Das Sammeln ist des Sammlers Lust

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Was wäre die Kunstwelt ohne Kunstsinnige, ja Kunstverliebte, die ihr Leben lang mit Kennerschaft sammelten und ihre Kollektion der Öffentlichkeit zugänglich machten... Das war vor Jahrhunderten so und ist heute nicht anders. Einem großen Mann, dem das Museum einen Grundstock verdankt, wird derzeit im Kunsthistorischen Museum eine Ausstellung gewidmet: Erzherzog Leopold Wilhelm steht im Zentrum einer kleinen Schau der Reihe "Intermezzo". Zuletzt hatte man auch in der Albertina umfassend die Wurzeln der Sammeltätigkeit des Begründers Albert von Sachsen-Teschen nachvollziehen können. Während man sich in den traditionsreichen Museen historischer Sammlerfiguren erinnert, haben deren heutige Pendants in den vergangenen Jahren eigene Ausstellungshäuser errichtet, um ihre Sammlung zugänglich zu machen: Dem internationalen Trend, Werke aus der eigenen Kollektion nicht nur an bestehende Museen zu verleihen, sondern diesen vielmehr ein Zuhause zu schaffen, ist hierzulande nicht nur Karlheinz Essl, dessen Museum in Klosterneuburg heuer seinen 15. Geburtstag feiert, gefolgt. In den vergangenen Jahren kamen die Ausstellungshäuser von Herbert Liaunig, dessen Museum in Kärnten derzeit erweitert und im Mai 2015 wieder eröffnet wird, und Heinz J. Angerlehner, der 2013 ein Museum in Thalheim bei Wels stiftete, hinzu.

Größter Gründungsvater

"Jeder Sammler träumt davon, dass seine Sammlung als solche erhalten bleibt", sagt Gerlinde Gruber, Kuratorin des Kunsthistorischen Museums. Sie hat anlässlich des 400. Geburtstags von Erzherzog Leopold Wilhelm die Ausstellung "Sammellust" kreiert, die dessen "außergewöhnliche und umfassende Sammeltätigkeit" präsentiert. "Leopold Wilhelm leistete einen wesentlichen Beitrag zur Fülle und Vielfalt der heutigen Sammlungen des Kunsthistorischen Museums". Er erwarb rund 1.400 Gemälde, 350 Zeichnungen und mehr als 500 Kunstkammerstücke, darunter Werke von Tizian, Van Eyck, Giorgione, Raffael und Rubens. Gerade weil Leopold Wilhelm wenig bekannt ist, die von ihm in die Sammlung eingebrachten Werke wie "Jacopo Strada" oder die "Kirschenmadonna" von Tizian, "Das Haupt der Medusa" von Rubens und Raffaels "Heilige Margarethe" aber zu den wichtigsten Werken der Gemäldegalerie gehören, will man darstellen, wie Leopold Wilhelm sammelte und zum "größten Gründungsvater des KHM, was Malerei betrifft", wurde. "Ohne ihn würde es hier anders aussehen", so Gruber im Gespräch mit der FURCHE.

Sammeln als win-win-Situation

Dass die Selbstdarstellung für Mäzene und im weiteren für die Bekanntheit der Sammlung nicht unwichtig ist, kann man am Beispiel Leopold Wilhelms gut sehen. Berühmt ist das Gemälde, in dem er sich von seinem Hofmaler David Teniers d. J. in seiner Galerie darstellen ließ. Von diesem wurden zahlreiche Exemplare hergestellt und verschickt, um den Ruf als Sammler zu begründen. Im barocken Hängungsstil sind an der Wand mehr als 50 Werke zu sehen, darunter einige hochkarätige. Dass diese Darstellung nicht der Realität entsprach, wird in der Ausstellung des KHM entlarvt. Drei Reihen der Bilder hat man in schwarz-weiß auf eine Wand der Schau übertragen und die Originale davor gehängt. Aufgrund ihrer Größe gehen sich diese nicht neben- und übereinander aus. "Doch vielmehr als hier maßstabgetreu darzustellen, wie es wirklich war, ging es Leopold Wilhelm darum, zu zeigen, welche Gemälde er alle hatte", sagt Kuratorin Gruber. Seinen Ruf sukzessive aufzubauen gelang Leopold Wilhelm auch durch das "Teatrum pictorium", eine Art ersten Katalog seiner Sammlung. Teniers fertigte dafür Kopien der bedeutenden Werke als Vorlagen für Stecher an, die Kollektion konnte so einem großen Publikum zugänglich gemacht werden. "Das Teatrum pictorium war eine einzige Lobeshymne auf die Sammlung, schlug ein, wurde mehrfach neu aufgelegt und bewirkte, dass Leopold Wilhelm sogar öfters porträtiert wurde als der damalige Kaiser, sein Bruder", so Gruber . "Zahlreiche Künstler schenkten ihm Werke, um in die berühmte Sammlung aufgenommen zu werden. Es war, wie man heute sagen würde, eine win-win-Situation." In einer Zeit, als englische Sammlungen auf den Markt kamen und somit Renaissancekunst erschwinglich wurde, wusste Leopold Wilhelm außerdem, die Gunst der Stunde zu nutzen und seine Kennerschaft gekonnt einzusetzen. Er wusste sowohl sich selbst zu inszenieren, wie die Ausstellung beispielsweise durch Porträts und durch eine Darstellung beim Vogelschuss zeigt, als auch die Sammlung. Als er von Belgien, wo er als Statthalter wirkte und wo damals wohl der wichtigste Kunstmarkt der Zeit florierte, nach Österreich zurück kehrte, hängte er seine Besitztümer in der Stallburg auf und ordnete die Werke sogar, wie damals noch unüblich, nach Schulen. Er erwarb zahlreiche zeitgenössische Werke, "man würde ihn heute als contemporary patron und als Vorreiter bezeichnen", sagt Gruber.

