6808465-1972_20_16.jpg
Digital In Arbeit

Was Rußlands Sammler eingekauft haben

19451960198020002020

Österreichs Kulturabkommen mit der Sowjetunion, anläßlich des Gastspiels des Moskauer Bolschoi-Theaters in der Staatsoper von UdSSR-Kulturminister Frau Furtsewa erneuert und bekräftigt, zeitigt bereits neue Ergebnisse. Im Rahmen eines umfangreichen Ausstellungstausches zeigt die Wiener Albertina einen Monat lang 150 ausgewählte Zeichnungen aus dem weltberühmten Graphischen Kabinett der Leningrader Eremitage, dem Moskauer Puschin-Museum und den Tretjakow-Sammlun-gen. Die Ausstellung wird vom 24. Mai bis 25. Juni in Wien zu sehen sein und anschließend einen Monat in der Grazer Neuen Galerie am „Joanheum“ gezeigt.

19451960198020002020

Österreichs Kulturabkommen mit der Sowjetunion, anläßlich des Gastspiels des Moskauer Bolschoi-Theaters in der Staatsoper von UdSSR-Kulturminister Frau Furtsewa erneuert und bekräftigt, zeitigt bereits neue Ergebnisse. Im Rahmen eines umfangreichen Ausstellungstausches zeigt die Wiener Albertina einen Monat lang 150 ausgewählte Zeichnungen aus dem weltberühmten Graphischen Kabinett der Leningrader Eremitage, dem Moskauer Puschin-Museum und den Tretjakow-Sammlun-gen. Die Ausstellung wird vom 24. Mai bis 25. Juni in Wien zu sehen sein und anschließend einen Monat in der Grazer Neuen Galerie am „Joanheum“ gezeigt.

Werbung
Werbung
Werbung

„Eigentlich sind ja die Österreicher mit .schuld', daß die Leningrader Eremitage eine so repräsentative graphische Sammlung besitzt“, meint Albertina-Direktor Hofrat Dr. Walter Koschatzky: „1768, also im Jahr der Gründung der Albertina, mußte Österreichs Botschafter in Brüssel, Graf Karl Cobenzl, seine berühmte Graphiksammlung wegen eines finanziellen Engpasses an den Zaren verkaufen. Diese Sammlung bildete einen Grundstock des Eremitage-Kabinetts.“

Die Eremitage ist übrigens Rußlands ältestes Museum. Der Bau entstand in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts als Palastmuseum der Zaren. Der systematische Ausbau allein der graphischen Kollektionen, die bis in die Gegenwart reichen, hat sie in Umfang und Qualität ähnlich der Albertina zu einer der größten Sammlungen der Welt gemacht.

Das zweite an der Albertina-Schau beteiligte Museum ist das staatliche Puschkin-Museum, 1912 als Museum der Moskauer Universität eröffnet und heute Rußlands zweitgrößtes Museum für westliche und orientalische Kunst. Seine Zeichnungensammlung wuchs aus einer vom russischen Kanzler Graf Nikolai Rumjanzew (1753 bis 1826) zusammengetragenen Privatkollektion. Besonders reichhaltig ist im Puschkin-Museum die russische Kunst vertreten: Der Bestand russischer Werke umfaßt heute ungefähr 350.000.

Westliche wie russische Kunst sammelt auch die Moskauer Tret-jakow-Galerie. Sie ist das größte Museum russischer Kunst und entstanden aus der Privatsammlung eines russischen Kaufmanns, Pawl Tretjakow, der 1892 seinen Besitz der Stadt Moskau schenkte. Der Ausbau der Sammlungen fällt allerdings erst in die Zeit nach 1917.

Für die Wiener Ausstellung hat man vor allem Spitzenwerke europäischer Schulen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert ausgewählt. Hauptwerke sind Dürers „Maria mit dem Kind“ und die „Allergorie der Rechtsprechung“, das erstere Blatt ist ein Entwurf für ein Glasfenster der Nürnberger Sebalduskirche von etwa 1515, das zweite ein Werk, knapp vor 1500 entstanden, das starke italienische Einflüsse zeigt. Hervorragend vertreten sind die

Meister Albrecht Altdorfer, Hans Holbein, Francois Clouet, Jost Amman, die beiden Carracci, Jan van Goyen, Ostade, Jacques Callot. Rembrandt ist mit seinem „Schauspieler“ und der „Parabel vom ungetreuen Diener“, Rubens mit der „Steinigung des heiligen Stephanus“ vertreten. Blätter von Tiepolo, Guardi, Canaletto, Poussin, Boucher runden das Bild des „romanischen“ 18. Jahrhunderts.

Gespannt kann man auch auf eine kleine Matisse-Schau sein, dessen graphisches Oeuvre in den russischen Sammlungen besonders qualitätvoll und reichhaltig vorhanden ist. Erstmals außerhalb Rußlands wird außerdem eine Schau russischer Zeichenkunst des 19. und 20. Jahrhunderts präsentiert: Werke von Meistern, die uns größtenteils bloß aus Büchern bekannt sind, so Karl Brüllow (1799 bis 1852), Alexander Iwanow (1806 bis 1858), Orest Kiprenski (1782 bis 1836), Ilja Repin (1844 bis 1930), Michail Wrubel (1856 bis 1910) und Valentin Serow (1865 bis 1911). Marc Chagall wird übrigens in dieser Sammlung ebenso vertreten sein wie die frühesten Zeichner des sozialistischen Realismus: Wladimir Faworsky (1886 bis 1964), Sergej Gerassimow (1885 bis 1964) und Wladimir Lebedew (1891 bis 1967).

Als Gegenleistung für diese repräsentative Ausstellung „gastiert“ die Wiener Albertina im Spätherbst 1972 mit 150 ihrer kostbarsten Werke: Mit einer Retrospektive, die von Dürer, Rembrandt, Rubens über die großen österreichischen Barockmeister und Biedermeierkünstler bis zu Klimt Schiele reicht. Die Schau wird in Moskau und in Leningrad zu sehen sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung