Gesammelt und zerstreut

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Wie die Kunst immer wieder neue Besitzer findet.

Ich habe genug von den Sorgen mit den Aktien. Eigentlich möchte ich mein Geld lieber an der Wand sehen." Sie höre Derartiges in letzter Zeit öfter, erzählt Christa Zetter, die Inhaberin der Wiener "Galerie bei der Albertina". Kunstsammler, Sammlungen, Sammeln: Dass diese Themen gerade jetzt so virulent sind, hat mehrere Gründe. In Wien ist das Thema durch die Eröffnung des Museums Leopold aktuell. Dass Österreich billig zu einem geradezu sagenhaften Kunstschatz und Gesamtkunstwerk kam, war längst bekannt, konnte aber sinnlich noch nicht erlebt werden. Überblickbar wurde das Wunder erst am vergangenen Wochende.

International ist das Thema Kunstsammeln durch den Niedergang der Börsen besonders aktuell. In unserer überkapitalisierten Gesellschaft bedeutet dieser Niedergang heimatloses Geld. Von den Riesenströmen heimatlosen Geldes finden seit jeher immer Bäche und Rinnsale den Weg zur Kunst.

Die Lebensleistung, die sich im Museum Leopold präsentiert, ist etwas Einmaliges. Doch verfügt Österreich über eine keineswegs schmale Schichte von Kunstsammlern. Für einen bestimmten, besonders reizvollen Bereich ist seit gut zehn Jahren die "Galerie bei der Albertina" auf dem Wiener Lobkowitzplatz ein Brennpunkt. Hier kann man sozusagen an der Basis erleben, wie sich das Sammeln von Kunst abspielt. Die Bedeutung des seriösen und überdurchschnittlich engagierten Kunsthandels für die Sammler - und nicht nur für sie, sondern auch für die Wissenschaft.

Zum ersten Mal seit mehreren Jahren präsentiert Christa Zetter seit wenigen Tagen in ihrer Herbstausstellung wieder einmal das breite Spektrum österreichischer Kunst des 20. Jahrhunderts, an dem ihr nicht weniger gelegen ist als an den Spezialausstellungen der letzten Jahre. Im Mittelpunkt steht also keine Sparte, kein Künstler, sondern jeder Sammler der Epoche wird Interessantes finden. Gemälde ebenso wie Graphik, Keramik der Wiener Werkstätten ebenso wie Glas, das bekanntlich manche Sammler rettungslos in seinen Bann schlägt, während ihm andere wegen seiner Zerbrechlichkeit ängstlich aus dem Weg gehen.

Apropos Zerbrechlichkeit. Die rechts unten auf dieser Seite abgebildete Vase (Entwurf: Kolo Moser, Herstellung: Loetz) wurde vor einiger Zeit aus der Auslage gestohlen. Während ein "Kunde" die Verkäuferin ablenkte, ergriff der andere mit der Vase die Flucht, ließ sie aber, verfolgt von einem sportlichen Kunsthändler, der aus einem anderen Geschäft herausgestürzt war, vor dem Café Tirolerhof fallen. Die Vase (Glas!) prallte vom Pflaster ab, machte noch zwei kleine Sprünge und blieb unbeschädigt liegen. Es war ein heißer Tag, meint Christa Zetter, da sei der Asphalt nicht so hart gewesen.

Bei ihr ist also nun so manches von dem zu sehen, was die Chance hat, früher oder später in einer jener Sammlungen zu landen, die nicht wieder zerstreut werden (Stichworte: Leopold, Essl) - oder es kommt früher oder später doch wieder auf den Markt. Egon Schiele ist seit dem zweiten Weltkrieg auf das Vieltausendfache des damaligen Wertes gestiegen. Auch die weniger auffälligen Wertsteigerungen können mit anderen Anlageformen konkurrieren - aber nur bei Werken hoher Qualität. Und auch da darf man es, so Christa Zetter, nicht eilig haben, wenn die Wertsteigerung nicht der Versteigerungsprovision zum Opfer fallen soll.

Hohe Qualität: Da wäre ein wunderschönes "Motiv aus Sievering" des viel zu wenig bekannten Robert Kohl. Er wurde von Frankreichs Vichy-Regierung an die deutschen Besatzer ausgeliefert und starb im Auschwitz-Zweiglager Blechhammer. Dieses Bild stünde jeder öffentlichen Sammlung gut zu Gesicht!

Da wäre ein Skizzenbuch von Anton Hanak (ähnliche, etwas größere Blätter sieht man im Museum Leopold), da wäre ein starkes Guttenbrunner-Porträt von Maria Lassnig (1946!), da ist, von Christa Zetter in Paris erworben, eine der schönsten großen Frauenfiguren von Vally Wieselthier.

Womit wir bei den Verdiensten dieser Galerie für die Forschung wären. Christa Zetter trug viele Jahre lang Keramik von Michael Powolny, Eduard Klablena und eben Wieselthier, der Größten in diesem Metier, zusammen. Dann wird ausgestellt und der Bestand zerstreut. Doch vorher stand jede dieser Sammlungen für Vergleiche und Publikationen zur Verfügung. Damit sind diese Arbeiten von Wieselthier, Powolny und Klablena wenigstens in Büchern mit hochwertigen Abbildungen, André Malraux sprach vom "musée imaginaire", für immer vereint.

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