Neue Kunst-Liebhaber

Was man aus dem Beispiel Leopold Wilhelms auf die Sammler von heute umlegen könne? "Man muss kommunizieren, was man sammelt", sagt Gruber. "Jedem Sammler ist es ein Anliegen, dass zusammen bleibt, was man gesammelt hat -und dass es mit seinem eigenen Namen verbunden bleibt". Was vor Jahrhunderten galt, gilt auch heute noch. Ein internationaler Trend, der zu Ausstellungshäusern wie dem Museum Frieder Burda in Baden-Baden, Würths Kunsthalle in Schwäbisch-Hall und der Fondation Beyeler bei Basel führte, hat in Österreich nicht nur die zuletzt stark in den Medien vertretene Sammlung Essl hervorgebracht. Als jüngere Beispiele machten es sich auch die Industriellen Herbert Liaunig und Heinz J. Angerlehner zur Aufgabe, ihre über Jahre aufgebauten Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das Museum Liaunig wurde 2008 in Neuhaus in Kärnten im Bezirk Völkermarkt eröffnet. In dem 160 Meter langen und 13 Meter breiten Schlauch-artigen Gebäude präsentiert der Gründer Teile seiner mehr als 3.000 Werke zeitgenössischer Kunst umfassenden Kollektion. Liaunig hat sich auf österreichische Kunst ab 1950 spezialisiert, Erwin Bohatsch, Jakob Gasteiger, Peter Pongratz, Markus Prachensky und Hubert Schmalix sind ebenso vertreten wie die Plastiker Wander Bertoni, Fritz Wotruba und Bruno Gironcoli. In der Ausstellung selbst wird man von einer Lichtinstallation von Brigitte Kowanz zum Kontrastprogramm übergeleitet, in einem schwarzen Kubus werden Goldschmuck-und Kunstobjekte afrikanischer Königsstämme gezeigt. Das Museum ist nur für Gruppen und nach Voranmeldung zu besichtigen, es wird derzeit zudem umgebaut, im Mai 2015 wird es wieder eröffnet, dann stehen rund 7.500 Quadratmeter für die Präsentation von Liaunigs Sammlung zur Verfügung.

Im Vorjahr kam in Österreich ein weiteres Privatmuseum hinzu: In Thalheim bei Wels werden im Museum Angerlehner in einem ehemaligen Fabriksgebäude renommierte und junge, aufstrebende Künstler gezeigt. Angerlehner kaufte nach persönlicher Begeisterung, nicht nach Schulen oder einem strengen Sammlungskonzept. 2.500 Kunstwerke umfasst seine Kollektion, in thematisch kuratierten Jahresexpositionen präsentiert er Ausschnitte. Im Obergeschoss werden drei Wechselausstellungen pro Jahr gezeigt, derzeit die Jürgen-Messensee-Personale "Jenseits der Gegensätze" (bis 19.10.) mit rund 60 großteils noch nie gezeigten Werken, bei der Skulpturen des österreichischen Künstlers Arbeiten auf Papier und auf monumentalen Leinwänden gegenüber gestellt werden. Am Eingang des Museums gibt ein Schaudepot mit rund 6.000 Quadratmetern Hängefläche Einblicke in die Vielfalt der Sammlung. Angerlehner unterstrich im Rahmen der Eröffnung des Museums 2013 seine Mitverantwortung für das kulturelle und soziale Umfeld seiner Heimatregion, die ihn dazu bewege, ein allein aus privaten Mitteln finanziertes Museum zu errichten und hier seine Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

"Amator Artis Pictoriae" - ein Liebhaber der Malkunst wurde Erzherzog Leopold Wilhelm genannt. In Zeiten schwindender Kunstankaufsbudgets der öffentlichen Museen kann man von Glück sagen, dass es solche auch heute noch gibt.

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