrmals radikal veränderte - wie zwei Blätter mit verschiedenen "Druckzuständen" einer "Kreuzigungsszene" veranschaulichen.
Rückbesinnung auf hauseigene Bestände
Eine feine und angenehm zurückhaltende Schau mit einem schwergewichtigen und fundierten Katalog. "Das Zeitalter Rembrandts" wird wohl nicht an die Besucherzahlen der Van-Gogh-Personale heranreichen. Dafür vermag die Ausstellung aber museumspolitisch Einiges zu leisten, indem sie zeigt, dass ein Haus wie die Albertina auch ohne spektakuläre Leihgaben, dafür aber durch umso präzisere Zusammenstellungen allein aus den hauseigenen Beständen noch Jahre phantastische Ausstellungen bestreiten könnte.
Das Zeitalter Rembrandts
Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien
bis 21. 6. 2009, tägl. 10 -18 Uhr, Mi 10 -21 Uhr
Katalog, hrsg. von Klaus Albrecht Schröder und Marian Bisanz-Prakken, Hatje Cantz, Ostfildern 2009, 416 S., e 29,-
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