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Rembrandt -Verhör ohne Rembrandt

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In München ist zur Zeit ein Bilderstreit entbrannt, in dem viel von Rembrandt gesprochen wird. Der Streit hat sein Gutes, denn sicher weckt er die Neugier des Publikums und stärkt die Popularität der Münchner Kunstsammlungen, wenn er auch sonst nicht sehr erfreulich ist. Die Einwände des Generaldirektors der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, Prof. Dr. Ernst Buchner, der in einem Interview erklärt hat, die Tagespreise sei nicht der rechte Ort, um über derartige Kunstprobleme zu diskutieren, konnten nicht verhindern, daß der Florettkampf in Sachen Kunst in der Oeffentlichkeit stattfand. Schließlich geht es jeden etwas an,

wenn die Frage auftaucht, ob die im letzten lahr zum 350. Geburtstag Rembrandts aus dem Depot der Pinakothek geholten und im Haus der Kunst ausgestellten zwei Porträts (es handelt sich um eine Dame in Brokat mit Goldstickerei und um einen Herrn in schwarzem Taft mit einem breitkrempigen Hut) echte Rembrandts sind oder nicht! Professor Büchner sagte „ja“ und ließ an den Bilderrahmen die Aufschrift „Rembrandt Harmensz van Rijn“ anbringen, obwohl die Gemälde früher schon einmal als „Kopien nach Rembrandt“ bezeichnet worden waren. Martin Porkay dagegen, der durch eine Reihe sensationeller Entlarvungen bekannt gewordene ungarische Kunstexperte, protestierte mit einem temperamentvollen „Nein“.

Nun gibt es im Metropolitan-Museum in New York (aus der Sammlung Jesup) zwei Bilder, die den Münchner Porträts gleichen und früher als echte Werke Rembrandts ausgestellt waren, sich aber dann angeblich als Arbeiten aus dem 19. Jahrhundert entpuppt haben. Es ist interessant, daß auch in diesem Fall Martin Porkay als erster die Echtheit der New-Yorker Bilder bestritten und 1922 in einer Budapester Wochenzeitung entlarvt hat. Porkays Idee, die beiden Bilder des Metropolitan-Museums nach München zu holen, um bei einer vergleichenden Untersuchung mit den beiden Münchner Porträts den Komplex zu klären, wurde von der Pinakothek kürzlich verwirklicht.

Nach langwierigen Untersuchungen mit Quarzlampe, Spektralanalyse und Röntgenschirm ist jetzt das Ergebnis in einer Sonderausstellung im Haus der Kunst in München der Oeffentlichkeit gezeigt worden. Doch leider muß nach den Eröffnungsworten des Galeriedirektors und nach Betrachtung der Ausstellung. in der die strittigen Oelporträts inmitten einer Fülle von Mikro- und Makro-Photos hängen, gesagt werden, daß hier mehr Verwirrung als Klärung gestiftet wurde.

Während bei der Untersuchung in München bestätigt wurde, daß die amerikanischen Bilder keine Rembrandts sind, scheinen die Bilder der Pinakothek zu Rembrandts Lebenszeit um 1633 entstanden zu sein. Darum will Professor Buchner das zweifelhafte Frauenporträt künftig als „Rembrandt-Schule“ und das Herrenporträt unter der Bezeichnung „Rembrandt zugeschrieben“ im Katalog der Pinakothek führen. Dabei degradiert das Untersuchungsergebnis das Münchner Frauenporträt ganz entscheidend, wobei es nicht einmal möglich war, das Gemälde einem namentlich bekannten und stilkritisch erfaßbaren Schüler Rembrandts zuzuweisen, so daß die Bezeichnung „Rembrandt-Schule" völlig in der Luft hängt.

Leider hat man versäumt, Porkays Anregung aufzugreifen und ein wirklich authentisches Porträt von Rembrandt, und zwar das ebenfalls um 1633 entstandene Porträt des Dichters Jan Harmensz Krul aus der Kasseler Galerie beizuziehen. Gerade dieses Porträt wäre bei dem ganzen Fall entscheidend, weil nach Porkays Auffassung der Maler del Mühchner Herrenporträts von diesem Bild die Haltung, den Hut, den Kragen, den linken Arm und dazu noch den Säulenbogen auf der rechten Seite kopiert hat. Bei einer solchen Gegenüberstellung hätte sich herausgestellt, warum die New-Yorker Bilder schon seit längerer Zeit nicht mehr als echte Rembrandts galten und warum die Münchner Bilder zweifellos als Werke des großen Meisters abgeschrieben werden müssen.

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