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Zeitgenosse

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„Ich glaube nicht an das Märchen, daß Kunst für manchen lediglich ein Investitionsproblem sein soll. Es muß einer schon von Kunst ,inf izdert' sein, um sich aufs Kunstsammeln zu stürzen. Es muß ihm besondere Befriedigung verschaffen. In New York gibt es zum Beispiel tausende Reiche, die keinen Dollar für Kunst ausgeben würden, weil das für sie eine viel zu abstrakte Sache wäre ...“ Der mit all den gängigen Motivationen für Kunstkauf und Kunstmarkt-Boom so aufzuräumen versucht und vor allem gegen gängige Slogans^des Kunsthandels, etwa gegen die „Aktien an der Wand“, polemisiert, ist selbst Kunsthändler und Sam-ler. Sogar einer der prominentesten der New Yorker Szene: Sergre Sabarsky, 63, gebürtiger Wiener, Experte für deutschen und österreichischen Expressionismus, einer, der mit den Chefs der bedeutendsten modernen Kunstsammlungen der Welt, mit den größten Sammlern enge Kontakte pflegt. Und außerdem: der Mann, der Schiele, Klimt, Kubin in den USA sozusagen „gemacht“ hat und die sprunghafte Klettertour ihrer Preise mit Argusaugen überwacht.

Er sitzt im Wiener „Imperial“ — „ich könnte hier den ganzen Tag Kuchen essen und Kaffee trinken!“ — und erzählt über sich, über die eigenartige Arbeit eines internationalen Kunsthändlers. Vorsichtig, behutsam, diskret, wie das seine Art ist und wie das wohl auch die Mehrzahl seiner millionen- und milliardenschweren Kunden schätzt (und so photoscheu, daß wir diesmal kein Konterfei des Zeitgenossen bieten können). „Eigentlich bin ich Amateur. In Wien hat man mich zuerst aus allen Schulen hinausgeworfen. Also schickte mich mein Vater nach Frankfurt“ resümiert er Vergangenes. „Ich war Bühnenbildner, dann in New York 20 Jahre lang Innenarchitekt. Es ist natürlich leicht, heute rückblickend zu sagen, wie kolossal kulturbewußt man damals, vor 1933, in dieser internationalen Großstadt Wien, auf dieser fabelhaften Achse Wien-Berlin, gelebt hat... Aber der Tiefpunkt im Kunsthandel nach dem Zweiten Weltkrieg wird bald wieder überschritten sein. Unter den Jungen herrscht heute viel stärkeres Interesse an der visuellen Kunst als in den dreißiger Jahren. Was allerdings nicht heißt, daß viele etwa beim Sammeln auch schon über das Lokale hinausgekommen sind. Aber ich spüre überall Impulse. Qualität setzt sich durch.“

Schiele war und ist für Sabarsky das Ereignis seines Lebens. „In meiner Kindheit faszinierten mich ein paar seiner Aquarelle im Wartezimmer unseres Zahnarztes. Und ich erinnere mich genau, daß ich in der Buchhandlung Lanyi erstmals Schieies .Sonnenblumen' sah. Als der Buchhändler bemerkte, wie ich das Blatt andächtig anstarrte, kam er auf mich zu und meinte: „Ganz gut für einen Pornographen! Nicht?“

Seine renommierte New Yorker Galerie in der Madison Avenue führt Sabarsky seit Beginn der sechziger Jahre. „Als Innenarchitekt hatte ich gute Beziehungen zum Kunsthandel. Ich stürzte mich einfach auf das Hobby. Expressionismus, studierte nächtelang Bücher, Kataloge, ließ mir keine Ausstellung entgehen. Als dann im New Yorker Carlyle-Hotel ein Lokal frei wurde, setzte ich alles auf eine Karte... Ich wollte als Amateur beweisen, daß ich wie ein Profi arbeiten kann.*4

Sabarsky arbeitet heute mit mehreren internationalen Galerien zusammen. „Paris, das Mekka von einst, ist aber tot... Nur noch Lokalkolorit ohne Stars“ tut er das einstige Weltkunstzentrum ab, dem der internationale Zug, etwa der „Ecole de Paris“, abhanden gekommen ist. New York hat dieses Erbe angetreten. Aber man müsse jetzt versuchen, in Europa wieder Initiativen zu setzen. Zum Beispiel auch in Wien, wo Sabarsky mit einigen Kunsthändlern zusammenarbeitet. „Mit jungen Händlern ist es natürlich schwierig. Kapital, Großzügigkeit, Erfahrungen fehlen.“ Aber er setzt auf ein paar erste Versuche: die George-Grosz-Ausstöllung bei Pabst, die vor kurzem eröffnete Feiniger-Sechau in der Galerie „Ulysses“, gemeinsame Pläne mit der Galerie „Würthle“. Vor allem internationale Stars möchte er nach Wien lancieren, damit Wien den Informationsnotstand in Sachen „erste Qualität“ aufholen kann. „Natürlich ist die Zahl der großen Sammler relativ klein. International und besonders in Wien. Aber immer mehr entdecken die Kunst, auch den Expressionismus: Klee, Beckmann, Nolde, Feiniger, Kirchner... Warum sollte man nicht auch internationale Sammler dazu bringen, endlich wieder nach Wien zu kommen. Ich bin zu allen Schandtaten bereit!“

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