6841780-1975_48_10.jpg
Digital In Arbeit

„Idealismus“ um 200.000 S

19451960198020002020

Jetzt hat also auch Wien seine Nobelgalerie: in einem vornehmen Patrizierhaus auf der Seilerstätte schreitet der Besucher über veloursbespannte Treppen, um in gediegen eingerichteten Räumen mit den Größen des internationalen Kunstgeschehens und entsprechenden Preisen konfrontiert zu werden. „Artfremd“, urteilt der Wiener mißtrauisch, und denkt dabei an die rund 125 Galerien, die sich mehr schlecht als recht von den einheimischen Talenten nähren. Und unrecht hat er damit nicht.

19451960198020002020

Jetzt hat also auch Wien seine Nobelgalerie: in einem vornehmen Patrizierhaus auf der Seilerstätte schreitet der Besucher über veloursbespannte Treppen, um in gediegen eingerichteten Räumen mit den Größen des internationalen Kunstgeschehens und entsprechenden Preisen konfrontiert zu werden. „Artfremd“, urteilt der Wiener mißtrauisch, und denkt dabei an die rund 125 Galerien, die sich mehr schlecht als recht von den einheimischen Talenten nähren. Und unrecht hat er damit nicht.

Werbung
Werbung
Werbung

„Die ,Junior-Galerie' ist die bisher zwölfte Dependance in der Junior-Galerienkette, die ihren Hauptsitz in Goslar hat und zu der in der BRD beheimateten Juniorunternehmensgruppe gehört, die Fertighäuser und Baustoffe produziert. Der entsprechende materielle Hintergrund wäre hier also vorhanden. Und er ist es auch, der die Galerie wie eine weiße Maus zwischen lauter grauen erscheinen läßt.

„Unser finanzieller Rückhalt“, sagt Julius Thurnher, Geschäftsführer der Junior-Zweigniederlassung in Wien und zugleich Geschäftsführer der Junior-Galerie, „ermöglicht es uns auch, das Risiko einer Galeriengründung in Wien auf uns zu nehmen“. Warum datin überhaupt dieser Entschluß gefaßt wurde? „Weil wir fanden, daß Wien in unsere Galerienkette miteinbezogen werden sollte.“ Ob er sich dabei Chancen ausrechne, österreichische Künstler im Ausland bekanntzumachen? „So ist es.“

Bis jetzt sind allerdings nur die „großen Vier“, Hundertwasser, Brauer, Hrdlicka und Eisler, vertreten. Und hier zeigt sich auch der Pferdefuß: bringt ein industrielles, rein auf Kommerz ausgerichtetes Unternehmen das entsprechende Einfühlungsvermögen und unbedingte

Engagement mit, welches die Sache erfordert? Oder wird der Handel mit Kunst nicht vielmehr als Imagepflege betrieben, als Steuerabzugsposten, als Zubehör zum eigentlichen Vorhaben?

Man setzt auf Altbekanntes und Bewährtes, das Aufspüren und Fördern junger, unbekannter Talente überläßt man lieber den kleinen, mittellosen Galerien. Der Künstler mag es als großes Glück betrachten, in das Programm einer solchen Galerie aufgenommen zu werden, er, natürlich, ist dann ,ygemacht“. Weil die öffentlichen Institutionen zu wenig Kunstförderung betreiben, ist er ja häufig auf diese privatwirtschaftlichen Initiativen angewiesen, er kommt, endlich, zu der Werbung, die er nötig hat, um international anerkannt zu werden, es bietet sich ihm außerdem die Möglichkeit, innerhalb der Galerienkette auch im Ausland ausgestellt zu werden.

In ihrer Eröffnungsausstellung unter dem Titel „Internationale Kunst des XX. Jahrhunderts“ zeigt die Galerie eine Auswahl aus ihrem Programm, das vor allem den großen Klassikern der Moderne, wie Tapies, Moore, Max Ernst, Le Corbusier und George Braque, gewidmet war. Daneben werden (unter anderem) Olle Bäertling, Ipsen, Bremer, Baj, Ackermann und Wunderlich gezeigt. Seit dem 27. November ist Jorge Castillo zu sehen, anschließend (Ende Jänner) steht Henry Moore auf dem Programm. Insgesamt sind vier Ausstellungen pro Jahr geplant. Die Lücken, die sich dazwischen ergeben könnten, möchte man mit Österreichern füllen. „Unsere eigentliche Aufgabe sehen wir jedoch darin, in Wien den internationalen Kunsthandel anzukurbeln“, meint Geschäftsführer Thurnher. Die Schwierigkeiten sind ihm bekannt. „Es ist ein langfristiges Unternehmen. Wir werden uns sehr viel einfallen lassen müssen, um den Käufern unsere Kunst schmackhaft' zu machen.“ Zur „Gewinnung der verschiedenen Käuferschichten“ sind Veranstaltungen, wie Dichterlesungen, Jazzabende und dergleichen, geplant. Kein Wunder, wenn Wiens kleine Galerien der große Konkurrenzneid gepackt und sie um ihre ohnedies gefährdete Existenz zu bangen beginnen. Noch dazu, da so mancher von ihnen es auch schon mit der internationalen Kunst versucht hat, allerdings (vielleicht, weil ohne den entsprechenden Werbeetat) bislang vergeblich. „In Wien“, erklärt dazu ein Galerist, „geht so was nicht“. • •

Daß es in Wien keinen internationalen Kunsthandel gibt, ist bekannt. Die Gründe hierfür mögen darin liegen, daß der Wiener Käufer und Sammler bislang zu wenig mit internationaler Kunst konfrontiert wurde, oder an der Tatsache, daß der österreichische Sammler zu wenig finanzkräftig ist. Es gibt allerdings noch eime dritte Möglichkeit, und das--ist die Abneigung—des-

Österreichers, für internationale Modenamen ein Vermögen zu zahlen. Daraus, und weil es damit an den nötigen Anregungen fehlt, resultieren die bekannten Erscheinungen: Isolationsismus, Inzucht, kleinkarierte Tendenzen. Ein Dilemma, unter dem nicht zuletzt der Künstler leidet. Ein frischer Wind auf Wiens Kunstszene wäre daher sehr zu begrüßen.

Die Junior-Galerie wird sich allerdings wahrscheinlich eine österreichische Variante einfallen lassen müssen, wenn sie bestehen will. Vor allem dürften die gewohnten, in Goslar festgesetzten Preise hier wenig Anklang finden. Das trifft besonders auf österreichische Künstler zu, die in Deutschland ja meist um ein Vielfaches verkauft werden. Wenn ein Brauer hier um 200.000 Schilling angeboten wird, klingt das Bekenntnis „Wir wollen auf dem Kunstmarkt nicht das Kommerzielle in den Vordergrund stellen, sondern das Ideal“, ein bißeben komisch.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung