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Geschäfte mit alter Kunst

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Geringe Dollarstabilität, das Schwanken der europäischen Währungen, Verringerung der Kaufkraft des Schillings, aber auch rapide Steigerung der Lebensansprüche, die „Entdeckung des Luxus“, halten den Wiener Kunstmarkt in Bewegung. Charakteristisch sind der Run auf alte und neue Kunst und im Gefolge unabsehbare Preissteigerungen bei Gemälden, Plastiken, beim Kunstgewerbe, im Handel mit Druckgraphik und bibliophilen Raritäten. Und immer mehr droht die Verengung des Angebots auf dem Antiquitätenmarkt, der teilweise nun sogar schon durch Rückkäufe, speziell österreichischer Werke, aus den USA, der BRD und aus England aufgefrischt werden muß: der einzige Weg, um zum Beispiel auf der Sonntag zu Ende gehenden 3. Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse noch Spitzenware anbieten zu können.

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Geringe Dollarstabilität, das Schwanken der europäischen Währungen, Verringerung der Kaufkraft des Schillings, aber auch rapide Steigerung der Lebensansprüche, die „Entdeckung des Luxus“, halten den Wiener Kunstmarkt in Bewegung. Charakteristisch sind der Run auf alte und neue Kunst und im Gefolge unabsehbare Preissteigerungen bei Gemälden, Plastiken, beim Kunstgewerbe, im Handel mit Druckgraphik und bibliophilen Raritäten. Und immer mehr droht die Verengung des Angebots auf dem Antiquitätenmarkt, der teilweise nun sogar schon durch Rückkäufe, speziell österreichischer Werke, aus den USA, der BRD und aus England aufgefrischt werden muß: der einzige Weg, um zum Beispiel auf der Sonntag zu Ende gehenden 3. Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse noch Spitzenware anbieten zu können.

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Sensationspreise sind dank der Flucht weiter Kreise in mehr oder minder stabile Kunstwerte längst keine Seltenheit mehr: Eine halbe Million Schilling für eine Porträtstudie von Frans Hals, weit mehr als 100.000 für ein gutes Schiele-Aqua-rell, rund 100.000 für ein leicht wieder absetzbares Kubin-Blatt notierte man noch vor kurzem im Dorotheum. Die Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse im Messepalast überbietet nun diese Sensationen: 2,3 Millionen Schilling etwa als absolute Spitze für

ein Gemälde Waldmüllers; 950.000 verlangte ein Händler für ein Gemälde von Teniers, 390.000 ein anderer für ein „Ragusa“-Bild Emil Jakob Schindlers ... Und das sind keine Ausnahmefälle, wie die Teilnehmer der Antiquitätenmesse beteuern, denn viele der angebotenen Kunstwerke, darunter Seltenheiten wie Amerlings „Schlafende Fischerin“, ein „museumsreifes“ Stück, mußten erst in det BRD eingekauft und heimgebracht werden; entsprechend dem Trend, daß man heute mehr

denn je die im Ausland befindlichen Kunstwerke österreichischer Provenienz wieder in den Wiener Handel einschleusen möchte, um sie im Wert weiter steigen zu lassen.

Die Zeiten, da Museumsdirektoren, Kunsthändler und Sammler klagten, daß in Wien kaum Bedeutendes angeboten werde und demnach erst gar keine Nachfrage mehr bestehe, scheinen jedenfalls endgültig vorbei. Zwar ist der Wiener Markt — wie auch die Antiquitätenmesse beweist — im Hauptgewicht der österreichischen und süddeutschen Kunst verpflichtet: der Barockplastik, der Wiener Malerschule des 19. Jahrhunderts, dem barocken und Biedermeiermobiliar. Trümpfe ausländischer Kunst sind meist flämische Bilder... Und noch immer vermißt man größere Werke internationaler Kunst, wie sie früher in Wiens Auktionshäusern immer wieder angeboten wurden. Dennoch: „Ein Kunstangebot, das alle deutschen Kunstmessen übertrifft!“ staunte zum Beispiel ein deutscher Kunsthändler, der zur Eröffnung der Wiener Messe angereist war. Und ein Juror bestätigte: „Qualität ist unser Trumpf! Trotz viel Ge-

jammer mancher Aussteller haben wir streng ausgesiebt.“

Die Verknappung auf dem Warensektor hat übrigens bereits interessante Folgeerscheinungen. Nach London und manchen anderen europäischen Kunsthandelszentren ist nun auch in Wien der Historismus im Kommen. Noch scheuen Händler davor zurück, das hervorragende Mobiliar, den erlesenen Schmuck, das eigenartige dekorative Silber und Porzellan der „Ringstraßenzeit“, des Second Empire, der Wilhelminischen Ära usw. anzubieten. Aber das kann nur eine Frage der Zeit sein: Mit August Eisenmengers hervorragendem „Damenporträt“ von 1886 und ein paar anderen Werken machte man diesmal einen Anfang. Die Londoner und eine in der BRD geplante Ausstellung „Kunst des Historismus“ sowie die Wiener Schau „Die Ringstraße“ werden das übrige tun, das Verständnis für eine unerschlossene Kunstrichtung zu öffnen, die noch dazu Händlern und Sammlern die Möglichkeit bietet, die Preise und Werke „von unten her“ aufzubauen.

Geringer Erfolg dürfte übrigens der erstmals eröffneten „Koje der Jungsammler“ beschieden sein, mit der die Antiquitätenmesse ein neues, junges Publikum an sich ziehen will. Freilich, vergebliche Liebesmüh'! Denn, wer den Trödlerladen, dieses bunte Durcheinander von schlechtem Porzellan, billigen Souvenirs, Boutiquenramsch gesehen hat, versteht,

daß man an Jungsammler so sicher nicht herankommt, sondern manchem eher den Mut nimmt.

Unverständlich bleibt aber auch, warum sich die Veranstalter der Antiquitätenmesse auch weiterhin standhaft sträuben, Jugendstil und Art deco, im Ausland längst die großen Schlager der Kunstmessen, wenn nicht schon — wie in Paris — überhaupt beinahe passe, in ihre Kojen aufzunehmen. Eine bescheidene Vitrine, in der verschämt ein paar Kostbarkeiten stehen, eine frühe Galle-Vase, eine von Daum Nancy, eine Rauchgarnitur der Wiener Werkstätte, ein Obstkorb von Josef Hoffmann usw., das ist alles, was im Messepalast offiziell zugelassen ist. Sieht hier niemand, daß es nach den großen Wiener Secessions- und Werkstättenausstellungen höchste Zeit ist, die Wiener Meisterwerke von 1900 auch in den internationalen Handel zu bringen? Will man diese Werke nun, nachdem frühere Generationen sie erst einmal (wie wir oft heute noch den Historismus) als Kitsch und Kram abgetan haben, erneut unter den Scheffel stellen und sie eine rein österreichische, ja Wiener Angelegenheit bleiben lassen, während die Münchner, Pariser, Darmstädter ihren Jugendstil als internationale Glanzleistungen anpreisen? Die Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse sollte diese Chance nicht ungenützt vorbeigehen lassen.

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